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Jisung PoV

Ziemlich unausgeschlafen stand ich auf und machte mir mein Frühstück. Natürlich hatte ich nicht einfach gar nichts träumen können, sondern wurde die ganze Nacht durch einen Wald gehetzt und bin am Ende trotzdem erstochen worden. So endete es meistens. Mal wurde ich erstochen, mal erschlagen und mal erschossen, aber am Ende starb ich, egal was ich tat.

Müde machte ich mich auf den Weg zur Schule, wo ich direkt in meinen Klassenraum ging und mich auf meinen Platz setzte. Wieso draußen alleine rumstehen, wenn ich auch hier in Ruhe zeichnen kann. Ich zeichne nicht mehr meine Träume wie damals, sondern zeichne Menschen und Tiere.

Der Klassenraum füllte sich langsam mit meinen Mitschülern, die sich lachend unterhielten. Erst als unser Lehrer das Klassenzimmer betrat, gefolgt von einem Jungen, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Mir klappte die Kinnlade leicht herunter. Dieser Typ war wunderschön. Noch nie zuvor hatte ich so eine hübsche Person gesehen. Mach dir keine Hoffnungen, Jisung. Der ist zu 100% straight.

"Das ist unser neuer Schüler dieses Jahr. Magst du dich vorstellen?", fragte unser Lehrer, von dem ich während der Ferien den Namen vergessen hatte.

"Ich bin Lino, 18 Jahre alt und der Rest hat euch eigentlich nicht zu interessieren. Noch Fragen?"

Lino. Der Name brannte sich tief in meine Gedanken und ich war mir sicher, wenn man ein MRT von meinem Gehirn machen würde, könnte man seinen Namen lesen. Oder hieß das Ding NRT? NCT? MHT?

"Hast du eine Freundin?", kam es von einem der aufgedunsenen Mädchen in der vorderen Ecke des Klassenraums.

"Nein, habe ich nicht. Ich bin schwul."

Hab ich doch gleich gesa- Warte was? Ein gutaussehender Typ in meiner Klasse, der auf Jungen steht? Ich wusste nicht, dass das geht. Noch immer starrte ich ihn mit offenem Mund an.

"Dann kannst du dich ja gleich zu unserer anderen Schwuchtel da vorne setzen. Die hat bestimmt gerne deinen Schwanz im Arsch. Oder doch lieber in seiner Eichhörnchen-Fresse?", kam es von einem meiner besonders lustigen Klassenkameraden, der nun Lino's Aufmerksamkeit auf mich gerichtet hatte. Die ganze Klasse begann aus mir unerklärlichen Gründen zu lachen, was jedoch verstummte, als Minho zu seine Tasche geräuschvoll auf den Platz neben mir knallte. Wie sollte ich das überleben? Seine ganze Ausstrahlung war einfach beeindruckend. Da war es mir ein Leichtes, die Kommentare aus meiner Klasse zu ignorieren.

"Anscheinend ist nicht nur das Gebäude hier aus dem Mittelalter.", meinte er und setzte sich dann neben mich. "Du bist also die andere Schwuchtel?"

Ich war zu perplex, um zu antworten und starrte ihn einfach weiter an. Man merkte mir an, dass ich nicht oft im Kontakt mit fremden Menschen war und diese Situation mich komplett überforderte.

"Nicht so der gesprächige Typ, was?", grinste er und mein Gehirn begann langsam wieder zu funktionieren.

"Nicht besonders.", brachte ich hervor. Das war doch zumindest ein Anfang oder nicht?

"Sagst du mir wenigstens, wie du heißt?"

"H-Han-"

"Leise da drüben. Konzentriert euch auf den Unterricht."

Lehrer soll mal jemand verstehen. Greifen nicht ein, wenn jemand beleidigt wird, aber beschweren sich, wenn man zwei Minuten mit jemandem redet. Naja besonders viel geredet hab ich ja sowieso nicht.

Den restlichen Unterricht verbrachte ich damit mitzuarbeiten und aufzupassen. Doch immer wieder ließ ich meinen Blick zu dem Jungen neben mir wandern. Er wusste ganz genau, wie gut er aussah und das machte mich verrückt. Ich hasste es, wenn Menschen versuchten, andere mit ihrem Aussehen zu beeindrucken und genau das tat Lino gerade. Er musste sich dafür nicht mal Mühe geben.

Die Zeit neben Lino fand bald sein Ende, als es zur Pause klingelte, was mich in gewisser Weise erleichterte. Alleine irgendwo auf dem Schulhof ein Buch lesen, klang noch mehr als zuvor nach einer guten Beschäftigung. Bücher waren die einzige Flucht vor der Realität, die mir noch geblieben war.

Plötzlich kam jemand und riss mir das Buch aus der Hand, nur um es Sekunden später zu Boden zu werfen. Ich sah ins Gesicht der Person, die das getan hatte und war zutiefst enttäuscht.

"Sie haben Recht. Du hast echt eine Eichhörnchen-Fresse. Sowas will ja keiner sehen."

Eine Hand flog mir ins Gesicht und hinterließ einen roten Abdruck auf meiner Wange.

"Schade, dass es davon nicht ganz verschwindet."

Er drehte sich um und ging in Richtung des Eingangs, wo ihm einer seiner vermutlichen Freunde ein Highfive gab.

"Wieso, Lino?", fragte ich leise, hob mein Buch auf und versuchte es von Staub und Ungeziefern zu befreien, was mir nur halbwegs gelang.

Bis vorhin hatte ich noch gedacht, dass er mich zumindest halbwegs leiden konnte, aber vielleicht war das auch einfach nur seine Art. Erst den Leuten vormachen, dass man sie mag, damit es dann weniger erwartet wird. Lino war einfach nur ein riesen Arschloch mit einem unglaublich guten Style und einem hübschen Gesicht.

Das sollte sich auch in der zweiten Pause zeigen. Er kam wieder zu meinem Platz und grinste mich an. Es war nicht das freche Grinsen, das er mir in der ersten Stunde im Klassenraum gegeben hatte, sondern das Grinsen, das dir sagt, dass du gleich ziemlich in Schwierigkeiten steckst.

Vielleicht hätte ich versuchen können, wegzulaufen, aber irgendwann wäre ich vermutlich hingefallen oder er hätte mich eingeholt, deshalb beschloss ich, es einfach über mich ergehen zu lassen.

"Wen haben wir denn da? ~ Wenn das nicht unser allerliebster Hannie ist~"

"Was willst du, Lihoe?"

Offensive ist die beste Defensive. Oder war das anders herum? Sprichwörter sind nicht so meins.

"Jemand ist nicht begeistert mich zu sehen."

Ich zog mein Handy aus der Tasche, öffnete die Frontkamera und hielt ihm das Display vors Gesicht.

"Jetzt bin ich mit der schlechten Aussicht wenigstens nicht alleine."

Das war vermutlich das Dümmste, was ich in diesem Moment hätte machen können, denn nur ein paar Sekunden später spürte ich eine Faust in meiner Magengrube, sodass ich mich vor Schmerzen krümmte. Klar, Jisung. Beleidige ihn einfach, dann hört er bestimmt auf. Wie dumm bist du eigentlich?

Ein weiterer gezielter Schlag setzte mir zu und weitere folgten. Ich hatte das Gefühl, dass ich jeden Moment vor Schmerzen in Ohnmacht fallen müsste.
Das durfte nicht passieren. Unter keinen Umständen. Denn dann würden mich wieder meine Träume heimsuchen und genau das musste ich vermeiden.

"Verprügel mich von mir aus nach der Schule nochmal, aber schlag mich nicht ohnmächtig. Alles andere ist mir egal. Nur... keine Ohnmacht."

"Dann lassen wir es für heute noch einmal gut sein, Eichhörnchen. Ich hab keine Lust der Sanitäterin zu erklären, warum du so zugerichtet bist, und alleine hier lassen kann ich dich auch nicht."

Meine Sicht verschwamm und als ich blinzelte, bildete sich ein neues Bild vor meinen Augen. Lino hielt ein Messer in seiner Hand, von dem das Blut zu Boden floss.

Es ist in Ordnung, Jisung. Nur ein Traum. Er wird dich nicht abstechen. Er hat niemanden vor dir abgestochen. Alles ist gut.

Leichen begannen sich hinter ihm zu stapeln. Immer mehr von ihnen füllten den Schulhof. Lino kam noch einen Schritt näher, was mich unmännlich aufschreien ließ. Dann rammte er mir das Messer in die Brust, zielte exakt durch meine Rippen und direkt in mein Herz.

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Was ein toller Eindruck den unser lieber Lino da hinterlassen hat oder nicht?

So... Jisung ist gestorben. Die Story ist vorbei.

Just joking.

The Owner Of My Dreams || Minsung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt