Kapitel 3

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Noch immer fassungslos blickte ich meinen Namen auf dem Display an. Er verschwand nicht, auch wenn ich den Bildschirm ausstellte. Er verschwand auch dann nicht, als ich das Handy zurück in die Tüte legte und kurze Zeit später erneut einen Blick darauf warf. Er verschwand auch noch immer nicht, nachdem ich mir ein Stück geschnittenen Apfel geholt hatte, den ich mir mit auf mein Zimmer mitgebracht hatte.

Wer hatte mir die Nachricht geschrieben? Eine noch viel beunruhigendere Frage kam bei mir auf. Woher wusste die Person, dass ich es war, die Keeleys Handy in der Hand hatte? Und woher wusste der unbekannte Schreiber überhaupt wie ich hieß? Mit zitternden Fingern ließ ich das Handy sinken. Ohne den Pin würde ich das Handy eh nicht entsperren können. Wahrscheinlich erlaubte sich hier jemand einen ziemlich schlechten Scherz. Und dennoch musste ich wieder an die Gestalt auf der anderen Straßenseite denken, die ich gestern von meinem Fenster aus gesehen hatte. Wurde ich etwa beobachtet?

»Ach Quatsch El«, fluchte ich. Die letzten Tage sorgten allmählich dafür, dass ich nicht mehr objektiv denken konnte. Ich schüttelte mich.

»El. Kommst du zum Abendessen. Wo bist du denn?« Meine Mum stockte, als sie mich in Keeleys Zimmer stehen sah. Ein Glück hatte ich das Handy bereits wieder auf die Kommode zurückgelegt.

»Eleja?«, setzte meine Mum nach und ein fragender Gesichtsausdruck erschien zwischen ihren Falten. Sie sah blass aus und ihre sonst so perfekt gestylten Haaren waren unfrisiert. Bei einigen Strähnen setzte sich das Grau gegen die dunkelblonde Tönung durch.

»Ich äh.« Unfähig eine Erklärung zu finden, fuhr ich mir durch die Haare und wich dem Blick meiner Mutter aus.

»Alles in Ordnung, Sweetie?«, fragte meine Mum eine Spur sanfter. Anscheinend hatte sie bemerkt, dass ich völlig aufgelöst war.

»Es war nur so still und da habe ich...«

»Schon gut«, unterbrach sie mich im nächsten Moment.

»Es gibt Spaghetti Carbonara. Du hast bestimmt Hunger.« Ich löste mich aus meiner Starre und verließ mit Mum Keeleys Zimmer. Mir entging nicht, dass sie die Tür fest zudrückte, bevor wir die Treppe ansteuerten.

Dad saß bereits am Esstisch und wirkte genauso erschöpft wie Mum. Er zwang sich zu einem Lächeln, als wir den Raum betraten. Gedankenverloren wickelte ich meine Spaghetti auf meiner Gabel auf und ließ sie zu so großer Form anwachsen, dass das Ganze anschließend nicht mehr in meinen Mund passte und ich von vorne anfangen musste.

»Wie war die Schule?«, hakte Dad nach einigen Minuten des Schweigens nach.

»Ganz okay«, sagte ich knapp.

Hin und wieder bemerkte ich, dass wir alle heimliche Blicke zum Stuhl auf der rechten Seite des Tisches warfen, der leer war. Die letzten Sonnenstrahlen fielen durch das große Esszimmerfenster und sorgten für Licht und Schatten auf dem unbesetzten Stoffpolster. Keeley hatte immer darauf bestanden, auf diesem Stuhl zu sitzen, damit sie einen freien Blick auf die Straße hatte. Mein Platz hingegen lag gegenüber von Dads Oldtimersammlung, wo sämtliche Miniaturautos auf einer Regalfront parkten. Nicht gerade die spannendste Aussicht.

»Wo wart ihr denn den ganzen Nachmittag?«, fragte ich meine Eltern, um das unangenehme Schweigen zu durchbrechen. Keiner von uns traute sich, viel zu sagen, wohl in der Angst etwas Falsches sagen, weshalb wir es lieber bei möglichst knappen Sätzen beließen

»Bei Gram's«, kam es von meiner Mum.

»Bei Tante Mel«, kam es gleichzeitig von Dad.

»Wo denn jetzt?«, fragte ich ein wenig gereizt nach, da es offensichtlich war, dass meine Eltern mich anlogen.

The Girl Behind the GlassesWhere stories live. Discover now