Familienbande

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Das sanfte auf und ab der Schwingen weckte Selena. Seit drei Tagen waren sie in Alagäsia. Noch immer konnte sie die feste Umarmung ihrer Eltern spüren, die Tränen in ihren Augen. Sie waren zu sechst. Murthag begleitete sie. Er hatte vor seine Frau zu besuchen, so würde Ilirea ihre erste Station sein. Treim sollte heute ihr Ziel sein, die Stadt aus der Gero ursprünglich gekommen war und wo Eragon, der erste Reiter den ersten Vertrag aushandelte, der langen Frieden sicherte. Selena lehnte sich zur Seite an sah an Vardens Schulter auf die zerklüfteten Hänge des Buckels, dessen Ausläufer die gerade passierten. Neben ihr flog Pascal auf seiner weißen Drachendame  Domia deren blutrote Hörner in der Sonne erstrahlten wie die reinsten Rubine. Ismira und ihr Hellblauer Drache Mor'ranr flogen leicht versetzt zu Ajihad und dem dunkelroten Draumr. Niomee und ihr Dunkelgrüner Drache Thorus bildeten mit Murthag den Schluss der kleinen Formation. Sie sah wieder nach vorn, durch die silbrigen Hörner ihres Drachen auf den Horizont. Nur hier war sie unbeschwert und frei. Varden teilte ihre Lust am Fliegen und rasch waren die beiden zu einem der begnadesten Fliegerpaare aufgestiegen. Sie trauten sich eher zu gefährliche Luftakropatik zu versuchen als ihre Klassenkameraden. Eragon hatte dies gefördert, den ihre Fortschritte spornten auch die anderen an, nicht den Anschluss zu verlieren. Nur Mor'ranr war, wie seine Mutter ein König des Himmels. Nichts schien ihm schwer zu fallen, außer seine Angst etwas falsch zu machen. Ismira hatte ihm mehr als einmal gut zureden müssen, bis auch er Saltos flog und sich heimisch zu fühlen begann. Nun segelten sie über den klaren Himmel, über ein Land das aus dem Schlaf des Winters erwachte. Bunte Tupfen im weiten grün der endlos langen Wiesenflächen zeugten von Blumen und Bäumen in strahlender Pracht.

Sie sah zu Pascal. Er war erst der zweite Urgal den ein Drache erwählte. Dank des Zaubers den ihr Vater einst veränderte, waren auch Urgals und Zwerge in die Wahl zum Reiter einbezogen wurden. Er stammte aus einer Linie in der das "Alte Blut" floss, wie er ihr erklärt hatte. Wenn er sich bewährte dann würde er eines Tages ein Kull sein. Größer als ein Urgal, muskulöser und gefährlicher. Ob er diesen Weg beschreiten konnte wenn er Reiter war, das blieb abzuwarten. Er schien zufrieden mit seiner Aufgabe und genoss es auf Domia über den Himmel zu gleiten. Seine Hörner blitzten auf, als er den Kopf drehte und sie anlächelte. Selena erwiderte sein Lächeln und drehte den Kopf um zu Ismira zu sehen. Die Tochter ihres Onkels war älter als sie, als Tochter eines Barons aufgewachsen und dank ihres Blutes, wie einige Schüler munkelten, zur Reiterin geworden. Auch ihren Vater würden sie auf ihrer Reise besuchen. Selena freute sich darauf ihren Onkel wiederzusehen. Varden sackte etwas ab und brummte missmutig. Der Luftstrom war nicht stabil genug.

Am späten Nachmittag tauchte Treim vor ihnen auf. Die Reiter atmeten aus. So sehr es Spaß machte einen Drachen zu reiten, auf Dauer war es nicht sonderlich bequem. Varden landete sanft und faltete die Schwingen zusammen. Um ihn herum landeten auch die anderen und sie rutschten aus den Sätteln. Reiter näherten sich und dann erkannte Selena Ishia, die Fürstin der Stadt. Sie war alt geworden, aber noch immer eine respektheischende Persönlichkeit.

"Willkommen in Treim, Reiter. Eragon hat uns über eure Mission informiert und gern geben wir euch Quartier für die Nacht und eine Mahlzeit. Bitte folgt uns." Selena schulterte ihren Rucksack und stiefelte hinter Ishia her. Die Drachen würden hier auf sie warten, bewacht von Murthag. Er zog es vor Städten fern zu bleiben. Dorn, ein riesiger Berg neben den jungen Drachen, rollte sich zusammen und musterte die Gruppe aus seinem riesigen Auge.

Das Essen war nahrhaft gewesen und reichhaltig. Selena lag neben Ismira, die schon schlief. Auch sie war todmüde, doch sie vermisste die Wärme ihres Vaters, der sie jeden Abend in den Schlaf gesungen hatte. Varden berührte ihren Geist und summte die bekannte Melodie ihrer Kindheit.

Danke.

Ich möchte nicht, das du traurig bist Kleines. Wir haben ein Abentheuer vor uns und unsere Gedanken sollten frei von Trauer sein. erwiderte der Drache sanft und hüllte ihre Gedanken tröstend ein.

Du hast Recht. Langsam verstehe ich, wie Vater sich gefühlt haben muss.

Wie meinst du das?

Als er allein mit einem Jungdrachen durch das Land gestolpert ist. Ich könnte das nicht.

Varden ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Eragon hatte nicht was wir haben, aber er hatte Saphira. Er war nicht allein und du bist es auch nicht. Schlaf jetzt, wir brauchen einen wachen Geist.

Selena rollte sich auf die Seite und schloss die Augen. Es stimmte, sie war nicht allein, Eragon war nicht allein und wenn ihr Vater es schaffte, dann sollte es ihr auch gelingen.


Die Sonne brannte und ließ die Reiter stöhnen. Die Hauptstadt war nicht mehr weit weg. Ismira sah immer wieder an der Schulter ihres Drachen hinab auf das Land unter ihnen. Es blühte und gedieh unter der kundigen Hand der Königin und dem Schutz der Reiter. Selena summte vor sich hin und genoss den Wind in ihrem Haar. Das Gespräch mit Varden hatte sie beruhigt und ihr gezeigt, dass sie nicht wie ihr Vater sein musste. Sie konnte sich entfalten und genau deswegen hatte er dafür gesorgt, dass sie diese Zeit ohne seine Hilfe erleben konnte.


Eragon   Der Baum der ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt