𝟽. 𝚑𝚎𝚕𝚕'𝚜 𝚔𝚒𝚝𝚌𝚑𝚎𝚗 & 𝚖𝚞𝚝𝚝𝚎𝚛 𝚝𝚎𝚛𝚎𝚜𝚊

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Dieses Mal ist es nicht das unliebsame Klingeln eines Wecker, das mich aus meinem erholsamen Schlaf reist, sondern ein dumpfer Aufschlag.

Es klingt so, als würde irgendwo ein Sack Reis umkippen und normalerweise würde mir jetzt auch sofort ein Chuck Norris Witz einfallen, aber es ist definitiv noch zu früh am Morgen und ich eindeutig noch nicht wach genug für einen Chuck Norris Witz.

Als ich ruckartig aufschrecke rutsch das Buch, dass bis eben noch aufgeschlagen auf meiner Brust gelegen hat zu Boden, was ebenfalls einen dumpfen Aufschlag nach sich zieht, nur eben bisschen leiser und es verursacht auch nicht so ein Erdbeben wie der erste Einschlag.

Draußen ist es bereits Taghell und ich kneife sofort meine Augen fest zusammen. Dieser plötzliche Lichteinfall fühlt sich so an, als wolle mir jemand die Augen aus dem Kopf brennen. Mir die Nasenwurzel massierend und ächzend, versuche ich blind nach dem Buch zu tasten und lehne mich dafür zur Hälfte aus meinem Bett. Ich kann mit meinen Fingerspitzen zwar den Buchdeckel ertasten, aber wenn ich versuche mich in meiner aktuellen körperlichen Verfassung noch weiter aus meinem Bett lehne, bin ich gleich der nächste Sack Reis der umfällt und Chuck Norris zum Weinen bringt.

Aber das passiert eben, wenn man die ganze Nach gelesen hat oder es ursprünglich beabsichtigte. In Wahrheit kam ich jedoch nur bis zu dem Punkt, an dem Basil Hallward, Lord Henry von seiner ersten Begegnung mit Dorian Gray auf der Party von Lady Brandon berichtete. Also circa die ersten zehn Seiten. Und so langsam kann ich verstehen, wieso Rhys dieses Buch an mich erinnert hat. Schließlich passt die Beschreibung, dass »die bloßen Persönlichkeit auf alle so bezaubernd wirkte und von jedem, der sich ihr hingab, vollkommenen Besitz ergriff«, auf uns beide.

Natürlich nur rein Oberflächlich betrachtet, denn Rhys kennt mich nicht. Weshalb er auch nicht wissen kann, dass ich mich seiner Einstellung zu der Kunst Basil sehr verbunden fühle.

Eigentlich hatte ich gestern Nacht wirklich noch weiter lesen wollen, denn ich werde seit dem Augenblick, als ich das Buch das erste mal in Händen hielt, das Gefühl einfach nicht mehr los, dass es mir irgendwann eine Menge bedeuten wird. Aber so aufgekratzt ich im ersten Moment auch gewesen war, genauso todmüde war ich bereits im nächsten.

Langsam lässt das brennen in meinen Augen nach und ich erkenne, welcher Sack Reis es gewesen ist, der mich aus dem Schlaf schrecken ließ.

Adam.

Natürlich Adam!

Wie ein Toter liegt er in denselben Klamotten von gestern Abend, auf dem Boden vor seinem Bett und schläft einfach weiter. Also wenn er sich nicht gestern noch dazu entschlossen hat, den harten Boden vorzuziehen und damit Rücken- und Nackenverspannungen zu riskieren, dann scheint er eben aus dem Bett gefallen zu sein.

Mein Ego beginnt gerade langsam und vor allem äußerst dramatisch in die Hände zu klatschen.

No shit, Sherlock.

Allerdings ist es mir ein Rätsel, wie er dabei immer noch so seelenruhig weiter schlafen kann, geschweige denn, wie er es gestern Abend noch allein ins Bett geschafft hat. So traurig es auch klingen mag, ich war wirklich der festen Überzeugung, ich würde ihn heute früh aus der Dusche ziehen müssen, bevor ich das Bad benutzen könnte. Da dies aber nicht der Fall ist und ich jetzt sowieso nicht mehr schlafen kann, lege ich das Buch auf das Nachtschränkchen und stehe auf.

Ich habe in T-Shirt und Jogginghose geschlafen. Ich schlafe immer in T-Shirt und Jogginghose, zumindest wenn ich in der Nacht keinen Besuch hatte und sicher weiß, dass Adam auf der Couch im Gemeinschaftswohnzimmer schläft. Nur in solchen Situationen oder wenn ich unter der Dusche stehen, trage ich kein T-Shirt. Selbst den Schwimmunterricht habe ich immer geschwänzt, genauso wie sonst jede Aktivität bei der mich Mitschüler ohne Shirt hätten bewundern können.

𝚖𝚊𝚔𝚎 𝚢𝚘𝚞 𝚖𝚒𝚗𝚎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt