𝓓𝓲𝓮 𝓫𝓮𝓼𝓼𝓮𝓻𝓮 𝓗ä𝓵𝓯𝓽𝓮

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In dem viereckigen Hochhaus zeichnete sich ein Riss ab. Vor diesem Gebäude – in großzügigem Abstand – warteten Kaya und ihre Mutter. Es herrschte eine düstere Atmosphäre. Mom dachte das, was Kaya laut aussprach: „Dad!" Eine ominöse Stille. „Er ist nicht mehr in diesem Gebäude, oder?", fragte das Mädchen schießlich zögernd.
„Wir haben beschlossen hier zu warten", erinnerte Mom trocken und fügte leiser hinzu: „ohne zu hinterfragen, was mit Tobias und deinem Vater los ist." Sie gab sich offensichtlich schwer damit zufrieden, bei ihrer Aufgabe keinen Erfolg erzielt zu haben. Ihre Gesichter und Hände waren von brauner Erde verunreinigt.
Hinter dem Hochhaus stand nämlich ein überdimensionaler Zaun. Aber keine der beiden Frauen konnte irgendwo in dieser Menschenleere eine Fluchtmöglichkeit finden.
„Ich glaube der einzige Fluchtweg steckt in diesem Gebäude, irgendwo da drinnen – vielleicht hat dein Vater ja eine Tür gefunden, die eine Ausflucht für uns bietet."
„Um das herauszufinden, müssten wir allerdings durch das Hochhaus... mit dem...Tiger." Kaya fühlte sich nicht bereit, sich der Gefahr zu stellen. Ihr Blick war leer und niedergeschlagen.
„Das Gebäude ist zwar zum Teil verfallen", erwiderte Mom und ging zwei Schritte auf den riesigen Bau zu, „aber was auch immer es ist, es liegt in unserem Interesse, alles zu tun, um hier weg zu kommen."
Ihre Tochter schluckte und überlegte, wie sie ihre Mutter zurückhalten konnte vor diesem waghalsigen Plan. Bedeutungsschwer atmete sie aus, während sie ihrer Mutter nachschaute.
„Wir können deinen Vater nicht im Stich lassen!", legte Mom nach. Kaya hielt sich die Hand vor den Mund. Er wird bereits tot sein wegen ihr - weil sie so ungeschickt handelte!
Und so steuerte sie mit ihrer Mutter den Bau an.

Da war die Tür, die ins Hochhaus hinein führte. Nachdem sich Kaya selbst die Schuld gegeben hatte für den Status quo der Familie, war sie zutiefst entschlossen, es mit Tigern und allem, was da lauerte, aufzunehmen. Nur die Angst saß in ihr, nur gegen die Angst konnte sie wirklich nichts machen. Als nächstes zerschnitt sie mit ihrem Schwert die Stromsicherung und trat die Tür auf. Unbehagen mischte sich wieder und wieder unter die Mutgefühle der zwei und legte sich wie ein feuchtes Tuch um sie. Dessen ungeachtet machte Kaya die ersten Schritte in das Gebäude. Sie begann leicht zu zittern und ihre Hände, die das Schwertheft umklammerten, waren bereits in Schweiß geraten. Nur nicht aufgeben dachte sie bei sich. Misstrauisch folgte ihre Begleiterin. Es ist alles nicht so wichtig.
Das düstere Innere drückte auf die Stimmung der beiden.
„Vielleicht ist er tot, der Tiger", überlegte die Mutter wie aus dem Nichts. Lange, unangenehme Stille. Bevor Kaya die erste Treppe betrat, bat sie: „Bleiben wir zusammen." Mom trat nach kurzem Zögern ebenfalls zur Stiege. Jetzt, wo sie so weit waren, wollten sie nicht umkehren. Was heißt weit? Waren sie tatsächlich weit? Fragen ließen Kaya und Moms Gewissen nicht in Ruhe.
So stiegen sie hinauf, die zwei, bis plötzlich von der einen auf die andere Sekunde ein furchteinflößendes Brüllen ertönte. Kaya und Mom schraken so sehr aus ihren Gedanken auf, dass es ihnen kalt den Rücken hinunterlief.
„Rauf!", befahl Kaya, die sichtlich verunsichert war.
„Nein, runter!!", widersprach ihre Mutter.

EVENTUS - Aufstieg des UnheilsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt