Gefangen

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Am nächsten Tag in aller Frühe machten wir uns auf den Weg zum Soldatenlager. Wir hatten einen genauen Zeitplan, wann welcher Pferdewagen draußen stand.

Als wir den Platz erreichten, versteckte ich mich wie immer mit meinen Freunden hinter einigen Bäumen, während Little Creek und die anderen Indianer zu dem Wagen mit den Pferden schlichen. Üblicherweise schlich sich mein Reiter zu den Tieren, während die anderen aufpassten. In Windeseile löste er die Stricke, mit denen die Pferde am Wagen angebunden waren und übergab sie ihnen dann seinen Kollegen. So befreite er ein Tier nach dem anderen.

Auf einmal ertönte ein Schuss und ich fuhr erschrocken zusammen. Ein Soldat hatte die Indianer bemerkt und zielte mit einem Gewehr auf sie. Nun waren wir an der Reihe. Wir preschten zu unseren Reitern und wichen dabei den Schüssen aus. Ich bremste neben Little Creek ab und wartete ungeduldig darauf, dass er aufstieg. Aber bevor er auf meinen Rücken klettern konnte, riss ihn ein Soldat von hinten zu Boden.

"Little Creek!" wieherte ich erschrocken und wollte zu ihm, aber der Soldat zielte mit der Pistole auf mich und mein bester Freund rief mir zu "Lauf, Rain! Lauf weg!"

Verzweifelt versuchte ich, zu ihm zu gelangen, jedoch drängten sich nun weitere Soldaten zu Little Creek, fesselten und überwältigten ihn. "Nein!" schrie ich, doch nun kniff mir Dalta, meine beste Freundin, in die Kruppe und rief "Rain! Wir müssen hier weg!" Aber ich stand wie erstarrt da. Ich konnte Little Creek nicht zurücklassen.

Doch als der nächste Schuss fiel und die Kugel uns nur knapp verfehlte, löste ich mich aus meiner Schockstarre. Ich sah meinen Reiter an, der mir vielsagend zunickte. Nun schaltete sich mein Verstand wieder ein, ich wirbelte herum und ergriff mit den anderen die Flucht.

Wir galoppierten geradewegs zurück zum Dorf, wo die Indianer die neuen Pferde zu uns in die Herde brachten. Ich konnte sie noch nicht einmal begrüßen, da ich solche Angst um meinen besten Freund hatte. "Was, wenn sie ihm was antun?" schluchzte ich und Dalta sah mir fest in die Augen. "Sowas darfst du nicht mal denken! Ihm geht es bestimmt gut. Morgen werden wir ihn befreien, du wirst sehen."

Sie hatte recht. Ich konnte nichts anderes tun, als zu beten, dass es Little Creek gut ging.

Rain's GeschichteWo Geschichten leben. Entdecke jetzt