Mein Problem

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Zuerst war ich erleichtert. Ich konnte die Drei gut leiden und dachte nicht, dass sie mir etwas Böses wollten. Doch so schnell wie sie gekommen war, verschwand die Erleichterung auch schon wieder. Was, wenn sie mich erpressen würden? Sie hatten das Geld sicherlich bereits gefunden und würden mir nun drohen zur Polizei zu gehen. Sicher verlangten sie eine Gegenleistung für ihr Schweigen. Aber auf der anderen Seite waren es 13-jährige Jungen... Was konnten die schon groß verlangen. Am Geld sollte es schließlich nicht mangeln. Ich rappelte mich auf und schaute ihnen entgegen. Der Junge, mit der Tasche in der Hand, trat einen Schritt nach vorne. Er war nicht sehr groß, hatte Braunes, zotteliges Haar und trug ein viel zu großes Caro-Hemd, dass ihn noch kleiner erscheinen ließ. Das muss der Junge gewesen sein, von dem die Dame im Krankenhaus berichtet hatte. Der weinende, denke ich. Mit zitternder Stimme begann er: "Wir haben Ihre Tasche gefunden...", unsicher blickte er nach hinten zu seinen Freunden. Diese nickten kurz und er schaute wieder zu mir zurück. "Sie bekommen die Tasche aber nur, wenn Sie uns etwas versprechen.", fuhr er fort. Jetzt war ich aber gespannt was sie wohl von mir verlangen würden. "Sie dürfen niemandem erzählen, dass wir sie so stark verletzt haben!", einer der hinteren Jungen räusperte sich und der Zwerg korrigierte: „dass ICH sie so stark verletzt habe!" und sofort brach er in Tränen aus. Das hatte ich schon wieder komplett verdräng. Der arme musste voller Schuldgefühle gewesen sein, daher kniete ich mich vor ihm nieder und versprach, keinem davon zu erzählen. Er formte ein sichtlich erleichtertes 'Danke' mit seinen Lippen, bevor die Drei wieder ihrer Wege gingen. Hatten sie das Geld denn nun entdeckt? Wie genau haben sie sich meine Tasche denn angesehen? Ich hoffte nur, dass mich dieses Ereignis nicht in Schwierigkeiten bringen würde.

Glücklich stolzierte ich nun die Einfahrt meines Hofes hoch. Es war ein wirklich schönes Grundstück. Ich hatte es von meinen Eltern geerbt kurz nachdem sie starben. Ihr Tod verfolgte mich ständig. Überall sah ich sie und dachte an die gemeinsame Zeit. Ich war noch 19, als sie in den tragischen Unfall verwickelt wurden. Es war ein Schlag ins Gesicht. Ständig dachte ich darüber nach, was meine letzten Worte zu ihnen waren und ich schämte mich. Ich schämte mich mindestens genauso wie in dem Moment, als ich mit der 6.000 Dollar schweren Tasche meine Haustür öffnete. Sie hätten das alles nicht so gewollt. So hatten sie ihr kleines Mädchen nicht erzogen. Doch ich hatte keine Wahl. Das war zumindest das, was ich mir einredete.

Meinen Hausschlüssel warf ich in die Porzellanschüssel im Flur. Ich ließ mir Zeit. Nun hatte ich schließlich alle Zeit der Welt. Langsam ging ich in Richtung Küche. Vorbei an meinem kleinen Wohnzimmer und dem Kamin mit den Fotos. Hiervor machte ich Halt und betrachtete das Bild in der Mitte. Das hübsche blonde Mädchen schaffte es, mir ständig ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Sie war alles, was mir noch geblieben war. Meine wunderschöne Nichte, Lucy. Genau wie ich hatte sie ihre Mutter in dem Unfall verloren. Meine Schwester und ich hatten nie ein gutes Verhältnis, doch ihre Tochter liebte ich wie mein eigenes Kind. Nach ihrem Tod wollte ich Lucy adoptieren, doch dies wurde mir untersagt. Wenn wir ganz ehrlich sind, hätte sie es bei mir auch nicht gutgehabt, ich konnte ja kaum für mich selber sorgen. Wenn sie im Heim war, hatte ich immerhin die Möglichkeit, Ein bis Zwei Mal in der Woche etwas mit ihr zu unternehmen. Ich drückte dem Mädchen auf dem Bild einen Kuss auf die Stirn und ging weiter in die Küche. Meine Tasche stellte ich auf die Theke und ich nahm auf einem Barhocker Platz. Dann fing ich an zu Zählen. Schein für Schein. Doch in der Tasche fand ich keine 6.000 Dollar... Nein es waren sogar 7.400. Auf den Schein genau 7.400 Dollar. das reichte um meine kompletten Schulden abzubezahlen und dann hatte ich sogar noch etwas über. Mit dem Restgeld könnte ich einen schönen Ausflug mit meiner Nichte machen, dachte ich. Aber zuerst würde ich meine Schulden im Casino abbezahlen.

Meine Spielsucht war zu einem echten Problem geworden. Aber es half mir in der Zeit nach dem Tod meiner Familie. Abend für Abend begab ich mich ins Casino und spielte. Ich spielte die komplette Nacht. Denn nachts kamen diese schrecklichen Gedanken, die einem den Schlaf raubten. Durch das spielen konnte ich mich ein wenig ablenken. Doch auch 5 Jahre später hatte ich nicht aufhören können. Es war mehr geworden als nur eine Möglichkeit meinem Schmerz zu entkommen. Ich wurde leichtsinnig und fand unnatürliche Freude in den Spielen. Es hat eine Zeit gedauert bis mir das klar wurde. Doch ich nahm mein Problem nie besonders ernst. Sobald ich in Schulden geriet, spielte ich mich einfach wieder aus ihnen heraus und genau das war der Nervenkitzel, der das Spiel so interessant für mich machte. In den letzten Vier Wochen war ich nicht im Casino. Ich war auf dem Weg der Besserung, nicht für mich oder irgendwelche außenstehenden die meinten alles besser zu wissen. Nein... Ich tat es für Lucy! Doch dann kam die Nachricht, dass ich 6.000 Dollar Schulden abbezahlen müsste. Dies war überraschend, da ich stets einen guten Überblick über meine Einnahmen und Ausgaben hatte. Doch an den Abend, an dem ich in diese Schulden geriet, erinnerte ich mich nur noch vage. Es floss viel Alkohol und ich spielte gegen neue Gegner. Diesen Abend bereute ich zu Tiefst. Doch mich im Nachhinein dafür fertigzumachen brachte ja auch nichts, also verließ ich die Küche und ging in dem Garten. Das Casino öffnete um 18:30 Uhr bis dahin musste ich mir die Zeit anders vertreiben. Daher ging ich zum Gartenhaus hinüber, holte mir einen alten Klappstuhl aus dem Regal und setzte mich an den verdreckten Teich. Mein Garten war nicht gepflegt, da ich einfach keinen Sinn darin sah mich ständig in der Hitze abzurackern, nur damit meine Nachbarn mich nicht mehr für verrückt hielten. Ich fühlte mich wohl hier und Lucy liebte es mit den Tieren am Teich zu spielen. Warum sollte ich also etwas ändern? Besser konnte es schließlich nicht sein.

Ich ließ mich in den Stuhl fallen und die Sonne wärmte mein Gesicht. Ein letztes Mal betrachtete ich das Tattoo an meinem Handgelenk und schlief direkt ein...

Das Verlangen nach MehrWo Geschichten leben. Entdecke jetzt