Chapter 2

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Mit einem lauten Quietschen rollen wir in Mums Schrottkarre in unsere neue Einfahrt und ein Lachen kann ich mir dabei nicht unterdrücken. Mit einem neckenden Blick zu meiner Mutter sehe ich, wie sie sich etwas verlegen ihren Hinterkopf kratzt und schließlich aufseufzt, bevor auch ihre Lippen den ein oder anderen Lacher verlieren.

"Ich weiß, ich weiß. Du magst das Auto nicht und es ist auch schon etwas in die Jahre gekommen ..-"

"Etwas in die Jahre gekommen? Die Schüssel sieht aus, als wäre sie aus dem zweiten Weltkrieg entflohen. Es ist doch bestimmt nicht mehr legal, damit auf der Straße zu fahren. Wir könnten jeden Moment einen, oder am besten gleich alle vier Reifen verlieren! ...", unterbreche ich meine Mum, die meinen Redeschwall nur kichernd lauscht und mir irgendwann etwas verzweifelt eine ihrer zierlichen Hände auf den Oberschenkel legt. Widerwillig schließe ich meinen Mund und lege meinen Blick auf sie, was ihre grünen Augen zum Funkeln bringt.

"Das hat dich früher auch immer beruhigt...", verlässt es wie ein zarter Hauch ihre schmalen Lippen und ein liebevolles Lächeln schleicht sich auf unser beider Lippen.

"Ich glaube, wir sollten rein gehen. Ich will keine Sekunde länger in dieser Karre verbringen, als nötig", meine ich bloß, ehe ich sanft die Hand meiner Mutter von meinem Oberschenkel hebe und mich, meinen viel zu schweren Rucksack auf dem Rücken werfend, aus der Tür quetsche.

Lachend folgt mir meine Mum und gemeinsam stehen wir kurz darauf vor der Tür, hinter der sich unser neues Heim verbirgt. In den letzten Tagen hatten wir es geschafft, die gesamten Umzugskartons auszuräumen und unser Haus so zu gestalten, dass wir uns jetzt schon wieder so zuhause fühlen, als hätten wir diese Stadt nie verlassen. Es war etwas merkwürdig, durch mein altes Kinderzimmer zu stöbern und auf einige Sachen, wie Videospiele und allerlei Kuscheltiere, zu stoßen, an die ich mich einfach nicht erinnern konnte. Leider hatte meine Mutter damals, bevor wir nach Köln gezogen sind, alle Bilder und ähnliches in eine große Kiste verstaut und irgendwo auf dem Dachboden verbannt, wo sie auch weiterhin bleiben sollten. Ich hatte nämlich keine Lust, mir diese anzusehen, viel zu sehr schmerzte allein schon der Gedanke daran, was auf diesen Bildern zu sehen sein könnte.

Leicht den Kopf schüttelnd verschwinden die Gedanken aus meinem Kopf und ich sehe meiner Mum dabei zu, wie sie auf ihrem viel zu vollen Schlüsselbund den richtigen Schlüssel finden will. Mit einem lauten Seufzer stelle ich mich neben ihren schmalen Körper und greife vorsichtig nach dem klirrenden Haufen in ihren kleinen Händen. Überrascht schnellen ihre glitzernden Augen zu mir und lächelnd überreicht sie mir die Schlüssel, ehe sie sich daran macht, ihre große Tasche aus dem Auto zu holen, die sie heute Früh mit zur Arbeit genommen hat. Währenddessen durchsuche ich den Schlüsselbund und grinse schließlich triumphierend, als ich den richtigen Schlüssel zwischen den Fingern halte und hastig die Tür damit aufschließe.

Auf meinem Kopf spüre ich bereits die ersten Regentropfen, die das Unwetter ankündigen, vor dem die Wetterexperten im Fernsehen die letzten Tage bereits warnten. Angeblich sei ein riesiger Sturm auf dem Anmarsch hierher, was das idyllische Herbstklima zerstören sollte. Tagelanger Regen und ein eisiger Wind sind nur zwei der vielen Dinge, die uns die verschiedensten Wetterfrösche prophezeit hatten.

Seufzend drücke ich endlich die schwere Tür auf und warte im Flur auf meine Mutter, die sich ihre große Tasche schützend über den Kopf gelegt hat, da es in kurzer Zeit bereits begonnen hat, wie aus Kübeln zu schütten.

Erleichtert nimmt sie die Ledertasche hinunter und stellt sie auf den Boden, kaum ist sie im Inneren des Hauses angekommen. Geschützt vor dem starken Regen sperre ich nun die Tür hinter uns zu und mache mich ebenfalls daran, meine schwarzen Schuhe und Jacke auszuziehen und auf ihre dafür vorgesehenen Plätze zu befördern.

Lost Friend [Kürbistumor]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt