Kapitel 2: Im letzten Augenblick

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...werde von hinten gepackt. Ich zucke zusammen. „Denk nicht mal daran.“, knurrt mich die Person, die mich festhält, an. Ich glaube, die Stimme gehört einer jungen Frau. Aber sicher bin ich mir nicht. So genau habe ich die Stimme gar nicht wahrgenommen, weil ich zu sehr auf mein Ende konzentriert war. „Mein Ende“. Das klingt merkwürdig. Aber es ist wahr; ich möchte meinem Leben ein Ende setzen. Das Ganze fühlt sich so an, als würde es in einer schnulzigen Liebesgeschichte stattfinden. Ich würde mich umdrehen, in ein wunderschönes Gesicht blicken und mich verlieben. Mein Leben würde eine 180°-Drehung machen und wir leben glücklich zusammen bis an unser Lebensende. Doch das wird nicht passieren. Das hier ist das echte Leben. Und das möchte ich beenden.

Ich versuche mich loszureißen, ich winde mich im Griff der fremden Person. Ich will fallen. Ich will auf dem Boden aufkommen. Mit dem Kopf. Sofortiger Tod.

Aber der Griff ist zu stark. Wenn man das überhaupt Griff nennen kann. Es ist eher eine Umarmung. Ich wage einen weiteren Versuch. Warum hindert mich die Person? Kennt sie mich? Selbst wenn; ich bedeute doch niemanden etwas. Ich habe keine Kraft mehr. Eine Träne rollt über meine Wange. Gefolgt von einer zweiten. Und einer dritten. Ich kann nicht mehr. „Ich... Ich will...“, ich schluchze. „Sterben.“ Die Person hinter mir reagiert nicht. Nur die Umarmung wird fester. „Lass mich los! Ich will sterben!“, schreie ich.

„Das mag sein. Aber heute passiert das nicht. Den Scheiß will ich echt nicht sehen.“, gab die Person hinter mir zurück. Jetzt bin ich mir sicher. Es ist ein Mädchen. Naja; eher eine junge Frau. Doch habe ich das richtig gehört? Sie will nicht sehen, wie ich Suizid begehe? Wow. Ich habe ja schon einige Geschichten gelesen, in denen Fast-Selbstmörder gerettet wurden. Jedes mal wurde so etwas wie „Du kannst noch so viel in deinem Leben erreichen!“, „Es gibt für alle Probleme eine Lösung!“ oder „Du bist so wundervoll; Bitte spring nicht!“ gesagt. Doch das? Wow. Ich kann mich nur wiederholen. Wenigstens ist sie ehrlich.

Ich bezweifle, dass mich die Frau loslassen wird. Sie scheint es echt ernst zu meinen. Ich schluchze noch einmal. „Hast du's dann mal?“, fragt sie mich. Ziemlich unhöflich, finde ich. Egal. Eigentlich habe ich es ja verdient. Ich nicke. Sie tastet langsam mit ihrer rechten Hand nach meiner linken Hand. Den linken Arm hat sie immer noch um meine Taille gelegt. „Dreh dich um.“, sagt sie mir leise, aber mit herrischen Unterton. Ich gehorche und drehe mich vorsichtig um. Den Blick ständig auf den Boden gerichtet. Dafür habe ich zwei Gründe. Zum einen musste ich schauen, wo ich hintrete; aber ich bin auch zu beschämt, ihr ins Gesicht zu blicken. Das einzige, das ich von der Frau sehen kann, sind ihre grünen Chucks und eine schwarze, eher enge Jogginghose. „Kannst du hier zurück klettern?“, fragt sie mich. Ich fühle mich zu schwach und ich kann mir keine weitere Demütigung leisten. Ich weiß zwar nicht, warum mich das jetzt interessiert, aber ich möchte es einfach nicht. Weitere Tränen rollen über meine Wange. Ich schüttele den Kopf. „Na ganz toll...“, murmelt die Frau. Sie klingt genervt. Aber das stört mich nicht. Ehrlich gesagt finde ich das gut. Ihre Art ist irgendwie so ehrlich und nicht so gespielt. Sie macht mir nicht vor, dass ihr viel an meinem Leben liegt und trotzdem fühle ich mich geborgen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass mich schon so lange niemand mehr beschützt hat. „Dann versuch, seitlich hier entlangzugehen, okay?“ - „Ja, ich versuch's.“, sage ich. Meine Stimme klingt brüchig und weinerlich. Ich bin so unfähig und nutzlos und trotzdem wird mir geholfen. Die Frau hält mich von unten an den Unterarmen und ich habe meine Hände auf ihre Schultern gelegt. Sie scheint in etwa gleich groß wie ich zu sein. Ich fühle Baumwollstoff. Anscheinend trägt sie auch ein normales T-Shirt. Schritt für Schritt bewege ich mich nach links. Sie folgt mir synchron. Diese ganze Situation wird immer merkwürdiger. Und was macht die Frau hier um diese Uhrzeit? Es muss nun etwa 5:00 Uhr sein. Ich frage mich, ob wir uns kennen, aber ich kann noch nicht nach oben schauen, weil ich noch immer am Rand der Brücke balanciere.

Es ist mir wie eine Ewigkeit vorgekommen, doch nun bin ich endlich am Ende der Brücke angekommen. Die Frau hält meine Hände. Befürchtet sie, dass ich weglaufe? Dass ich mich doch von der Brücke stürze? Aus mir unerklärlichen Gründen, kommt mir der Gedanke, von einer Brücke zu springen nun seltsam vor. Natürlich möchte ich immer noch mein Leben beenden, aber in diesen Moment bin ich verwirrt und bin mir nicht sicher, wie. Jetzt, als ich in Sicherheit bin, nutzte ich die Möglichkeit, um nachzuschauen, wer meine Retterin ist...

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⏰ Letzte Aktualisierung: Dec 20, 2014 ⏰

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