Kapitel I: Himmel

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Schon nach dem ersten Schluck seines frisch aufgebrühten Kaffees rätselte Zack, ob seine Frau möglicherweise neue Bohnen gekauft hatte. Irgendwie schmeckte er heute bitterer als sonst. Er schwenkte die Tasse hin und her und musterte die schwarze Flüssigkeit skeptisch.

"Hast du den heute irgendwie anders gemacht?" fragte er seine Frau. Luisa nippte an ihrem Ingwer-Zitrone Tee und schmunzelte: "Bist du jetzt ein Kaffee-Profi, dass du meinst du könntest da jetzt einen Unterschied erkennen?"

"Na klar doch, vielleicht hast du dieses Mal ja vergessen hineinzuspucken!" scherzte er.

"Ne, vergess ich nie." sie lächelte ihn an. "Und ich hab die gleichen Kaffeebohnen wie immer benutzt."

"Scheiße, ich hoff die Maschine ist nicht verkalkt."

Luisa setzte ihre Tasse ab, erhob sich vom Küchentisch und ging in Richtung Kaffeemaschine. Als sie an Zack vorbeiging, streichelte sie ihm zärtlich über den Rücken und gab ihm einen Kuss. Ihre blonden Haare kitzelten zuerst Zacks Nasenspitze und umhüllten kurz darauf ihre beiden Gesichter. Ihm war dabei jedes Mal, als würde das Ehepaar in eine ganz andere Dimension geschickt werden, fernab von Problemen, Schmerz und Dunkelheit.

Sie ging langsam schon auf die Vierzig zu. Doch verdammt, sie war noch immer ein Engel. Ihre mittlerweile nicht mehr ganz so schmale Taille, ergänzte sich noch immer optimal zu ihrer prächtigen Brust und ihrer gesegneten Hüfte. Zwar waren mit der Zeit ein paar Falten im Gesicht erkennbar, doch die beiden alterten gemeinsam, und das war auch gut so. Es war als würde aus einem guten Jahrzehnt Partnerschaft – die zumeist aus Wein- und Sexexzessen bestand - das Unwichtige langsam verblassen, sodass deren Liebe zueinander nur umso mehr aufstrahlte. Schon immer hatten die beiden eine besondere Verbindung.

Zack war da nicht so gut davongekommen. Als ähnlicher Jahrgang wie seine Frau, wies er doch deutlich mehr Alterungsmerkmale auf. Seine schwarzen Haare ergrauten langsam aber sicher und auch ihre Falten konnten nicht mit seinen mithalten. Dazu kamen tiefe Augenringe, die die blauen Augen nicht mehr ganz so glänzen ließen wie früher. Das alles hatte er vermutlich dem Dienst zu verdanken. Als Polizist hatte man es heutzutage nicht mehr allzu leicht. Zumindest war er deswegen noch immer ziemlich breit und muskulös gebaut. Einen klischeehaften Donut-Lifestyle konnte er sich nicht leisten, nicht nach alldem was er schon gesehen, gehört, gerochen und hinter Gitter gebracht hatte.

Die beiden vernahmen ein lautes Klirren, Zack sprang auf, drängte seine Frau hinter sich und richtete den Blick in Richtung Gang. Schlagartig war sein Blutdruck gestiegen, sein Herz raste. Seit dem Einsatz damals in der Villa dieses Millionärs – dem perversen Schwein – versetzte sich sein Körper schon aufgrund des kleinsten Geräusches in den Alarmzustand.

"Ganz ruhig, das kam nur aus dem Kinderzimmer", versuchte Luisa ihn zu beruhigen. Sie legte ihrem Mann sanft die Hand auf die Brust und küsste ihn zärtlich am Hals.

"Ellie?" rief sie.

Das schnelle Tappen von Kinderfüßen war zu vernehmen. Zacks Tochter, die siebenjährige Ellie, lief die Treppe hinunter. Mit knallrotem Gesicht und langen zerzausten schwarzen Haaren stand sie vor ihrem Vater und starrte Löcher in den Boden.

"Papa, es tut mir Leid. Ich hab den Fernseher runtergehauen. Er ist kaputt." Sie presste ihre Lippen zusammen und stand kurz davor zu weinen. Der Vater hatte sich mittlerweile wieder beruhigt.

"Ach Süße..." er hob die Kleine hoch. "Dann wars das jetzt erst mal mit Paw Patrol." grinste er.

"Oh nein, bitte!" für die Kleine war das wohl gerade das Schlimmste auf der Welt. Ihre Eltern lachten.

"Wir kaufen morgen einen Neuen, ok?"

Das Mädchen strahlte und umarmte lächelnd ihren Vater.

"Zuerst machen wir aber diese Sauerei oben weg."

Er ließ Ellie runter und sie lief nach oben.

"Aber pass auf die Scherben auf!" rief er ihr hinterher.

"Viel Spaß, ich kümmer mich mal um die Kaffeemaschine", scherzte Luisa.

Der Klingelton seines Handys hielt Zack davon ab zu antworten. Es war sein Vorgesetzter.

"Hey, Stefan", begrüßte er ihn guter Laune.

Auf der anderen Seite des Apparates atmete sein Chef schwer: "Zack, komm sofort, es ist etwas passiert."

ScherbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt