6. Streich [04.03.]

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Ich ging Kuroo so gut es ging aus dem Weg und das nicht nur, weil ich keine Ahnung hatte, wie ich meine Gefühle ordnen sollte. In meinem Kopf herrschte Chaos, dasselbe Durcheinander, das auch in meinem Zimmer herrschte, weil beim Stoßlüften eine Böe in den Blätterhaufen auf dem Schreibtisch gefahren war und die akribisch sortierten Papiere nun überall verteilt hatte.

Eigentlich hatte ich gerade erst mein Zimmer aufgeräumt- in der Hoffnung, dass sich dabei auch mein innerer Unfrieden in Wohlgefallen auflösen würde- aber jetzt stand ich bei beidem wieder am Anfang meiner Arbeit. Zuerst hatte ich versucht, mir jeglichen Gedanken an ihn aus dem Kopf zu schlagen, aber das hatte nur dazu geführt, dass ich noch öfter an ihn denken musste.

In mir stritten sich die Stimme der Vernunft, die zu Recht sauer auf Kuroo war und die Stimme der Hoffnung, dass das alles nur ein Missverständnis war.

Mir einzureden, dass es mir egal war, hatte ich noch in der ersten Nacht aufgegeben, als ich schlaflos an die Decke gestarrt und mir gewünscht hatte, er würde trotz nachtschlafender Uhrzeit klopfen. Leider hatte er das weder in der ersten, noch in einer der darauffolgenden Nächte getan und inzwischen hatte ich mir beinahe alle Fingernägel abgekaut, weil es mich rasend machte, zu wissen, dass er zwei Zimmer weiter sein Leben weiterlebte, als gäbe es mich nicht.

Am liebsten hätte ich ihm Rasierschaum in die Schuhe gesprüht, stattdessen musste ich mich mit kleinen Streichen begnügen, die Jakob hoffentlich nicht auf dem Radar hatte. Seine vorläufige Waffenruhe galt nämlich immer noch - zumindest so lange, bis er sich für eine Strafe entschieden hatte, die 'dem Vergehen'gerecht wurde. Wann das wäre, war allerdings nicht absehbar und wenn ich Jakob richtig einschätzte, wäre es ihm am liebsten gewesen, wir würden uns einfach in Luft auflösen.

Allerdings konnten mich weder seine dämlichen Regeln, noch sein böser Blick davon abhalten, wenigstens ein bisschen von meinem Frust an Kuroo auszulassen. Erst gestern Abend hatte ich darauf gewartet, dass er von seinem täglichen Joggingausflug zurückkerhte, um anschließend das Licht im Bad auszuschalten, sobald er das Wasser angestellt hatte. Leider war das wenig tröstlich.

Ich wollte eigentlich keine Rache üben, ich wollte nur, dass alles wieder normal zwischen uns würde und er sich entschuldigte. Scheinbar sah das für ihn anders aus.

Ich klaubte meine Blätter vom Boden auf, schob sie ungeordnet zusammen und packte sie unter meinen türkisenen Tacker, damit sie nicht gleich wieder wie ein paar wilde Origami-Schwäne davonfliegen konnten. Inzwischen war es im Zimmer eiskalt geworden und ich schloss schnell das Fenster wieder.

Am liebsten hätte ich mich gleich unter die Bettdecke geflüchtet, entschied mich aber dafür, zuerst noch einen Tee zu kochen. Es war zwar erst später Nachmittag, aber genausogut hätte es mitten in der Nacht sein können, den ganzen Tag schon hatten dunkle Wolken den Himmel verhangen und falls die Sonne überhaupt wirklich aufgegangen war, wovon ich stark ausging, hatte sie sich trotzdem kein einziges Mal gezeigt, bevor sie wieder hinterm Horizont verschwunden war.

Mit den Füßen in dicken Wollstrümpfen tapste ich also in die Küche und wäre am liebsten direkt wieder umgekehrt, als ich Jakobs und Kuroos Stimmen erkannte. Innerlich stockte ich für einen Moment und ehe ich es mich versah, hielten auch meine Beine an. Zu gerne hätte ich gewusst, was sie sagten, aber ihr Gespräch war nur ein leises Flüstern hinter vorgehaltener Hand, das offensichtlich nicht für irgendjemandes Ohren bestimmt war und ich wurde das Gefühl nicht los, ganz besonders nicht für meine.

In mir keimte die Befürchtung auf, dass auch meine letzten beiden intakten Fingernägel den Abend nicht heil überstehen würden, wenn ich hier noch länger im Gang herumlungerte und davon ausgehen musste, dass sie über mich sprachen. Deshalb marschierte ich kurzerhand hocherhobenen Hauptes in die Küche, ließ die beiden Jungs geflissentlich Links liegen und konzentrierte mich darauf, Wasser aufzukochen.

"Hey Mary."

Zum ersten Mal seit dem Vorfall wandte er das Wort an mich, nicht zuletzt deshalb weil wir uns in den letzten Tagen kaum über den Weg gelaufen waren. Ich war ihm vielleicht unterbewusst ein bisschen aus dem Weg gegangen, weil ich mir nicht sicher war, ob ich angemessen sauer war oder lieber noch eine Schippe drauflegen sollte.

Jetzt seine Stimme zu hören, die ungewöhnlich bittend klang, ließ alle meine guten Vorsätze stark zu bleiben im Ausguss verschwinden. Ich wollte ihm so gerne verzeihen, dass er im Grunde nicht einmal darum bitten musste und ich hasste mich dafür, dass ich so schwach war.

Noch immer mit dem Rücken zu ihm, nahm ich ein Glas aus dem Regal und füllte es langsam, um mich nicht sofort freudestrahlend zu ihm umzudrehen. Als das Glas voll war und ich nicht länger eine Ausrede hatte, drehte ich mich gemächlich um, was mir jegliche Willenskraft in meinen schwachen Beinen abverlangte.

Ich wollte nicht, dass er dachte, seine Freundschaft wäre mir irgendwie wichtig, denn ich fürchtete mich davor, was er mit diesem Wissen anstellen würde.

Er stand etwa drei Schritte entfernt von mir, wenn wir beide die Arme gehoben hätten, hätten wir uns berühren können. In der Erwartung einer Entschuldigung hob ich den Kopf und begegnete seinem Blick. Seine Augen glitzerten verschlagen und etwas in mir atmete auf, weil es gefürchtet hatte, dass zwischen uns jetzt alles anders wäre.

"Tut mir leid, falls es in deinem Zimmer noch nach altem Käse riecht", sagte er.

Entgegen meines Willens hoben sich meine Mundwinkel und er spiegelte die Bewegung. Es war zwar nicht die Art Entschuldigung, die ich mir erhofft hatte, aber was sollte ich schon von jemandem erwarten, der mit Anfang zwanzig noch begeistert Klopfstreiche spielte. Und verdammt, ich war ja selbst nicht besser.

"Burro, du bist stur wie ein Esel", murmelte ich kopfschüttelnd.

Dann kippte ich ihm das Glas Wasser ins Gesicht.

Schockiert schnappte er nach Luft wie ein Fisch im Teich hinter der Mensa nach Insekten und ein bisschen sah er auch so aus; die nassen Haare lagen auf der einen Seite platt am Kopf an, während die auf der anderen Seite widerspenstig wie eh und je der Schwerkraft trotzend gen Himmel stießen.

Ich fing haltlos an zu kichern.

Selbst als Jakob mir wutschnaubend verkündete, dass meine Handlung Konsequenzen haben würde (und mir nachdrücklich einen Lumpen in die Hand drückte), konnte ich nicht aufhören zu lachen. Seit Tagen hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, ob unsere keimende Freundschaft einem stinkigen Käse zum Opfer gefallen sein könnte und erst jetzt merkte ich, dass sie gar nicht so empfindlich war, wie ich befürchtet hatte.

Mit einem säuerliche Lächeln betrachtete Jakob uns, wie ich zwischen Lachsalven den Boden wischte und wie Kuroo mich dabei beobachtete, bis er schließlich verkündete: "Ihr werdet jetzt eine Eisdusche nehmen."

"Wir werden was?", fragte ich mit Tränen in den Augen und hielt mir den Bauch.

"Du hast schon verstanden", sagte Jakob, "Wenn ich eines nicht leiden kann, dann sind es Regelbrecher."

Kuroo griff sich an die Brust: "Das trifft mich wirklich tief Jakob, ich dachte wir wären Freunde."

Schnell rammte ich ihm einen Ellenbogen in die Seite, bevor er unsere Situation noch schlimmer machen konnte. Ich hatte Jakob noch nie so sauer gesehen, viel fehlte nicht mehr, und ihm würde Qualm aus den Ohren kommen.

"Geht euch umziehen und kommt dann ins Bad", sagte er verkniffen und rauschte davon.

"Das ist unfair", rief Kuroo ihm noch nach, "Ich bin doch schon nass."


ㅇㅅㅇ  Hola chicas y chicos,

Ich spreche eigentlich gar nicht so gut Spanisch, also falls euch mal Fehler auffallen, weist mich gerne darauf hin (generell auf alle Fehler, dann kann ich wenigstens aus ihnen lernen).

Gefällt euch die Geschichte bisher? Was erwartet ihr in den kommenden Kapiteln außer einer erfrischend "kalten" Dusche? ;)

Schreibt mir gerne auch privat, wenn ihr etwas zu mir oder meiner Geschichte loswerden wollt.

Buenas noches,

Phantasmen  ㅇㅅㅇ


Schwarze Katzen kratzen ✔ [Kuroo Tetsuro, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt