Prolog

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"Du bist!"

"Nein du!"

"Egal, ich will eh nicht mehr fangen spielen... Ich versteck mich und du musst mich suchen?"

"Aber nur im Garten! Ich zähl bis 20, dann komm ich!"

In einer der vielen Baumkronen zwitschert eine kleine Vogelfamilie, die zum ersten Mal seit langer Zeit wieder die strahlende Sonne genießen dürfen. Wie so einige an diesem schönen Tag. Die Wolken haben sich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich verzogen und geben nun den Himmel frei für die wärmenden Strahlen der kräftigen Sommersonne. Wenn man genauer hinsieht, entdeckt man vielleicht sogar das ein oder andere Flugzeug, welche nach dem starken Unwetter wieder die Lüfte beherrschen und lange Fäden in das weiche Blau des Himmels zeichnen. Auch auf der Erde, unweiten entfernt von den ersten Vogelschwärmen, die nach einem viel zu langen Winter etwas verspätet aus dem Süden zurückkehren, trauen sich die Menschen mit erfreuten Gesichtern hinaus aus ihren Häusern, die sie die letzten Wochen wie Bunker nutzen mussten. Alt und Jung treten ins Freie und genießen die angenehme Wärme auf ihrer Haut, die so einige sehr vermisst hatten.

So auch zwei junge Buben, die miteinander durch einen bunten Garten , geziert von allerlei Blumen und künstlerisch gestalteten Dekorationen, toben. Der eine, etwas kleinere Junge rennt gerade leise kichernd hinter einen blühenden Busch, dessen Blüten freudig etwas Nektar für die wenigen Bienen bieten, die den viel zu harten Winter überlebt hatten und nun hungrig auf der Suche nach der süßen Nahrung durch die Lüfte schwirren.

Die winzige Hand vor den Mund drückend, hockt sich der Jüngling in die noch feuchte Erde hinter seinem Versteck und versucht, keinen Laut von sich zu geben. Den Drang widerstehend, um den hohen Busch zu blicken und nachzusehen, ob das andere Kind denn schon nach ihm sucht.

"...18, 19, 20! Versteckt oder nicht, ich komme!"

Kaum tritt der Klang der kindlich hohen Stimme in die Ohren des kleinen Grünäugigen, zuckt dieser zusammen und drückt seinen zierlichen Körper weiter in die blattreichen Äste des Busches. Seine leicht schwitzige Hand presst er dabei noch etwas fester vor seinen Mund.

In all der Hektik, das perfekte Versteck zu finden und dabei möglichst leise zu sein, hat der Kleine nicht wahrgenommen, dass seine von knallroten Gummistiefeln bekleideten Füßchen etwas zu weit hinter sein Versteck hervorragen.

Schon aus einigen Metern Entfernung sieht sein braunäugiger Freund mit einem fetten Grinsen auf den Lippen die fast schon leuchtenden Schuhe. Auf Zehenspitzen schleicht der Ältere der beiden Jungs sich an den Busch heran und muss dabei ein Kichern unterdrücken.

Hinter seinem Versteck wartet der Kleinere weiterhin geduldig und mit der stetigen Hoffnung, zum ersten Mal ein Versteckspiel zu gewinnen und nicht schon nach kurzer Zeit von seinem besten Freund gefunden zu werden. Was er noch nicht weiß, ist, dass er auf dies wohl noch etwas länger warten muss.

Die kurzen Beinchen des Jungen beginnen schon nach wenigen Sekunden in der Hocke zu schmerzen, weshalb er sich ohne nachzudenken aufrichtet und sich selbst etwas dafür verflucht, in den letzten Wochen kaum Bewegung gemacht zu haben. Vielleicht war dauerhaftes Sitzen vor seiner neuen Spielekonsole doch keine gute Idee gewesen, aber was sollte er in dem schrecklichen Unwetter anderes tun. Dafür waren er und sein um zwei Jahre älterer Freund mittlerweile wahre Meister in dem neu erschienenen Mario Spiel.

Keiner von Beiden konnte ahnen, was im nächsten Moment passiert. Mit einem lauten "Buuh!" stürzt der Braunäugige um die Ecke und kracht geradewegs in seinen Freund, der im Schock große Augen bekommt und mit einem spitzen Schrei auf den matschigen Boden landet. Dumpf prallt der Ältere auf den Grünäugigen und drückt diesen somit noch etwas tiefer in den Dreck.

Lost Friend [Kürbistumor]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt