Kapitel II: Die Hiobsbotschaft

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Mit panischem Ausdruck in den Augen und zittriger Stimme versuchte der Einsatzleiter dem Polizisten seine Strategie zu erklären. Fernab der Realität hörte er nur leere Worte und verzweifelte Fachbegriffe, womit er offenbar die Situation zu rationalisieren versuchte. Doch Zack wusste, es war bereits zu viel passiert, um mit einem weiteren Plan um die Ecke zu kommen. 

Plan "A" war gewesen, den aus der Untersuchungshaft entflohenen Täter auf dem Weg nach Hause abzufangen.

Plan "A" war fehlgeschlagen.

Plan "B" war gewesen, den Entflohenen zu Hause festzunehmen.

Plan "B" war fehlgeschlagen.

Plan "C" wäre gewesen, seine Familie zu verhören und so einen groben Anhaltspunkt zu bekommen, wo sich der Verbrecher aufhalten konnte. Doch dieser Plan konnte noch nicht einmal in Angriff genommen werden, denn er hatte zu Hause ein Blutbad hinterlassen. Seiner Frau hatte er in den Kopf geschossen und seiner Tochter die Kehle durchgeschnitten.

So erwiesen sich auch weitere Taktiken als vergebens, bis die Polizei den Täter in dieses Einkaufszentrum scheuchen und ihn bis dato umzingeln konnte.

"Hören Sie mir überhaupt zu?", fragte der Einsatzleiter und schüttelte Zack. Er schluckte.

"Ich soll da rein und mit ihm verhandeln", sprach er emotionslos, den Teerboden anstarrend.

"So ist es, nur Sie kennen den Täter persönlich. Sie können eine Bindung zu ihm aufbauen und wenn sich die Situation ergibt ..."

"Ich kenne diesen Mann nicht! Ich kannte David, als er noch Unternehmer und glücklicher Familienvater war, ja selbst als sorgenfreies Kind, doch das da drinnen ...", Zack deutete mit zittrigem Zeigefinger auf das vom Parkplatz aus gewaltig wirkende Gebilde des Einkaufszentrums. Er musste schlucken, seine Stimme versagte.

Der Einsatzleiter musterte den leichenblassen Polizeikommissar, der gerade den Kampf in seinem Inneren zu verlieren schien. Er berührte ihn väterlich an seiner rechten Schulter.

"Zack, Ihr Vorgesetzter hat mir Geschichten erzählt, da bleibt einem die Spucke weg. Was damals in der Millionärsvilla passiert ist oder der ganze Fall mit dem Snuff-Ring*. Selbst wenn Sie nicht mit einem David Fuhrmann aufgewachsen wären, ich würde Sie trotzdem da reinschicken, weil Sie verdammt noch mal der Richtige für diesen Job sind!"

Die Blicke der beiden kreuzten sich. Zack bekam wieder Farbe, er nickte.

Der Einsatzleiter drehte sich um und verkündete die Hiobsbotschaft. Der Polizeikommissar überprüfte den Ladezustand seiner Waffe, nahm ein paar zusätzliche Magazine und schrieb noch einmal eine kurze Nachricht an seine Frau, bevor er die Höhle des Löwen betrat.




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Anmerkungen:

*Snuff-Ring: Als Snuff-Film, kurz Snuff ( umgangssprachlich to snuff someone out = jemanden auslöschen), wird die filmische Aufzeichnung eines Mordes bezeichnet, der zur Unterhaltung oder sexuellen Erregung des Zuschauers begangen wurde. (Quelle: www.wikipedia.org/wiki/Snuff-Film)

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