Vater und Tochter

158 10 0
                                    

Die Sonne ließ die Schuppen des blauen Drachen wie Edelsteine erstrahlen. Sie hatte diese Nacht auf der Lichtung vor dem Wald der Kreaturen verbracht. Varden gähnte und seine spitzen Zähne blitzten auf. Selena erhob sich und lief ein paar Runden um wach zu werden. Seit sie ihren Drachen hatte, war jeder Tag von lernen und nochmehr lernen erfüllt gewesen. Ihr Vater war der oberste des Ordens und gleichzeit ihr Lehrer in Magie und Kampf gewesen. Bei Murthag und Gero lernte sie ihren Drachen gesund zu halten, ihn zu heilen und seine Stimmungen zu spüren. Ihre Mutter Arya brachte ihr das Kämpfen in der Luft und am Boden bei. Drei Jahre hatte sie alles aufgesaugt was sie brauchen würde, um Alagäsia zu beschützen. Doch es wurde Zeit, sie musste zur ersten Ratssitzung, die ihr als vollwertiger Reiterin nun offenstand.

Es war still im Ratssaal. Die Obersten saßen auf ihren Stühlen, die Drachen, ob lebendig oder nicht sahen die fünf jungen Reiter wachsam an. Neben Selena standen Niomee, Pascal, Ismira und Ajihad. Eragon erhob sich. Er sah noch immer sehr gut aus, obwohl er schon auf die vierzig Sommer zuging. Die Magie seines Drachen ließ ihn langsamer älter werden. Seine Augen ruhten sanft und voller Weisheit auf den jungen Reitern.

"Ich habe euch rufen lassen", begann er mit seiner sanften Stimme. " Weil es an der Zeit ist euch eure Schwerter zukommen zu lassen."

Aufgeregt sahen sich die Reiter an. "Allerdings müsst ihr dafür nach Ellesmera fliegen. Allein." Sofort hatte Eragon die ungeteilte Aufmerksamkeit aller. "Diese Reise wird euch formen, euch fordern und euch auf die Probe stellen. Vergesst niemals was ihr geschworen habt, den sonst wird es keine Rückkehr hierher für euch geben. Zeigt das ihr würdig seid Reiter genannt zu werden." Selena spürte den Blick ihrer Mutter auf ihrem Gesicht doch sie sah nur ihren Vater an. Wie er dort stand, so stark trotz des fehlenden Armes. Hinter ihm blitzte das blaue Auge von Saphira im Sonnenlicht auf. Sie war schon auf ihr geritten bevor sie laufen konnte, doch Varden hatte ihr erst gezeigt wozu Reiter und Drache in der Lage waren.

"Packt eure Sachen zusammen. Packt weise. Je mehr ihr mitnehmt umso schwer wird es für euren Drachen. Morgen, wenn die Sonne aufgeht brecht ihr auf."


Selena stocherte in ihrem Gemüseauflauf herum und starrte auf die Tischplatte. Die Vorfreude war praktischen Überlegungen gewichen. Die Stimmen ihrer Eltern waren nur ein fernes Summen in ihren Ohren, auch wie Ismira immer wieder Fragen stellte. Sie horchte auf, als Eragon von seinem ersten Flug erzählte. Saphira war damals erst ein halbes Jahr alt gewesen und beide hatten keine Ahnung gehabt was sie tun sollten. Weder hatte Eragon einen Sattel noch die nötigen Kenntnise in Magie um sich vor Saphiras Schuppen zu schützen. Es war eine Flucht gewesen, ausgelöst von dunklen Kreaturen, die schon lange nicht mehr existierten. Ihr Vater hatte sich an Saphiras Schuppen verletzt und musste erst wieder zu Kräften kommen, ehe er seiner Bestimmung folgen konnte. Ismira hing an seinen Lippen. Sie hörte diese Geschichte immer wieder gern und wurde nicht müde Eragon darum zu bitten. Ihr Vater war ein Held und hatte alle Erwartungen in den neuen Drachenreiter übertroffen. Es war nur gerecht das er der Oberste war und Selena würde nie dagegen sprechen.

"Ihr solltet ins Bett gehen. Es wird eine lange Reise." sagte Arya sanft und stand auf um den Tisch abzuräumen. Selena stand auf und blieb unsicher stehen. Sie würde ihre Eltern heute zum letzten mal für sehr lange Zeit sehen. Eragon sah sie an.

"Ich hab Angst Vater."

"Ich weiß. Aber Saphira sagte einst zu mir, das es ohne Angst keinen Mut geben kann. Diesen Weg musst du allein gehen. Vertrau darauf, das du alles weißt was du brauchst und das Varden dir beisteht." Sie drückte sich an Eragon, vergrub das Gesicht in den weichen Falten seines Wames und atmete seinen Kräutergeruch ein. Seine Hand fuhr ihr sanft durchs Haar, so wie sie als als kleines Mädchen immer geliebt hatte. Nirgendwo war sie sicherer als in seinen Armen.

"Ich will das du mitkommst." nuschelte sie in den Stoff. Ein leises Lachen erschütterte seine Brust. "Wir begleiten euch bis zum Festland." Er schob sie auf Armeslänge von sich und sah sie an. "Du bist eine Kriegerin Selena, stark und unnachgiebig. Du hast einen unbändigen Willen, du brauchst mich nicht mehr."

Selena nickte und schluckte tapfer ihre Tränen hinunter.

Dein Vater hat Recht Kleines. Uns zusammen überlebt niemand. ließ Varden sich vernehmen. Seine Stimme war voller Wärme. Sie lächelte und half ihrer Mutter dabei den Tisch zu leeren. Später lag sie in ihrem Bett. Im Haus war es ruhig, der Vollmond malte silberne Schatten auf ihre Bettdecke. Sie war eine Reiterin, sie war die Tochter von Eragon Schattentöter und Königsmörder, nichts würde ihr passieren. Zufrieden rollte sie sich auf die Seite und schloss die Augen.


Willkommen zum 2. Band meiner Eragon Reihe. Viel Spaß euch!


Eragon   Der Baum der ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt