-7-

414 23 8
                                    

Draußen war es warm geworden und zum ersten Mal seit Wochen zeigte sich eine relativ kräftige Frühlingssonne, die nicht von Wolken verdeckt wurde. Am Himmel trieben nur noch ein paar vereinzelte Wolken, die aber nicht nach Regen aussahen. Ich schlüpfte aus meiner Jacke und hielt mein Gesicht den Sonnenstrahlen entgegen. Dann schlenderte ich an der Uferpromenade entlang und genoss die leichte Brise, die mit meinen Haaren spielte und den salzigen Geruch des Meeres mit sich brachte. Ich beschloss die Abkürzung über den Strand zu nehmen, da ich dadurch deutlich schneller zu Hause war und bog nach links zum Strand ab. Anscheinend war ich nicht die Einzige, die sich über die Sonne freute. Am Strand war ziemlich viel los. Kinder rannten in das seichte Wasser und kreischend wieder zurück an den Strand, wenn sich eine Welle nährte, während die Eltern schwatzten und darauf achteten, dass keines der Kinder unter eine Welle kam. Ich lächelte und grüßte einige Leute, die ich kannte. Als ich vor dem kleinen Häuschen stand, das ich mit meiner Oma bewohnte, war meine Laune bestens. Ich war mir nicht sicher, ob es an dem schönen Wetter lag oder an der Tatsache, dass mich Kiran zu sich eingeladen hatte. Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und schloss die Haustüre auf. Summend hängte ich meine Jacke an die Garderobe und schlüpfte aus meinen Schuhen. Dann ging ich in die Küche holte mir ein Glas aus dem Schrank und kippte den letzten Saft hinein. Ich musste dringend morgen einkaufen gehen. Erst jetzt bemerkte ich, dass der Anrufbeantworter blinkte. Ich trank den Saft aus, ging zum Telefon und wählte die Nummer der Sprachbox. Nachdem mich die roboterartige Stimme darüber informiert hatte, dass ich eine neue Nachricht hatte, kam die Stimme meiner Oma: "Hallo, Alina. Hier ist Oma. Ich glaube nicht, dass ich es bis morgen schaffe, wieder zurück zu kommen. Der Seegang ist zu stark und die Fährenfahrer weigern sich abzulegen. Ich hoffe bis Sonntag ist alles wieder in Ordnung. Du musst nicht zurückrufen. Mach keinen Unfug, Liebling. Ich hab dich lieb." Dann hatte sie aufgelegt. Merkwürdig. Warum hatte es dort starken Seegang, wenn hier die Sonne schien. So weit weg war das Festland doch gar nicht. Sehr komisch. Aber da ich wusste, dass am Meer das Wetter schon mal verrücktspielte machte ich mir keine weiteren Gedanken darüber und stellte den Hörer zurück auf die Station. Was mich allerdings wunderte war die Tatsache, dass Oma mich gebeten hatte nicht zurück zu rufen. Normalerweise wollte sie das immer um meine Stimme zu hören und zu hören wie es mir geht. Achselzuckend stieg ich die Stufen nach oben und ging in meine Zimmer. Dort warf ich einen Blick auf die Uhr. Halb sechs. Wenn ich pünktlich fertig werden wollte sollte ich jetzt anfangen. Ich ging ins Bad und schlüpfte im Gehen aus meinen Klamotten. Dann stieg ich unter die Dusche.

Um fünf vor acht war ich fertig. Meine Haare glänzten und umrahmten in perfekten Korkenzieher Locken mein Gesicht. Ich hatte mein einziges schickes Kleid angezogen. Es war schwarz, eng und bestand aus schwarzer Spitze, die mit dunkelgrünem Stoff unterlegt war. Ich mochte es an mir, war mir aber nicht sicher ob ich nicht vielleicht doch zu overdressed war. Doch bevor ich weiter darüber nachdenken konnte läutete es unten an der Haustüre. Hastig schlüpfte ich in die schwarzen Pumps, die ich vorhin aus dem hintersten Winkel meines Schrankes gefischt hatte und schnappte mir meine kleine schwarze Tasche. Ich ging vorsichtig die Treppe nach unten, schließlich wollte ich mir nicht den Hals brechen und überprüfte gleichzeitig ob ich alles dabei hatte. Handy, Schminktäschchen und Schlüssel- alles da. Nervös zupfte ich noch einmal an meinem Kleid, ehe ich die Haustüre öffnete. Kiran lehnte lässig an der Wand und sah so wahnsinnig sexy aus, dass ich beinahe angefangen hätte zu sabbern. Er trug ein weißes Hemd, das so eng sahs das man sehr deutlich seinen muskulösen Oberkörper sah. Seine rabenschwarzen Haare hat er im Nacken zusammengebunden und weckte in mir das Bedürfnis sie zu lösen, meine Hände darin zu vergraben. "Du siehst wunderschön aus." Kirans tiefe Stimme ries mich aus meinem stummen Starren. Verlegen strich ich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Dankeschön. Du auch" gab ich schnell zurück. Er lächelte und griff nach meiner Hand. "Komm." Ich schloss die Haustüre hinter mir ab und Kiran führte mich zu einem schwarzen Audi. Klischee dachte ich und muss kurz Lächeln, als Kiran mir die Wagentüre aufhielt und sie hinter mir zuschlug. Elegant umrundete er den Wagen und setzte sich hinter das Steuer. Die Fahrt verlief schweigend. Ich ertappte mich dabei wie ich Kiran immer wieder anstarrte und erschrocken zusammenzuckte, wenn er es bemerkte und wissend lächelte. Meine Augen glitten über seine Hände wie sich die Adern unter seiner Haut abzeichneten, wenn er in den nächsten Gang schaltete. Er hatte schöne Hände. Groß und trotzdem irgendwie feingliedrig mit langen Fingern. Ich schüttelte den Kopf über mich selber. Seit wann interessierten mich Hände? Kiran setzte den Blinker und fuhr in die noblere Gegend der Insel. Ich war noch nie hier gewesen. Was hätte ich hier auch machen sollen, außer mir die modernen und großen Häuser anzuschauen und zu wissen, dass ich hier nicht hergehörte, nicht her passte. "Hey, träumst du?" Kiran strich sanft mit seinen Fingern über meine Wange. "Nein, alles ok" sagte ich schnell. Kiran sah aus, als wollte er noch was sagen, lies es dann aber doch bleiben. Er stieg aus und ging um den Wagen um mir die Türe aufzumachen. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie gefiel mir das. In Kirans Gegenwart fühlte ich mich nicht wie eine 18-jährige, kleine Schülerin, sondern wie eine Frau, der man Türen aufmachte und den Mantel abnahm. Ich stieg aus und mein Kiefer klappte nach unten. Wir standen vor einem modernen Haus, das nur aus Glas zu bestehen schien. Hinter dem Sichtschutz konnte man das Schimmern eines Pools erahnen. Der Weg zur Haustüre war gekiest und wurde von runden weißen Lampen erhellt. "Was ist? Hat es dir die Sprache verschlagen? Das Haus gehört mir nicht. Ich hab hier nur eine Wohnung." Nur eine Wohnung. Ich schnaubte. Das hier was Luxus pur, eine ganz andere Welt. Schillernd und voller Versuchungen. "Kommst du jetzt mit rein oder willst hier draußen stehen bleiben?" Kiran stand in der Haustüre und wirkte leicht ungeduldig. Langsam, um mit meinen Absätzen nicht im Kies umzuknicken ging ich auf ihn zu. Das Kobaltblau seiner Augen wirkte im Schein der Lampe noch dunkler. Als ich die Türe schließlich erreicht hatte, schloss er sie hinter mir und ging auf den Aufzug zu. Er gab einen Code ein und die Türe ging auf. Kiran nahm wieder meine Hand und zog mich zu sich. Ich hasste Aufzüge. Die Dinger waren so eng und so dunkel. Ich packte Kirans Hand fester und er warf mir einen verwunderten Blick zu. "Platzangst in Aufzügen" sagte ich knapp als ich seinen Blick bemerkte. "Es sind nur 3 Stockwerke" versucht er mich zu beruhigen. Ich versuchte möglichst tief zu atmen, um hier nicht in Panik zu verfallen. Ruckelnd hielt der Aufzug in der 3. Etage. Ich stürzte schon beinahe aus dem Aufzug und befand mich, zu meiner Überraschung, schon in der Wohnung oder besser gesagt im Flur. "Willkommen in meinem Reich" Kiran trat hinter mich und ich konnte seinen Atem in meinem Nacken spüren. Ich nickte nur und sah mich um. Die Wohnung war modern und ganz in Weiß gehalten. Sie war kalt und relativ unpersönlich. Zumindest für mich. Der Flur endete in einem Durchgang, die wiederum in ein großzügiges Wohn-und Esszimmer überging. Eine riesige Glasfront dominierte den Raum, in der Mitte stand eine schwarze Ledercouch und an der Wand hing ein Flachbildfernseher. Keine Deko, nur das Nötigste. Die Küche entdeckte ich erst als ich das Klappern von Tellern vernahm. Sie war offen und man hatte von dort einen guten Blick auf den großen Esstisch und das Meer, das man durch die Fensterfront gut im Blick hatte. "Und gefällt sie dir?" Ich zuckte zusammen. "Ein bisschen kalt vielleicht, aber sonst sehr schön" sagte ich schnell. "Du bist so unsicher seit wir hier sind. Entspann dich hier tut dir niemand was" meinte Kiran und goss einen großzügigen Schluck Wein in die Weingläser vor sich. "Setzt dich" er deutete auf die Barhocker vor der Anrichte und ich setzte mich möglichst elegant darauf. "Hier" Kiran schob mir das volle Weinglas hin. "Vielleicht entspannst du dich dadurch etwas." Er zwinkerte mir zu. Ich nippte ein bisschen von dem Wein. Eigentlich mochte ich Wein nicht besonders, aber dieser hier war gut. Mutiger nahm ich einen größeren Schluck und Kiran grinste zufrieden. Dann schnappte er sich ein Brett und ein Messer, holte Paprika, Tomaten und Fisch aus dem Kühlschrank. "Ich hoffe doch, du magst Fisch" geschickte schnitt er den Strunk aus der Tomate und schnitt sie klein. "Fisch ist gut" sagte ich. Langsam begann ich mich zu entspannen. Der Alkohol zeigte Wirkung. Ich stütze den Kopf auf meine verschränkten Hände und sah Kiran zu wie er in der Küche werkelte. "Gefällt dir was du siehst?" fragte Kiran schmunzelnd, als er mich dabei ertappte wie ich wie hypnotisierte auf seine durchtrainierte Brust starrte, die sich unter seinen Atemzügen hob und senkte. "Mhmm" machte ich nur. Kiran lächelte wieder. Dann stellte er eine Pfanne auf den Herd und 5 Minuten später zog der Duft nach gebratenem Fisch durch die Wohnung. Mein Magen knurrte, obwohl ich heute Mittag schon eine Pizza verdrück hatte. Ich hatte gar nicht gewusst, dass kochende Männer so heiß aussehen konnten, aber wahrscheinlich lag es einfach an Kiran.

Wenig später saßen wir an der Theke und ich schob mir genüsslich die Gabel in den Mund. Meine Oma konnte wirklich kochen und ich war süchtig nach ihren Pfannkuchen, aber dass hier war 5-Sterne-Niveau. Mindestens. "Schmeckt es dir?" fragte Kiran belustigt. Aber ich merkte auch, dass seine Stimme rauer wurde. Ich nickte verzückt und merkte, wie Kiran mich beobachtete. "Was ist?" fragte ich ihn. Er schüttelte den Kopf. "Nichts." Kiran trank einen kräftigen Schluck aus seinem Weinglas. Ich schob meinen leeren Teller ein Stück von mir weg. Jetzt war ich wirklich satt. Irgendwie war die Stimmung zwischen uns anders, als in den letzten Tagen. Irgendwie voller Erwartung und ich wusste nicht wieso das so war. Kiran stand auf und stellte seinen Teller in die Spülmaschine und ich tat es ihm gleich. "Wann musst du nach Hause?" fragte er plötzlich. Ich zuckte mit den Schultern. "Ich weiß nicht. Wann schmeißt du mich denn raus?" fragte ich herausfordernd zurück. Er überbrückte den kurzen Abstand zwischen uns und war mir plötzlich wieder so nah, wie gestern in dem Café. "Gar nicht" hauchte er mir ins Ohr und ich bekam eine Gänsehaut. "Meine Oma ist bis Sonntag nicht da" flüsterte ich konnte meinen Blick nicht von seinen Lippen wenden. Er war mir so unglaublich nahe. "Gut" murmelte er heißer. Er streckte seine Hand nach mir aus strich zart mit seiner Hand über meine Wange, wanderte weiter zu meinem Hals bis er schließlich meine Taille umschloss und mich mit einem Ruck zu sich zog. "Du weißt gar nicht, wie sehr ich mich beherrschen muss, um dir nicht sofort dieses Kleid von deinem Körper zu reißen." Seine Lippen strichen über meine und ich konnte nur mit Mühe ein Stöhnen zurückhalten. "Du bist so schön, Alina und du weist es nicht mal." Sein Atem strich über meine Lippen und ich drückte selbige auf seine. Ich begehrte ihn. Überrumpelt von meiner plötzlichen Forschheit stand Kiran kurz stocksteif da, dann wurde auch er aktiv. Seine Zunge strich über meine Lippen, verlangte Einlass und ich öffnete meine Lippen, lies es zu, dass er mit seiner Zunge dazwischen glitt. Kirans Hände wanderten über meinen Körper, während ich mit meinen seinen Zopf löste und meine Hände in seiner Mähne vergrub. Sie war noch weicher, als sie aussah und floss wie Seide durch meine Hände. Mit einem fast schon animalischen Knurren hob Kiran mich hoch und drückte mich gegen die Wand. Seine Hände wanderten meinen Oberschenkel nach oben, strichen über meinen Slip und ich stöhnte leise auf, schloss meine Augen, überließ mich diesem berauschenden Gefühl, dass durch meinen Körper floss. Kirans Lippen legten sich wieder auf meine, küssten mich, wanderten nach unten zu meinem Hals und ich legte meinen Kopf in den Nacken. Ein fast schon übermenschlich hoher Laut ließ uns auseinanderfahren und ich landete hart auf meinem Allerwertesten, da Kiran mich so plötzlich losgelassen hatte, als hätte sich verbrannt. "Scheiße" fluchte er. Dann packte er mich und zog mich hinter sich her aus der Wohnung, verfrachtete mich in sein Auto und raste los, als wäre der Teufel hinter ihm her. "Kiran, was ist los? Sprich mit mir!" Er schwieg starrte auf die Straße und raste weiter in einem höllischen Tempo über die Straße. Mit quietschenden Reifen hielt er vor dem Haus. "Steig aus, Alina. Triff mich nie wieder. Hast du verstanden: Nie wieder!" Er knurrte beinahe. Ich war wie erstarrte, konnte mich nicht bewegen. "Steig aus" fuhr er mich an doch mein Körper gehorchte mir nicht. Mit einem Zischen stieß er den Atem aus, hob mich aus dem Auto und fischte den Hausschlüssel aus meiner Tasche. Dann schloss er die Haustüre auf und stieg, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe rauf in mein Zimmer. Dort setzte er mich auf mein Bett. Kurz sah er mich an, ehe er noch einmal seine Lippen auf meine drückte und mich sanft küsste. "Es tut mir leid, Alina. Aber es ist besser so. Für dich" murmelte er. Dann ging er aus meinem Zimmer und keine Minute später fiel die Haustüre ins Schloss. Ich sahs da wie erstarrt. Das leere Gefühl wurde Stärker, schmerzhafter. Es stach Nadeln in mein Herz. Dann kamen endlich die Tränen. Schluchzend vergrub ich meinen Kopf unter meinem Kopfkissen. Ich hatte es gewusst. 

Siren CallWo Geschichten leben. Entdecke jetzt