[4/4] Zwischen parkenden Autos

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Mitte Juni 2012

"Gut, dass du auf mich gehört hast, Winter."

"Jaja", erwiderte dieser bloß, als er und Lennie seine Sachen in die Hand nahmen.

Winston öffnete ihnen die Tür, damit sie herausgehen konnten. Anschließend folgte er ihnen nach draußen, doch bevor Winter zu Lennie gehen konnte, hielt Winston ihn an seinem Handgelenk fest. Sie standen auf dem großen Parkplatz inmitten der vielen Autos.

"Warte, Winter", bat er ihn. Er hatte Angst, ihn nie wieder sehen zu können, wenn er ihn jetzt einfach gehen ließ.

"Was gibt es denn noch, Winston?", fragte Winter mit zusammengezogenen Augenbrauen. Aber der junge Mann antwortete nicht und griff nach dem Koffer, den er ihm abnahm, um ihn auf den Boden zu stellen, wo er nicht mehr stören konnte.

Dann streckte er seine Hand wieder nach der von Winter aus und zu seiner Verblüffung ließ dieser es sogar zu. Er blickte verträumt nach unten, als sein Daumen über dessen rauen Handrücken strich. Winston wollte und konnte ihn gar nicht mehr loslassen.

Winter's Atem wurde hastiger und zittrig, als sich deren Finger für einen Moment lang miteinander verschränkten.

"Warum weinst du?"

Weinen? Verdammt, er hatte nicht einmal gemerkt, wie ihm Tränen in die Augen gestiegen sind.

"Ich habe Angst", gab er flüsternd zu und es fühlte sich an, als würde er eine riesige Last von sich werfen.

"Wovor?"

Winston blickte ihn aus besorgten Augen an und das reichte, um ihm den letzten Ruck zu geben.

"Dir wehzutun. Nein, warte ... Das habe ich schon längst. Siehst du? Ich bin nicht gut. Nicht gut für dich."

"Nein, ich bin okay. Mir geht es gut ... Du hattest deine Gründe", murmelte Winston leise.

"Das ist keine Entschuldigung dafür, was ich dir angetan habe. Wie ich mich dir monatelang gegenüber verhalten habe."

"Schon in Ordnung, Winter."

"Nein."

Winter schüttelte verzweifelt seinen Kopf.
"Und weißt du was? Du siehst aus wie er, klingst wie er, verhältst dich wie er. Ich habe das Gefühl, als würde sich die Geschichte wiederholen, verstehst du?"

"Es ist lächerlich. Ich bin lächerlich. Ich musste mich ausgerechnet in sein Abbild verlieben. Was sagt das bitte über mich aus? Ich bin ein hoffnungsloser Fall. Das hier ist-"

Winston konnte nicht anders als zu lächeln. Er wusste es. Er hatte es immer gewusst.

Er zog den älteren in eine Umarmung, während er seinen Kopf an dessen Schulter legte. Winter wusste zunächst nicht, wie er reagieren sollte, entschied sich allerdings nach einigen Sekunden dafür, auch seine Arme um ihn zu legen. Es fühlte sich gut an. Und vor allem sicher.

"Du riechst nach Erdbeeren", hauchte Winter mit geschlossenen Augen leise, der seine Wange an Winston's Schläfe drückte.
"Und du nach Zigaretten", erwiderte Winston leicht schmunzelnd, froh darüber, nicht weggestoßen zu werden.

"Du weißt wirklich, wie man die Stimmung kaputt machen kann."

"Und wie man sie wieder aufbaut."

"Wie?"

Winston wollte nicht mit Worten antworten. Stattdessen wollte er es ihm einfach zeigen. Er wich ein wenig zurück, sodass er seinem Gegenüber in die grauen Augen blicken konnte. Seine rechte Hand legte sich auf dessen linke Schulter und die andere Hand strich über dessen Hals nach hinten zu seinem Hinterkopf, wo seine Finger in den Haaren verschwanden.

"Hab keine Angst", flüsterte Winston, der sich langsam auf die Zehenspitzen stellte. Sein Blick wanderte abwechselnd von seinen Lippen zu seinen Augen.

Winter ließ es zu und wurde mit zunehmender Zeit nervöser. Doch all seine Sorgen schienen sich in Luft aufzulösen, als er schließlich weiche Lippen auf seinen spürte.

Er hatte vergessen, wie gut sich sowas anfühlte und jetzt, da er es wieder wusste, wollte er mehr. Er wollte, dass es nie endete.

"Ich kriege dich wieder hin, verstanden? Ich werde dich reparieren", hauchte Winston zwischen zwei weiteren kleinen und bittersüßen Küssen.

"Das kannst du nicht ohne selbst daran zu zerbrechen."

"Sei still, Winter."

"Ich hätte dich niemals kennengelernt - ohne des Zahlendrehers, ohne des Tippfehlers."

"Ich weiß."

Winston lächelte und es war ein so aufrichtiges Lächeln, das Winter schon lange bei keiner Person mehr gesehen hatte. Jedenfalls nicht, wenn es ihm galt. Es erfüllte Winter wieder mit Hoffnung. Hoffnung, die er unbedingt brauchte, um weiterzukämpfen. Nicht nur für sich selbst, sondern auch für Winston.

𝖳𝗂𝗉𝗉𝖿𝖾𝗁𝗅𝖾𝗋Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt