Der Ball

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Kühl strich die dunkle Seide über meine Haut. Vorsichtig schloss eine der Dienerinnen den Reisverschluss am Rücken. Jetzt umschloss das Kleid meinen Körper wie eine zweite leichte Haut. Betonte die wenigen Rundungen, die ich hatte.

Ich betrachtete mich im Spiegel und staunte. Auch wenn meine braunen Haare einfach nur nach oben gesteckt waren und ich noch ungeschminkt war, sah ich fantastisch aus. Das Oberteil war mit Diamanten bestickt, die dank des Lichtes und dem dunkelblauen Stoff besonders gut zu Geltung kamen. Knapp unterhalb der Brüste verlief ein dünnes Satinband, und trennte so das festere Oberteil von dem weich fallenden Rock.

„Euere Majestät, wir müssen euch weiter fertig machen. Sonst kommen Sie zu spät", eines der Mädchen sah mich entschuldigend an, bevor sie auf einen Stuhl deutete. Ach ja, ich vergaß.

Der Ball.

Der Ball auf dem ich meinen zukünftigen Ehemann aussuchen sollte. Oder zumindest eine innere Wahl.

Vorsichtig hob ich das Kleid an, ging zum Stuhl und ließ mich mit einer Eleganz, die niemand mir zugetraut hätte, darauf nieder. Sofort fingen die drei Mädchen an, um mich herum zu schwirren. Wie kleine Bienen. Mit weichen Fingern trugen sie Pasten und Cremes auf, fuhren mit Pinseln über meine Haut. Ich hatte vorher mitbestimmt, wie mein Make-Up aussehen sollte. Daher wusste ich ungefähr was sie machten. Natürlich nicht genau, denn dazu fehlte mir das Wissen. Und die Begabung, wie meine Eltern immer so schön sagten. Sobald der letzte Lidschatten fertig war, öffnete ich die Augen. Doch zu meinem Leidwesen hatten sie den Spiegel abgedeckt. Mit einem Pinsel malten sie rote Farbe auf meine blassen Lippen, zogen noch einmal meine Augenbrauen nach und sahen sich dann zufrieden an.

„Jetzt das Haar", befahl eine.

Ich erwartete ein Ziehen und Zerren, doch es blieb aus. Mit wenigen Handgriffen flochten sie mein Haar und steckten es dann locker hinten hoch. Es kamen noch ein paar Spangen als Dekoration rein, dann traten sie zurück.

„Fertig", flüsterte eine.

Würdevoll erhob ich mich und wandte mich dem großem Spiegle zu.

„Wow!" sie hatten ein Meisterwerk geschafft. Schon seit meiner Kindheit wirkte ich immer blass im Gesicht. Das hatten sie mit ihren Cremes verdeckt. Ich hatte richtig Farbe auf den Wangen bekommen. Der Lidschatten unterstrich den Glanz der Diamanten auf dem Kleid. Wenn auch sehr schlicht. Durch die roten Lippen, wirkte mein Gesicht nicht zu dunkel. Eins der Mädchen räusperte sich und hielt mir ein kleines Döschen hin.

Richtig, wie konnte ich das vergessen?

Bei meiner Geburt musste etwas schief gelaufen sein, meinten meine Eltern immer. Denn ich kam mit roten Augen und schwarzen Zeichen auf der Haut zur Welt. Deshalb trug ich, seit ich denken konnte, Kontaktlinsen. Meine Kleider waren alle lang. Zwar luftig und teilweise durchsichtig, aber lang.

Ich legte noch den Schmuck an, eine Kette mit kleinen Diamanten und ein passendes Armband, dann war ich fertig. Ich schritt zur Tür. Doch bevor ich sie öffnen konnte, rief mir ein Mädchen hinterher:

„Eure Majestät, Ihr habt eure Schuhe vergessen."

Peinlich berührt blieb ich in der Tür stehen und wandte mich um.

„Entschuldigt. Wo habe ich nur meinen Kopf gelassen?" ich ging zurück, griff nach den Schuhen und streifte sie über. „Ihr könnte gehen", entließ ich die drei Mädchen. Ohne einen weiteren Kommentar verließen zwei der drei das Zimmer. Fragend sah ich die dritte an. Sie hatte bis jetzt nichts gesagt, doch nun winkte sie mich verschwörerisch näher.

„Ihr seid nicht so nutzlos wie Eure Eltern und Ärzte immer behaupten. Ihr habt Feuer in den Adern, seid tief mit der Erde verankert, fliegt auf euren Träumen davon und seid klugen Geistes."

Verwirrt sah ich sie an.

„Ihr dürft euch nur nicht unterkriegen lassen. Zeigt was in euch steckt. Nichts passiert ohne Grund. Fürchtet euch nicht", damit ging sie aus dem Zimmer und ließ mich einfach stehen. Doch die Zeit um darüber nachzudenken, hatte ich nicht. Denn keine Minute, dass sie den Raum verlassen hatte, gingen meine Türen auf und setzten mich den Rest des Abends den Blicken anderer aus. 

KurzgeschichtenWhere stories live. Discover now