„Wunderschön."

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Prustend, und zugegebenermaßen wenig elegant, durchbrach Cassandra die Wasseroberfläche. Sie wollte ihn wirklich anschnauzen - was er auch völlig verdient hatte - aber sie hatte sich heute so sehr danach gesehnt schwimmen zu gehen und das kühle Wasser um ihren Körper spülen zu lassen, dass sie ihm nicht böse sein konnte. Stattdessen schwamm sie mit einigen kräftigen Zügen zum Rand des Pools. Die Schwärze des Wassers und die Finsternis des dahinter liegenden Meeres waren gleichzeitig gespenstisch und beruhigend. Wunderschön.

Augenblicke später tauchte Deans Kopf neben ihr auf. „Geht es dir jetzt besser?" Sein verschmitztes Grinsen hatte einen direkten Draht zu ihrem Herzen, was auch augenblicklich mit einem holprigen Galopp reagierte.

„Ja. Ich liebe es zu schwimmen." Wehmütig blickte sie hinaus aufs Meer. Morgen würde es ganz Früh zum Strand gehen und erst abends wieder zurück. Und so würde es Tag für Tag laufen, bis sie zurück in die Freiheit ihrer WG durfte.

„Warum bist du vorhin nicht geschwommen?" Sie sah ihn an, suchte in seinem Gesicht nach ... sie war unsicher. Wonach suchte sie? Was war er für ein Junge? Oder war er schon ein Mann? Würde er sich wieder lustig machen, so wie schon über ihren Namen?

„Ich verrate dir ein Geheimnis." Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern.

Lächelnd rückte er näher zu ihr. „Ja?"

Sie legte ihre Hände auf die nackten Schultern Deans und bewegte ihren Kopf ganz nah an sein Ohr.
„Ich bin ein Vampir und verbrenne in der Sonne." Nach ihrem letzten Wort stieß sie sich von ihm ab und zerteilte mit einigen Züge das schwarze Wasser. Sie konnte sein leises Lachen nur mit Mühe hören.

„Du dürftest mich jederzeit beißen", flüsterte er und kam mit zwei kräftigen Kraulschlägen zu ihr.

Jetzt war es an ihr zu lachen. „Ich bin Vegetarierin."

„In Teilzeit oder so? Du hattest vorhin den Pulled Pork Burger Deluxe." Er zwinkerte ihr zu. Ups.

Gemeinsam lehnten sie am Rand des Pools und sahen auf das Meer hinaus. Sie sprachen nicht, schwiegen gemeinsam, ohne dass es unangenehm war. Cassandra mochte die Nähe Deans. Er machte, dass ihr die Ewigkeit des Urlaubs ein wenig kürzer erschien.

„Feuergöttin, Vampirin, Vegetarierin in Teilzeit - das klingt alles sehr aufregend. Erzähl mir etwas Normales über dich, damit ich mich weniger bedeutungslos neben dir fühle." Sein Flüstern zerriss die Stille und verursachte ihr eine Gänsehaut. Er zwinkerte ihr zu.

Sie seufzte. „Du meinst über mein Leben vor und nach der unendlichen Hölle des alljährlichen Folterurlaubs mit meiner Familie?" Es gelang ihr nicht die Verbitterung aus ihrer Stimme zu verbannen.

Statt einer Antwort nickte Dean.

„Entschuldige." Ihr tiefes Seufzen hallte über das Wasser. „Dieser Urlaub verwandelt mich jedes Jahr in eine grässliche, grüne, finstere Version meines Selbst." Beschämt richtete sie ihren Blick hinaus auf das Meer.

„Ich mag das Finstere, Abweisende. Das tut meinem Ego vermutlich ganz gut." Lächelnd stupste er sie mit der Schulter an und sie konnte nicht anders als zurück zu lächeln.

„Ich studiere Medizin. In einem Jahr werde ich meine Assistenzarztstelle antreten." Perfekterweise erst nach dem verdammten Familienurlaub. Aber das sprach sie nicht aus. „Ich wohne in einer WG, spiele leidenschaftlich gern Hockey und jobbe nebenbei in einer Pflegestelle für Jugendliche."

Seine Augen weiteten sich überrascht.

„Was?" Fragend zog sie ihre Brauen hoch.

Er räusperte sich unbehaglich.

„Nun sag schon."

„Ich habe den Nachmittag mit deiner Schwester verbracht", murmelte er. „Und vielleicht ...", lachte er, „habe ich von ihr auf dich geschlossen und lag so weit daneben, dass meine Vermutung nicht mal mehr auf diesem Planeten anzusiedeln ist."

Cassandra nickte schulterzuckend. „Kommt vor."

„Tut mir leid." Seine Worte klangen aufrichtig und Cassandra nickte wieder, drehte sich dann um und schwamm in die Mitte des Pools. Mit Genugtuung bemerkte sie, dass er ihr hinterher kam.

„Cassandra? Geh nicht."

Sie grinste ihn an. „Hatte ich nicht vor." Und ehe er sich versah, hatte sie ihn unter Wasser gedrückt.

Rasch schwamm sie weiter, spürte aber seine Hand an ihren Fuß. Er hinderte sie daran vorwärts zu kommen und tauchte unter Wasser, wo er sie näher an sich heranzog.

Als er mit ihr wieder auftauchte, schlang er seine Arme um ihren Körper. Sie waren trotz des kalten Wassers noch warm.

„Was wird das?" Warum nur konnte sie ihre kratzbürstige Art nicht ablegen? Sie mochte ihn doch.

„Still jetzt finstere Feuergöttin", flüsterte er an ihren Lippen. Seine Augen hielten ihren Blick gefangen. Er lächelte sein hinreißendes Lächeln und Cassandra blieb tatsächlich still.

Der Moment bevor sich seine Lippen endlich auf die ihren senkten, kam ihr wie eine kleine Unendlichkeit vor. Ihr Körper kribbelte, sie lehnte sich stärker gegen seinen nackten Oberkörper, spürte den rauen Stoff seiner Badeshorts an ihren nackten Beinen. Der riesige Vollmond spiegelte sich in der ruhigen Wasseroberfläche und das leise, gleichmäßige Rauschen der brandenden Wellen bildete den perfekten Soundtrack für diesen Moment.
Sie hatte nicht gewusst, dass Ewigkeiten sich auch so gut anfühlen konnten.

Infinity (Oneshot)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt