3. Wahrheit [14.03.]

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ㅇㅅㅇ Ich melde mich mal am Anfang des Kapitels, um eine Trigger Warnung für Panikattacken auszusprechen. Falls ihr das Kapitel aus diesem Grund nicht lesen möchtet, könnt ihr mir eine Privatnachricht schreiben und ich fasse das Kapitel gerne für euch zusammen. Außerdem wollte ich anmerken, dass ich selber nicht wirklich weiß, wie sich das anfühlt, falls ihr also findet, dass es völlig fern der Realität ist, dann schreibt mir bitte. Ich will nicht nur im Schreiben an sich besser werden, sondern auch in meinem Verständnis für die Dinge, über die ich schreibe.

Liebe Grüße, Phantasmen ㅇㅅㅇ

Es war bereits nach Mitternacht, als wir uns endlich für einen Film entschieden hatten. Ich lag unter der Decke zusammengerollt, den Rücken gegen die Wand gepresst und versuchte fieberhaft, meinen Blick nicht vom Bildschirm abzuwenden. Es war albern, aber ich war mir der Tatsache, dass wir zusammen in einem Bett lagen viel zu deutlich bewusst, um dem Film ernsthaft Beachtung zu schenken.

Alles wegen Kenma.

Wir hatten uns schon so oft in dieser Position befunden, aber heute brannte es mir ein Loch in den Bauch, als würde meinem Körper erst jetzt bewusst werden, wie nah wir uns dabei kamen. Ich war froh, dass die Decke sich wie eine Mauer zwischen uns befand, wenn wir uns jetzt noch berührt hätten, wäre ich vermutlich explodiert.

Stand ich auf Kuroo?

Wenn ich das nur wüsste, könnte ich wenigstens sagen, woher der Eisenbahntunnel in meinem Magen kam.

Ich kehrte erst in die Realität zurück, als der Abspann lief. Die Handlung hatte ich nur am Rand mitbekommen, aber ich konnte ohnehin nicht viel verpasst haben, denn Kuroo hatte der Film in den Schlaf gelangweilt. Im flackernden Licht des Laptops, der am Bettende stand, betrachtete ich ihn eine Weile. Er sah beinahe sanft aus. Trotz seiner wilden Haare, die sein Gesicht umgaben wie ein Halo, wirkte er friedlich. Seine Brust hob und senkte sich gleichmäßig. Ich merkte, wie mein eigener Atem ruhiger wurde. Seine Nase warf einen langen, geraden Schatten auf seine Stirn.

Ratternd fuhr ein Zug durch meinen Magen und das war der Moment, in dem mich die Erkenntnis mit voller Wucht traf.

Maldita sea, ich war tatsächlich in ihn verknallt.

Ich drehte mich um und prallte mit der Stirn gegen die Wand, in der Hoffnung, ich könnte mir das Ganze so aus dem Kopf schlagen. Leider vergebens. Kuroo regte sich neben mir, drehte sich auf den Bauch und vergrub das Gesicht im Kissen.

Ich hielt die Luft an, aber es fühlte sich sofort an, als könnte ich keine Sekunde länger warten, um Atem zu holen. Wenn ich eines jetzt nicht gebrauchen konnte, dann, dass er Fragen stellte.

Warum ich hyperventilierte zum Beispiel. Oder warum meine Stirn von einem dicken, roten Fleck geziert war.

Meine Finger wurden taub, ganz langsam, zuerst kribbelten sie, dann war es, als würde alles Blut aus ihnen gepumpt werden. Panisch begann ich, meine Hände zu kneten, aber das half nichts; Kälte breitete sich in meinen Armen aus, erreichte mein Herz, das wie wild pochte.

Verzweifelt konzentrierte ich mich auf die Namen, die unermüdlich über den Bildschirm rollten. Ich buchstabierte sie rückwärts, zwang mich, nach jedem Vornamen auszuatmen, nach jedem Nachnamen einzuatmen. Tränen traten mir in die Augen, ich fühlte mich hilflos und verloren, die Namen verschwammen vor meinen Augen. Ich musste ein Schluchzen ausgestoßen haben, denn Kuroo regte sich abermals.

Theoretisch wusste ich, dass ich mich der Angst stellen musste, wenn ich sie je besiegen wollte, aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Nicht, wenn Kuroo neben mir schlief und jederzeit erwachen könnte.

"Ist der Film schon zu Ende?", fragte er schlaftrunken.

Ich blinzelte wie wild, um die Tränen zu unterdrücken und tat, als würde ich mir die Augen reiben. Mein Atem ging schnell und flach und es fühlte sich an, als würde ich ein Korsett tragen, als hätte meine Brust nicht genug Raum zum Atmen.

"Mary?", fragte Kuroo, aber ich hörte ihn wie durch Watte.

Er bewegte sich neben mir, ich versuchte mich darauf zu konzentrieren, aber gleichzeitig erfüllte es mich nur mit noch mehr Angst.

"Alles in Ordnung?"

Sein Gesicht erschien vor mir, aber ich sah ihn gar nicht richtig. War er wirklich da? Er legte mir die Arme auf die Schultern und das Gewicht schaffte es endlich, mich wieder in die Realität zurückzuholen.

"Hey", sagte er sanft, und dann nochmal, "Hey."

Und dann sagte er es so oft, dass ich nicht mehr wusste, wo das eine 'hey' aufhörte, und das nächste anfing. Er sagte noch mehr, aber ich verstand kein Wort. Für einen Moment verschwand er, dann hielt er mir eine Flasche hin. Ich trank ein paar Schlücke, wobei mir beinahe die Flasche aus der Hand gerutscht wäre und tatsächlich half das.

Der Druck um meine Brust lockerte sich, die Welt wurde wieder klarer. Wir saßen lange so da, irgendwann im Dunkeln, als der Laptop schwarz wurde und ich mich langsam beruhigte. Ich fühlte mich elend, aber wenigstens bekam ich wieder besser Luft.

Kuroo zog mich an sich, mein Kopf gegen seine Schulter gelehnt und strich mir durch die Haare. So nah waren wir uns noch nie gewesen.

Er roch nach Seife und Kräutern und Wärme und ich schloss die Augen. Sehr lange schwiegen wir in der Dunkelheit, Kuroos Hand in meinen Haaren, die regelmäßig Schauer über meine Kopfhaut jagte.

Ich fühlte mich ein bisschen weniger elend.

"Willst du darüber reden?", fragte er irgendwann.

"Nein", sagte ich wahrheitsgemäß.

"Danke, Kuroo, ich-", meine Stimme brach. Ich holte tief Luft und setzte von neuem an.

"Ich hatte das schon lange nicht mehr. Nicht so stark."

Ich war froh, dass er nicht weiter nachfragte, denn ich wusste nicht, wie ich es ihm erklären sollte. Plötzlich hatte ich furchtbares Heimweh nach meinem Vater.

"Möchtest du schlafen?"

"Ja", murmelte ich.

Ich ließ mich zurück in die Kissen sinken und Kuroo machte es sich neben mir bequem. Er saß aufrecht, den Rücken an die Wand gelehnt, als wollte er aufpassen, dass ich auch wirklich schlief. Mein Herz schwoll bei dem Gedanken ein wenig an.

Es dauerte nicht lange, bis ich mit Gewissheit sagen konnte, dass ich unter diesen Umständen kein Auge zubekommen würde. Ich richtete mich auf und lehnte mich neben Kuroo an die Wand. Einvernehmliches Schweigen sickerte durch das gekippte Fenster in die kalte Nacht hinaus.

"Du schuldest mir eine Kopfmassage", sagte Kuroo irgendwann. Das brachte mich zum Lächeln; er war wirklich unmöglich. Ich hob die Hand und schob sie zwischen seinen Kopf und die Wand. Fast erwartete ich, ihn schnurren zu hören, als ich begann ihn zu kraulen.

Ich war froh, dass es so finster im Zimmer war, sonst hätte er mich sicher mit meinen roten Wangen aufgezogen. Er seufzte genießerisch und das allein reichte, dass meine Spucke beinahe in der Luftröhre landete. Er schlief irgendwann im Sitzen ein, doch ich strich ihm weiter durch die Haare, selbst als meine Muskeln zu protestieren begannen.

Ich wurde wach, weil Kuroo meine Finger aus seinen verknoteten Haaren befreite. Er sah noch zerzauster aus als sonst und ein bisschen zerstreut, als würde ein Teil von ihm noch schlafen. Die Ereignisse der letzten Nacht kamen schneller zu mir zurück, als ich es mir gewünscht hatte.

Mierda, war das peinlich. Zum Glück brachte er es nicht zur Sprache, sonst hätte ich mir vielleicht aus Scham die Zunge abgebissen. Seine Wangen waren vom Schlaf gerötet, beinahe wie wenn er von einem seiner Läufe durch die kalte Luft draußen zurückkehrte.

Ich wich seinem Blick aus, als ich sagte: "Ich werde für ein paar Tage heimfahren."

Schwarze Katzen kratzen ✔ [Kuroo Tetsuro, Haikyuu!]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt