Das drehende Riesenrad hob sich vor den kahlen Bäumen ab, die den überfüllten Marktplatz säumten. Menschen, bestückt mit süßklebriger Zuckerwatte, die wie fleckige Wolken aussahen, marschierten an mir vorbei. Myles saß auf einem Kantstein und biss genüsslich von einer Zuckerstange ab. Es war seine Idee gewesen, das Stadtfest zu besuchen, damit ich von zu Hause wegkam und Ablenkung hatte. Der tagelange Regen hatte sich zur Freude der Schausteller verzogen und vereinzelte Sonnenstrahlen wärmten mein Gesicht.
»Wenn ich mich nicht langsam zusammenreiße, werde ich in den nächsten Stunden bestimmt an einem Zuckerschock sterben.« Sofort biss Myles sich auf seine Lippen und schaute mich verlegen an. »Sorry El. Also sterben war jetzt irgendwie die falsche Wortwahl.« Myles hatte die Zuckerstange inzwischen aus seinem Mund entfernt, die nur noch aus einem kleinen Reststück bestand.
»Schon gut«, beruhigte ich meinen besten Freund.
Immer noch war Keeleys Tod allgegenwärtig. Als wir uns an der Süßigkeitenbude angestellt hatten, hatte mich meine ehemalige Grundschullehrerin abgefangen und ich hatte mir einen fast zehnminütigen Vortrag anhören müssen, wie Keeley damals in der Rolle der Eiskönigin im Schulmusical brilliert hatte. Ich war damals zwei Klassen unter meiner Schwester gewesen und hatte es nur zu einem bedeutungslosen Troll geschafft, der sich zwischen mindestens zehn weiteren, gleich aussehenden Schüler gereiht hatte.
»Hast du Lust auf ne Runde Geisterbahn?« Myles hatte seine Süßigkeitentüte in seiner Jackentasche verstaut und schaute mich erwartungsvoll an.
»Klar, wir müssen doch überprüfen, ob die das stotternde Skelett noch nicht entlassen haben.« Ich streckte meine Füße von mir und stieß mich anschließend vom sandigen Boden ab.
Myles und ich kamen jedes Jahr zum Stadtfest, das immer Mitte November in South Portland stattfand. Und ein Besuch der Geisterbahn war mit den Jahren zu einer Art Tradition geworden, weil der Schauspieler des Skeletts jedes Mal mehr Angst hatte, als die Besucher der Geisterbahn selbst. Myles und ich zwängten uns zwischen den Menschenmassen hindurch, um auf das andere Ende des Festgeländes zu gelangen. Der Himmel über uns war mittlerweile strahlend blau, nur ganz entfernt hingen noch vereinzelt ein paar luftige Wolken am Horizont. Kurz bevor wir unser Ziel erreichten, hörten wir eine Stimme meinen Namen rufen.
»Eleja!« Irritiert blickten wir uns um, um die Quelle der Stimme auszumachen.
Myles kniff seine Augen zusammen und tippte mir auf die Schulter, damit ich meinen Blick in die richtige Richtung lenkte. »Sag mal, ist das Carter Jamison, der uns wie wildgeworden zuwinkt?« Verdattert war mein bester Freund stehen geblieben, während sich der Exfreund meiner Schwester sich uns näherte.
»Hey«, begrüßte er uns. Wenig später erschienen Marschall und Brighton, gefolgt von ein paar anderen Anhängern der Clique, hinter Carters Rücken.
»Hast du dir das wegen der Party nochmal durch den Kopf gehen lassen. Es würde uns alle wirklich freuen.« Carter verbannte eine gelockte Haarsträhne, die sich anscheinend von dem vielen Karussellfahren aus seinem Dutt gelöst hatte, hinter seinem Ohr. Als ich in die Gesichter der anderen schaute, konnte ich nicht wirklich erkennen, wie sie zu Carters Idee standen, mich ebenfalls auf die Memorial-Feier einzuladen. Marshalls und Brightons Gesichter waren hinter den Gläsern verspiegelter Sonnenbrillen versteckt. Da ich nicht sofort antwortete, weil ich bisher noch immer keine eindeutige Entscheidung mit mir selbst getroffen hatte, ergriff Carter wieder das Wort.
»Du darfst selbstverständlich auch kommen.« Diesmal wandte er sich an Myles und drückte ihm einen kumpelhaften Klaps auf die Schulter. Myles schielte zu mir und zuckte leicht mit der Schulter, was mir bedeuten sollte, dass ich diese Entscheidung treffen sollte. Mit meinem Chuck kratzte ich einen halben Kreis in den Boden und holte Luft.
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The Girl Behind the Glasses
Teen FictionKeeley Grady ist Highschoolstar, Cheerleaderqueen und angehendes Supermodel. Doch von einem Tag auf den anderen ist Keeley tot. Für Keeley's jüngere Schwester Eleja ändert das so einiges. Plötzlich interessieren sich die Leute für sie. Zusammen mit...