Kapitel 3

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Ich biss gerade in mein Brötchen, als meine Mutter die Küche betrat.
"Guten Morgen", sagte sie während sie sich eine große Tasse mit frischem Kaffee befüllte. Der Geruch des Kaffees umhüllte die ganze Küche.
"Guten Morgen", murmelte ich mit vollem Mund. Meine Mutter setzte sich nun ebenfalls an den Tisch und schmierte sich ein Brötchen.
"Hast du auch schon davon gehört, dass ein neues Mädchen verschwunden ist?", fragte sie und  trank einen weiteren Schluck Kaffee. 
"Im Ernst?", fragte ich verblüfft. 
"Leider ja", sie seufzte "Dieses Mal hat es ein Mädchen aus Indiana getroffen. Ich schätze mal, es war nicht der selbe Entführer wie von Ellie. Aber es handelt sich ebenfalls um ein Teenager-Mädchen." 
Meine Mutter redete weiter davon, dass sie hoffte beide Mädchen würden schnell gefunden werden. Ich sah das ganze weniger optimistisch. Vermutlich hatte ein Mann das Mädchen entführt, vergewaltigt und anschließend umgebracht. In einigen Wochen würde man dann irgendwo im Wald die Leiche finden und mit etwas Glück würde der Täter einige Monate später gefunden und verhaftet werden. Doch diese Gedanken sprach ich nicht aus, denn ich wusste, dass meiner Mutter solche Sachen immer nahe gingen. 

Bevor ich zur Schule ging verabschiedete ich mich von meiner Mutter und wünschte ihr viel Glück, für ihr Interview. Vor einer Woche erschien ihr neuer Roman Bleib Nicht und erneut war es ein Bestseller. Das Interview hatte sie heute mit einem der bekanntesten Fernsehmoderatoren, was für sie eine einmalige Chance war, noch berühmter zu werden. Meine Mutter war Ruhm nicht so wichtig, aber sie wollte so viele Menschen wie möglich, mit ihren Worten erreichen. Das ging natürlich nicht ohne auch selbst bekannt zu werden. Zu diesen Zeitpunkt war sie noch keine J.K. Rowling, die weltweit bekannt ist, aber hier in Ohio und umliegenden Staaten hatte sich Kristen Graham bereits einen Namen gemacht.

Als ich die Schule erreichte, sah ich Maya bereits auf dem Pausenhof stehen. 
"Hey Addy", begrüßte sie mich . 
"Hey", gab ich zurück. 
"Na bist du schon bereit wieder mit Logan zusammen zu arbeiten?", sie wackelte mit den Augenbrauen und lachte.
"Ha. Ha. Von Zusammenarbeit kann man da wirklich nicht reden", knurrte ich. Der Gedanken an Logan bereitete mir sofort schlechte Laune.
"Okay, okay, du magst ihn nicht. Aber du musst schon zugeben, dass durch ihn die Schule direkt ein wenig amüsanter ist", sagte Maya schmunzelnd.
"Pffft. Dieser Idiot kann gerne wieder die Schule verlassen. Oder noch besser: Er wird von der Schule geworfen."
"Du würdest ihn sicherlich vermissen", erwiderte meine beste Freundin, die mich nur zu gut kannte. Sie hatte schon Recht, ohne Logan wäre alles normal und langweilig, wie zuvor. Aber das heißt ja trotzdem nicht, dass ich ihn vermissen würde oder? Schließlich konnte ich ihn überhaupt nicht ausstehen. 
Gemeinsam betraten wir die Schule und nahmen im Kursraum platz. Einige Minuten vergingen bis alle Mitschüler anwesend waren. Mr. Willock war bereits da und wartete auf das Klingeln, um den Unterricht beginnen zu können.
"Heute habt ihr noch einmal Zeit in eurer Gruppe, die Szene zu bearbeiten", fing Mr. Willock pünktlich zu Stundenbeginn an "Ihr solltet dazu in der Lage sein nächste Stunde eure Ergebnisse der Klasse zu präsentieren. Achtet bitte bei euren speziellen Analysefragen darauf, dass ihr genau erklärt wie Shakespeare bestimmte Aspekte übermittelt." Mit den Worten verließen alle paarweise den Raum, bis nur noch ich und Mr. Willock übrig waren. Von Logan war keine Spur zusehen. Wieso konnte er nicht einfach pünktlich kommen??
"Wo ist denn ihr Partner, Miss Graham?", fragte mich Mr. Willock. 
"Oh der ist schon raus gegangen. Ich brauche nur immer so ewig lange meine Sachen einzupacken", sagte ich mit einem entschuldigenden Blick.
"Dann machen sie jetzt aber schnell. Mr. Eastwood wartet bestimmt schon auf sie."

Ich verließ den Raum und machte mich auf dem Weg zum Parkplatz, denn Logan rauchte dort vermutlich wieder. Als ich aus dem Gebäude trat blickte ich zum Parkplatz, doch Logan war nicht da. Schnellen Schrittes ging ich zum Schultor, um zu schauen ob er schon in Sicht war. Ich schaute nach links und da stand er. Lässig gegen die Mauer gelehnt und am rauchen. 
"Da bist du ja", fauchte ich. 
"Hast du mich vermisst oder was?", fragte er und gähnte.
"Nein, habe ich nicht, Idiot! Langsam bin ich es echt satt für dich zu lügen. Du bist es ja nicht einmal wert", wütend sah ich ihn an, wie er in aller Ruhe seine Zigarette rauchte.
"Für mich Lügen?", er zog eine Augenbraue in die Höhe und blickte mich kühl an.
"Ja für dich Lügen", schrie ich aufgebracht "Gestern als du mit deinem Richard telefoniert hast, habe ich Mr. Willock gesagt, du wärst nur zur Toilette gegangen. Und heute habe ich gesagt, dass du schon am arbeiten bist, obwohl du noch nicht einmal in der Schule warst!"
"Dazu hat dich niemand gezwungen", sagte er gleichgültig, doch auf einmal verdunkelte sich sein Blick "Warte mal was hast du gerade gesagt? Woher weißt du mit wem ich telefoniert habe?" Er starrte mich zornig an. Ups, hatte ich gerade verplappert, dass ich ihn belauscht hatte? Die Röte stieg mir ins Gesicht und ich versuchte mir eine Ausrede einfallen zulassen, aber mein Kopf blieb leer. Logan trat einen Schritt auf mich zu. Ich machte einen Schritt zurück.
"Das Fester war offen und du redest nicht gerade leise", antwortete ich bissig "Dann versteht man schon das eine oder andere Wort, du Psycho!"
Er sah mich skeptisch an und lief an mir vorbei in die Schule.
"Was wird das jetzt?", rief ich verärgert.
"Ich weiß ja nicht was du gerade hast, aber ich habe jetzt Englischunterricht", sagte er ohne stehen zu bleiben. So ein verfluchter Mistkerl! Eilig lief ich ihm nach, um nicht noch mehr Zeit zu verschwenden.

Logan ging zu dem Platz, wo wir bereits gestern zusammen gearbeiteten hatten und ich setzte mich dazu. Dann teilte ich ihm noch mit, was Mr. Willock am Anfang der Stunde gesagt hatte. Logan sagte nichts dazu und kritzelte nur wieder was in sein Buch.
"Sag mal bist du eigentlich schüchtern oder was ist dein verdammtes Problem?", fuhr ich ihn an.
"Was ist dein verdammtes Problem?",  fragte er mich, allerdings in einem neutralen Tonfall. Dabei blickte er sogar von seinem Buch auf und sah mich abwartend an. Seine Augen waren echt schön, doch diesen Gedanken verwarf ich schnell.
"Wenn du nicht mit mir redest ist das hier doch keine Partnerarbeit. Dann hätten wir auch von vornherein alleine arbeiten können", antwortete ich schnippisch.
"Da hätte ich nichts gegen gehabt."
"Schön. Ich arbeite auch nicht gerne mit dir zusammen. Nein, das ist sogar noch untertrieben. Ich HASSE es mit dir zusammen zuarbeiten!", ich starrte ihn wütend an.
"Weißt du, wenn du nicht immer so zickig wärst, hättest du vielleicht auch mehr Freunde",sagte er nüchtern.  Fassungslos starrte ich ihn an. Hatte er das gerade wirklich gesagt?
"Weißt du, du kennst mich überhaupt nicht, also hör auf über mich zu urteilen", fauchte ich.
"Und trotzdem habe ich recht", murmelte er, eher zu sich selbst als zu mir. 
"Es geht dich zwar nichts an, aber der Grund warum ich nicht viele Freunde habe ist, weil ich früher mal arm war."
"Und deswegen mochte dich dann niemand?", zweifelnd sah er mich an.
"Tja falls es dir noch nicht aufgefallen ist, die Menschen an dieser Schule hier sind alle ziemlich oberflächlich. Und ein Mädchen, dass arm ist und dementsprechend auch keine schönen und teuren Klamotten trägt, ist bei den beliebten schnell unten durch", erklärte ich. 
"Und warum bist du dann immer noch unbeliebt?"
"Weil nachdem meine Mutter ihren Durchbruch hatte, meinten alle ich sei abgehoben", ich verdrehte meine Augen.
"Durchbruch?"
"Ja als Schriftstellerin."
Seine Augen blitzten auf. 
"Warte mal, wie heißt du nochmal?"  
Sprachlos sah ich ihn an. Das meinte er doch jetzt nicht ernst oder? 
"Ist nicht dein Ernst, du kennst nicht meinen Namen?", ich sah ihn fragend an, mit der Hoffnung, dass es ein Spaß war. War es aber nicht, denn er schüttelte zur Antwort auf meine Frage mit dem Kopf.
"Adelaine Graham", sagte ich daraufhin schnaubend.
"Du bist also die Tochter von Kristen Graham?"
"Genau, Sherlock."
"Jetzt wo du es sagst", er betrachtete mich mit schief gelegtem Kopf "Man erkennt schon eine gewisse Ähnlichkeit."
Ich rollte nur mit den Augen und lenkte das Gespräch wieder auf unsere Aufgabe, denn wir mussten noch unsere Szene analysieren und unsere Ergebnisse festhalten.

Am Ende der Stunde hatte wir es tatsächlich geschafft, die Aufgabe zu beenden und mit unseren Ergebnissen war ich ganz zufrieden. Mr. Willock würde das hoffentlich ähnlich sehen. Die restlichen Stunden vergingen alle sehr schnell und schon läutete die Schulglocke das Ende ein. Auf meinem Nachhauseweg dachte ich an Logan und daran, dass er heute zum ersten Mal mehr mit mir geredet hat als einzelne Wörter. Ich hatte zwar immer noch nichts über ihn erfahren, aber vielleicht war das heute ein guter Anfang. Versteht mich nicht falsch, ich konnte ihn immer noch nicht ausstehen, aber vielleicht würde er sich ja noch bessern. Man weiß ja nie. 

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⏰ Letzte Aktualisierung: May 24, 2020 ⏰

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