Varden und Selena

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Sie segelten über den hellblauen Himmel. Selena genoss es, nur mit ihrem Gefährten allein zu sein. Nur sie beide, frei jeder Verpflichtung. Varden schlug mit den Schwingen und hielt ihre Höhe ohne abzusacken. Nasuada hatte sie in allen Ehren empfangen und ein Bankett für sie gegeben. Doch Selena suchte die Ruhe und Abgeschiedenheit. Sie mochte den Hof nicht, die vielen Menschen und den Lärm. Wie ihr Vater zog sie die Gesellschaft ihres Drachen allem andern vor. Ihr Vater hatte ihr einmal gesagt, das Einsamkeit nicht aus Verlust entstand, sondern ein gewählter Zustand war.  Er selbst hatte sich lange einsam gefühlt, bis er Freundschaften zuließ und sich selbst eingestand, dass er alles hatte.

War es bei ihr genauso? Zog sie es vor allen fern zu bleiben weil sie ihren Vater vermisste? Weil sie bei ihm sein wollte, Rat suchte und vor allem seine Wärme? Sie war noch immer sein kleines Mädchen und die Verantwortung eines Drachenreiters war ihr zu viel. Zwar hatte sie sich gewünscht einen Seelengefährten zu haben, mit ihm zu fliegen und Abentheuer zu erleben, doch der Preis schien ihr zu hoch.

Du jammerst.

Selena zuckte zusammen. Trotz regte sich in ihr.

Ich jammere nicht. Ich stelle fest!

So nennt man das? Varden klang amüsiert. Ich hatte dir mehr Vermögen zugetraut,  wenn es darum geht dich auszudrücken.

Sie richtete sich im Sattel auf und presste die Lippen zusammen. Manchmal verfluchte sie die Verbindung zu ihrem Drachen. Er kannte sie besser als sie sich selbst. Und er hatte die schreckliche Angewohnheit ihr ihre Fehler zu zeigen. So sehr sie Varden mochte, jetzt gerade half ihr seine Analyse nicht. Tränen sammelten sich in ihren Augen. Das Heimwehr presste ihr das Herz zusammen. Ärgerlich wischte sie sie mit dem Zipel ihres Mantels fort. Es war ein Fehler. Der Geruch ihres Vaters war noch im Stoff und frass sich in ihr Hirn. Sie schluchzte und bemerkte nicht, wie der Drache zur Landung ansetzte. Als sie den Boden erreichten, rutschte sie von seinem Rücken, taumelte zwei Schritte und sank weinend ins Gras. Varden schob den Kopf neben sie und brummte sanft.

Es tut mir leid Kleines. Ich wollte nicht gemein sein.

Schon gut. Du warst nicht gemein. Irgendwann wäre ich eh zusammen gebrochen. schluchzte sie und drückte das Gesicht an seine Nase. Sie saßen lange so nebeneinander, bis die Tränen versiegten und sie einfach auf seinem Kopf lag und in sich hörte. Die Stimme ihres Vaters, der Singsang ihrer Mutter. Das Lachen ihrer Freunde. Die Freiheit auf dem Rücken ihres Drachen, alles was sie schon erreicht hatte. Varden hatte Recht. Sie war soweit, sie durfte weinen und ihrer Eltern vermissen. Doch sie musste anfangen ihren Weg zu suchen, sich loszusagen von der Kindheit.

Du wirst weise.

Ich werde nicht weise. Ich beginne nur, die Sache klarer zu sehen. Vater wollte, dass ich diesen Schritt gehe. Das ich lerne ohne seine Hand zu laufen. Sie strich über die feine Wolle ihres Mantels. Er wollte mir zeigen, das ich immer seine Tochter sein werde, egal welchen Weg ich einschlage. Selbst wenn ich weinend nach Hause zurück gekommen wäre.

Varden hob den Kopf als sie aufstand und zwei Schritte von ihm wegtrat.

Nur so werden wir erwachsen, Drachenreiterin. Du hast ein Erbe angtreten, das dein Vater dir gegeben hat. Wie du es verwenden willst, das ist deine Entscheidung. Nun ist es an mir, dich auf diesem Weg zu begleiten.

Eragon   Der Baum der ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt