Bewährungsprobe

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Selena zitterte. Der eisige Wind trieb ihr die Tränen in die Augen. Sie kuschelte sich an Varden und versuchte ihre Finger zu bewegen, die steif vor Kälte waren.

Ich will mich ja nicht einmischen, aber soweit ich weiß bist du eine Drachenreiterin.

Selena grummelte.

Das weiß ich selber, danke!

Und warum benimmst du dich dann nicht wie eine? Klapperst hier herum, das selbst mir die Zähne wackeln.

Sie erstarrte, dann schalt sie sich innerlich einen Narren. Magie, natürlich! Ohne auf das entfernte Glucksen in ihrem Kopf zu achten, murmelte sie einen Spruch und spürte wie ihr sofort wärmer wurde. Sie konnte förmlich vor sich sehen, wie ihre Kameraden in schallendes Gelächter ausbrachen. Doch sie waren nicht hier, die Formation aufgelöst. Grund war ein Streit zwischen Pascal und Niomee gewesen. Unverblümt hatte die Elfe kund getan, dass es eine Schande sei einen Urgal zum Drachenreiter zu machen und somit das gesamte Lager gespalten. Selena war in die Zwickmühle geraten. Immerhin war es ihr Vater gewesen, der dies möglich gemacht hatte. Am Ende hatte sie ihre Sachen gepackt und war mit Varden nach Norden geflohen. Sie wollte zu ihrem Onkel und von dort zurück nach Hause. Ihr Vater musste erfahren was passiert war. Anderseits, wenn sie zurück kehrte, würde sie noch einmal drei Jahre warten müssen, ehe sie ihr Schwert bekam.
Es war schlicht und einfach zum verrückt werden. Sie könnte auch nach Ellesmera zu ihrer Mutter gehen, die gerade dort weilte, um die diplomatischen Beziehungen mit Surda weiter voran zu treiben. Auch zu ihrem Vater könnte sie zurück, oder aber...
Sie sprang auf.
"Los Varden, ich habe eine Idee!"
Der Drache Brummte, bekam aber nichts aus ihr heraus und musste sich darauf verlassen, daß seine Reiterin einen guten Plan hatte.

Der Flug war lang und mehr als einmal musste Selena Varden helfen  bevor dieser abstürzte.  Sie rasteten an die unwegsamsten Orten, fern jeder Zivilisation,  den sie wollte nicht, dass die anderen von ihrem Plan erfuhren. Varden hatte es inzwischen aufgegeben sie nach ihren Beweggründen zu fragen. Am zwölften Tag ihrer Reise kamen sie ans Meer. Selena schluckte. Ihr Vater hatte jeden Reiter ausdrücklich davor gewarnt diesen Flug zu wagen. Es war gefährlich und junge Drachen schafften die Strapazen nicht, vom Wetter mal abgesehen. Aber sie hatte keine Wahl. Wenn sie die Hilfe wollte, die sie suchte, dann musste sie dieses Wagnis eingehen.

Tasächlich schaffte sie es, heil über das Meer zu kommen. Die Insel des ersten Ordens lag verlassen im Schein der Mittagssonne. Niemand war zu sehen, doch sie wusste das er hier war. Sie konnte seine Anwesenheit spüren. Varden landete hart auf dem Sandstrand und sackte zusammen. Rasch rutschte Selena zu Boden und nahm ihn den Sattel ab. Erleichterte schüttelte der Drache seine Schultern und schlurfte zum Bach, der ins Meer floss.

"Du bist weit von zu Hause und in der falschen Richtung unterwegs."

Die sanfte Stimme erschreckte sie und Selena fuhr herum. An den Stamm einer alten Kiefer gelehnt sah Vrael sie an. Sein langes weisses Haar fiel ihm auf den Rücken. Auch wenn er alt war, nichts deutete darauf hin, dass er zerbrechlich oder gar wehrlos war. Die Magie der Drachen hatte ihn vor den Erscheinungen des Alters bewahrt. Selena stand auf und begrüßte den Elfen auf die höflichste Weise.

"Verzeiht das ich bei Euch eingedrungen bin Ebithril, aber ich brauche Rat und Hilfe."

"Nun beides kann ich dir geben, wenn es in meiner Macht liegt. Nun solltest du dich erst einmal um deinen Drachen kümmern, dann sprechen wir."

Als die Sonne im Westen versank, saß sie am Strand, Vrael ihr gegenüber und ass eine vorzügliche Gemüsesuppe. Varden hatte sich hinter ihr zusammen gerollt und schlief.

"Was hat dich hier her geführt? Dein Vater hat mir nicht mitgeteilt, dass ich Besuch bekomme.", begann Vrael das Gespräch.

"Er weiß gar nicht das ich hier bin. Wir...ich sollte einen Auftrag erfüllen. Mein Schwert in Ellesmera schmieden, aber es gab Schwierigkeiten. Nach Hause kann ich nicht. Ich wusste nicht was ich tun sollte."

"Was für Schwiergkeiten?"

Selena erzählte ihm alles. Die folgende Stille wurde nur vom knistern des Feuers gestört.

"Es ist immer wieder das gleiche. Der einzige der nicht dem Sog der Macht verfiel, war dein Vater."

Selena blinzelte ihn an. "Aber er ist ein Drachenreiter. Alle begegenen ihm mit Respekt. Er muss nur einmal mit den Fingern schnippen und ein ganzer Palast ist ihm zu diensten."

"Nutzt er dies aus? Sag mir Liebes, was zeichnet deinen Vater aus. Was macht ihn zum besten den wir haben?"

Selena überlegte, versuchte ihren Vater aus anderen Augen zu sehen.

Er war ohne Zweifel eine Ernst zu nehmende Erscheinung. Doch niemals hatte sie erlebt, wie er das Privileg Drachenreiter zu sein, gegen andere verwendtete. Er war sich nicht zu fein selbst anzupacken, schwere Arbeit zu verrichten oder Kranken zu helfen. Seine Weisheit gab er weiter, half wo es keinen Ausweg zu geben schien und immer, egal um wen es sich handelte, immer behandelte er die Menschen, Elfen, Urgals oder Zwerge wie Gleichgestellte. Vrael lächelte, als er die Erkenntnis in ihren Augen sah.

"Siehst du kleine Reiterin? Dein Vater ist ein großer Mann, weil er nie vergessen hat, dass es Zufall war Saphira zu bekommen. Auch hat er nie vergessen, wo er aufgewachsen ist und wie es ist, nichts zu haben. Sicher hat es ihm viele Türen geöffnet Drachenreiter zu sein, aber niemals, und ich kenne ihn schon eine Weile, hat er auch nur einmal Profit daraus geschlagen. Soll ich dir etwas verraten?"

Selena nickte und rutschte näher an Vrael heran.

" Als Galbatorix zum ersten mal fiel, da hatte dein Vater nicht nur die Wahl König von Alagäsia zu werden, nein er hätte auch Nasuada zu seiner Frau und sich so zum König machen können. Er lehnte ab. Auch wenn sie versuchten ihn zu überreden, er wollte nicht und weist du wieso? Weil er gesehen hat, was ein Drachenreiter auf dem Thron anrichten kann. Er verlor seine ganze Familie durch diesen einen Reiter, doch er wollte nicht König sein. Deine Mutter allein, das war was er wollte und Saphira natürlich."

" Er hat die Probe bestanden. Die Probe des Geistes und Willens.", flüsterte Selnea ergriffen und rieb sich die Nase. "Aber wie soll mir das helfen, meine Gefährten wieder zu finden und sie daran zu hindern, das Land in einen neuen Krieg zu stürzen?"

Denk nach Kleines. Vardens sanfte Stimme streichelte ihren Geist und beruhigte sie. Überlege wie du deinem Vater Nachricht schicken und ihn um Hilfe bitten kannst. Du brauchst die Führung des Meisters, hole sie dir.

Selena starrte auf eine Schuppe am Bein ihres Gefährten. Was würde ihr Vater tun? Er hatte ihr viele Geschichten aus seiner Zeit als Lehrling von Brom und Oromis erzählt, da war sie noch klein. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.

"Habt Ihr einen Spiegel?"


Eragon   Der Baum der ErkenntnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt