Kapitel V: Das ist der Preis

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Als er ein Kind war, liebte Zack all die Geschichten über Helden wie Luke Skywalker, Harry Potter, Batman und viele andere. Alle opferten so vieles von ihrem eigenen Leben, um das der anderen zu retten. Sie stellten ihre eigenen Bedürfnisse in den Hintergrund, um Gutes zu tun. Letztendlich hatte er deswegen auch den Dienst bei der Polizei angetreten. Es ging ihm nicht um die gute Bezahlung. Nicht um den sicheren Arbeitsplatz und ganz sicher nicht darum, während der Arbeit bezahlt Sport machen zu können. Er wollte helfen. Er wollte ein Held sein. Genau wie sie. Sein größter Wunsch war es gewesen, die Leben der anderen um jeden Preis zu schützen.

Zack lag nun an einen Betonpfeiler gelehnt. Sein Gesicht und sein Oberkörper verrußt, die Augen trüb und nur schwach durch die Rauchschwaden blickend. Durch sein Gesicht liefen mehrere Rinnsale Blut, die seiner oberen Schädeldecke entsprangen. Sein rechter Arm war schlapp, er spürte nicht einen Nerv darin. Seine Beine taten es ihm gleich. Sein linker Arm war nun nicht mehr da. Wo früher Muskeln, Fleisch und Haut an seinem Torso befestig gewesen waren, ragte nun nur mehr ein großer, zerschundener Knochen hervor, mit wenigen Hautfetzen verziert.

Um ihn herum floss das Blut nur so in Strömen und in unregelmäßigen Abständen spritzte immer wieder eine kleine Fontäne heraus. Mit jedem Herzschlag, der sein letzter zu drohen schien. Zack hustete Blut, das ihm von seiner Lunge entsprungen nun die Mundwinkel herabfloss. Seine Atmung war schwer, rasselte bei jeder Hebung seines Brustkorbs. Um die Schusswunde in seiner Bauchgegend herum hatte sich sein Hemd schon lange mit der rötlichen Flüssigkeit vollgesogen. Eine Verletzung, die er mittlerweile nicht einmal mehr beachtete.

Egal ob Arm, Lunge oder Bauch: Er machte es nicht mehr lange. Ein Blick zu seinem alten Freund, oder zumindest dem was von ihm übrig geblieben war, versicherte ihm, dass sein Opfer zumindest nicht umsonst gewesen war. Er hatte ihn aufhalten können. Doch um welchen Preis? Zack wusste nicht, ob er das richtige getan hatte. Er hatte seine Pflicht erfüllt, doch seine Familie würde er im Stich lassen.

Seiner Frau hatte er damals am See versprochen, dass er sie nie verlassen würde. Das war wohl gelogen. Seiner Tochter ... Scheiße. Er konnte nun keinen neuen Fernseher für Ellie besorgen. Wieder kam ein dicker Klumpen Blut aus seiner Luftröhre nach oben, blieb ihm um die Lippen herum kleben. Sie mussten nun wohl selbst klar kommen. Doch seine Tochter war in guten Händen, in den wunderbaren, starken Händen seiner engelsgleichen Frau. Er war nie gläubig gewesen. Und doch hätte er sich jetzt gerade gewünscht, dass sie vom Himmel herabkommen und ihn mitnehmen würde. Wie gern wäre er mit ihr geflogen.

Es tut mir leid, Ellie. Es tut mir leid, Luisa. Ich konnte nicht anders. Hoffentlich könnt ihr mir vergeben. Wenn ich nur etwas früher abgedrückt hätte, könnte ich wieder zu euch nach Hause kommen.

Der im Sterben liegende Polizist schloss die Augen.

Ellie, wenn du groß bist. Sei stolz auf mich. Vergiss nie, ich habe das für euch getan. Denk immer daran, wie sehr ich dich und deine Mutter liebe. Und wenn du später einen Mann findest, der dich nicht gut behandelt, richte ihm einen schönen Gruß aus und polier ihm die Fresse. Ich liebe euch.

Dieser Gedanke zauberte ihm ein letztes Grinsen in sein Gesicht, eine Träne floss ihm über die Wange und verschmierte etwas von dem schwarzen Ruß. Zacks Körper fiel zur Seite und kam auf dem kalten Boden auf. Er tat seinen letzten Atemzug mit einem Lächeln.

Luisa und ihre Tochter Ellie saßen an einem Schreibtisch im Kinderzimmer. Die Sonne war bereits vor einer Stunde untergegangen. Die Mutter half ihrem Kind bei den Matheaufgaben aus der Grundschule. Welche Scheiße, dass Kinder schon so früh mit so etwas gequält werden. Zumindest war die Kleine sehr intelligent und fleißig. Neben so vielen Eigenschaften, hatte sie auch das von ihrem Vater. Die Mutter nahm ihre Tasse Tee in die Hand, lobte sie mit einem leichten Tätscheln auf ihre linke Schulter und stand von ihrem Schreibstuhl auf. Sie spielte ihrer Tochter schon den ganzen Tag die Rolle der zufriedenen Mutter vor. In Wirklichkeit hatte sie den ganzen Tag noch nichts gegessen, krank vor Sorge um ihren Mann. Sein letztes Lebenszeichen war eine kurze Textnachricht an sie gewesen.

Gib Ellie einen Kuss von mir – 16:38 Uhr

Luisa ging ein paar Schritte, bis sie ein schrecklicher Schmerz erschlug. Als würde jemand ihr Herz packen und zerquetschen, ließ sie die Tasse fallen und stützte sich keuchend an der Zimmerwand ab. Die Tasse zersprang klanglos am Boden, der Frau flossen Tränen über die Wangen als gäbe es keinen Halt. Blankes Entsetzen zeichnete ihr sonst so wohlgeformtes Gesicht.

Ellie sprang von ihrem Kinderstuhl auf und sah ihre Mutter besorgt an: "Mama. Was ist los?"

Die Frau starrte auf die zersprungenen Scherben der Porzellantasse, presste schmerzerfüllt die Lippen zusammen und verlor weitere Tränen.

"Papa kommt heute nicht mehr wieder, mein Schatz."

Das Kind verstand nicht.

"Wann kommt er denn wieder?", fragte sie.

Die Mutter drehte sich schnell um und umklammerte ihre Tochter so fest sie nur konnte, als könnte sie sie dadurch vor diesem unerträglichen Schmerz bewahren. Sie presste ihren so winzigen Kopf an die Brust und küsste sie zitternd.

Und die beiden weinten die ganze Nacht, bis die Sonne sich wieder zeigte.





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Liebe Leserin / lieber Leser,

Danke zuallererst, dass du meine Geschichte bis zum Ende gelesen hast. Ja, ich geb zu, es wurde gegen Ende etwas melodramatisch, doch das ist voll und ganz mein Stil. Die Schonungslose Beschreibung von gewalttätigen Szenen trägt dazu noch zusätzlich bei. Ich versuche das immer mit viel Dramatik, aber dafür möglichst wenig Ekel zu gestalten.

Wenn dir mein Stil gefällt, würde ich mich wirklich sehr freuen, wenn du eine Bewertung und/oder einen Kommentar hinterlassen würdest. Natürlich kannst du auch gerne kommentieren, wenn dir etwas nicht gefallen hat! Ich bin immer offen für konstruktive Kritik und Interaktion an sich ist ja immer eine schöne Sache.

Falls du gerne mehr von mir lesen würdest, schau einfach bei meinem Profil vorbei und führ dir meine anderen Kurzgeschichten wie zum Beispiel "the red daisy" zu Gemüte oder aber auch meine Gedichte. Jedes Mal wenn mir neue Personen folgen, versüßt mir das den Tag und der Kaffee schmeckt gleich noch viel besser, also tu dir keinen Zwang an. 

Wenn du mir sagen möchtest, was ich für ein ekelhafter Kotzbrocken bin, dass ich beschrieben habe, wie ein Familienvater elendig verreckt, kannst du mir das natürlich auch gerne schreiben.

Grüße,

Blacky  😊👌

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