01 - Schwarzer Schnee

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𝚁𝚎𝚢𝚗𝚊
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Reynas Pfoten tappten gleichmäßig auf den harten, kalten Untergrund, ihr Atem bildete kleine Wölkchen in der kühlen Luft. Ihre Gliedmaßen waren steif und ungelenk, sie musste erst den beißenden Frost aus ihren Pfoten vertreiben, ehe sie auch nur einen Gedanken an ihren knurrenden Magen verschwenden konnte. Die Tage und Nächte in der Scheune konnten eisig werden und sie hatte schon oft erlebt das eine alte Katze sich an einem frostigen Abend in einer Ecke zusammenrollte und für immer ihre Augen schloss. Weitere Opfer der Blattleere, wie der alte Theo die Zeit, nachdem die Blätter von den Bäumen gefallen und sich auf ihrem Weg zur Erde mit den Schneeflocken vermischt hatten nannte. Sie hatte ihn oft gefragt warum er das, oder viele andere Dinge so anders machte oder so andersartige Begriffe nutzte als die anderen Streuner, die sie kannte. Seine Antwort war immer (bis auf ein einziges Mal) die selbe geblieben: "Ich komme nicht von hier, da wo ich herkomme machte man es so". Wo er wirklich herkam sagte er nie.

Reynas Scheune befand sich am Rande der Zweibeinersiedlung, sie hätte nur einen Zweibeinerpfad, "Donnerweg", wie Theo sie jetzt mit leichtem Tadel korrigiert hätte, überqueren müssen und sie hätte sich dem Wald gegenüber gesehen. Dem Wald, über den sie so viele grausame Geschichten und Legenden gehört hatte, oder besser gesagt, dessen Einwohner.

Sich von ihren Gedanken losreißend setzte sie sich schneller in Bewegung, suchte mit ihrer Nase im Wind nach Informationen, als sie meinte die Ahnung eines warmen Duftes in den anderen Gerüchen des kalten Windes schmecken zu können. Eine einzelne Ratte. Manchmal war es sehr schwer die Witterung einer Beute aufzunehmen, wenn der scharfe unangenehme Gestank der Zweibeinersiedlung sich in ihrer Nase ablegte, ihre Gedanken mit bodenlosem Ekel überzog und ihr die Konzentration erschwerte. Dreckiger, dunkler Matsch lag an den Rändern des jetzt noch nicht belebten Weges, aufgetürmt zu schmelzenden Haufen aus vergiftetem Schnee, die feucht und grau im Mondlicht glänzten.
Das erste was sie gelernt hatte war, dass sie kein Wasser von den Zweibeinerwegen trinken durfte, sie hatte einmal vor etwa sechs Monden, als sie gerade ein paar Wochen auf der Erde weilte, versucht etwas aus einer großen Pfütze zu kosten. Sie war entsetzlich krank geworden und um ein Haar gestorben. Theo hatte ihr vor kurzem beigebracht wie man jagte und was einem der Geruch über den Zustand der Beute erzählen konnte. In den engen Schluchten zwischen den Behausungen war dies zwar schwierig, aber nicht unmöglich.
Der orange getiegerte, mürrische Kater hatte auch damals nicht sagen wollen woher er sein Wissen bezogen hatte, aber eines Tagen hatte Reyna ihm doch zumindest eine Andeutung über seine Herkunft entlocken können. Er sagte er habe sein Leben auf einem Bauernhof am Rande des Waldes, den es jetzt nicht mehr gibt verbracht und sei dort vielen anderen Katzen begegnet.
Reyna schnaubte leise. Der alte Theo und seine Geheimnisse. Irgendwann, schwor sie sich, Irgendwann würde sie die Wahrheit herausfinden.

Instinktiv folgte sie der Duftspur des Tieres, ihre Pfotenschritte wurden leiser, bedachter, ihre Sinne schärften sich. Sie schlich die Gasse entlang, immer weiter in Richtung des Geruches, bedacht darauf ihre Pfoten möglichst nicht in eine der Pfützen zu setzen.
Da saß ihr Frühstück, an einem Stück Zweibeiner Abfall schnüffelnd und versuchte seinerseits etwas Essbares aufzutreiben. Reyna spürte wie der Wind ihr durch das Fell strich, und ihr den Geruch der Ratte entgegen wehte. Sie roch ein wenig wie abgestandenes Wasser, vermutlich weil auch diese Beute aus den Steinröhren, die unter der Siedlung verliefen kam, aber dennoch konnte sie das duftende, noch lebendige schlagende Herz unter dem stinkenden Pelz ausmachen. Ganz sanft setzte sie ihre Pfoten vor einander, wie ein lautloser Schatten, nur noch ein paar schwanzlängen trennten sie von ihrer Mahlzeit. Sie kauerte sich auf den Boden, alle Muskeln in ihrem Körper gespannt, vollkommen ruhig und fokussiert. Dann sprang sie. Die Ratte hatte es nicht kommen sehen. Reynas Krallen drangen ohne großen Widerstand in den weichen Körper des anderen Tieres, wobei sie spüren konnte, wie sich ihre Beute mit aller Kraft wand und versuchte ihren gnadenlosen Pfoten zu entkommen. Ein kurzer Biss in den Hals und die Ratte rührte sich nicht mehr.

Jetzt musste Reyna schnell sein, denn sie war bei weitem nicht die einzige, die um diese Zeit durch die grauen Schluchten der Siedlung schlich um etwas Nahrung zu ergattern. Sich immer wieder vorsichtig umschauend verschlang sie ihre Beute. Sie hatte keine Zeit für Genuss, sie war ständig in Alarmbereitschaft, erinnerte sich nicht ein Mal an die Tage an denen dies nicht der Fall gewesen war. Reyna war müde, doch sie wusste, dass sie für fehlende Vorsicht mit dem Leben zahlen würde.
Sie war auf der Suche nach Theo durch die Siedlung gestrichen, hatte mit anderen Einzelläufern gesprochen, hatte sich mit einer arroganten Hauskatze gestritten ("Hättest du dir mal ein komfortables Haus mit guten Zeeibeinern gesucht, hättest du jetzt so glänzendes Fell wie ich..."- Den Ausruf "Mäusehirnige Fellkugel" hatte Reyna sich nur mit Mühe verkniffen, das verwöhnte Zweibeinerkätzchen hätte es sowieso nicht verstanden) und war schließlich zur Scheune zurück gekehrt, nur um zu sehen, dass ihre Beute vom Vortag von einem anderen Tier verspeist worden war. Einer alten Krähe, dem Geruch nach zu urteilen. Heute war ein relativ ruhiger Tag gewesen, sie hatte schnell etwas zum Fressen gefunden. Manchmal fand sie tagelang nichts, bis ihr ausgehungerter Verstand sogar Zweibeinerabfall als Nahrung ansah. In solchen Fällen war ihr Theo zur Hilfe geeilt, hatte ihr so gut er konnte geholfen und sich um sie gekümmert (auch wenn sie auf seine sarkastischen Kommentare gut verzichten konnte).
Sie sorgte sich um ihn, obwohl sie es ihm gegenüber nie laut aussprechen würde. Er war verschwand ständig ohne Bescheid zu sagen und es war ihre erste Blattleere.
Er hatte ihr viel erzählt, aber ihr war durchaus bewusst, dass sie über keinerlei Erfahrungen verfügte was die Blattleere anging. Sie brauchte ihren Mentor, wenn sie in der verhassten Siedlung mit all den Gerüchen und lauten Geräuschen, die in ihren Ohren klingelten überleben wollte. Er war einer der wenigen Bestandteile ihres Lebens in der Siedlung, die ihr wirklich etwas bedeuteten.
Aber eigentlich wollte sie nicht nur "Überleben". Sie wollte Leben. Sie wollte frei sein. Sie wollte eine Familie haben. "Und all das verwehrt mir die riesige Zweibeinersiedlung mit den stinkenden Monstern und dem giftigen Abfall" dachte sie verbittert. Das einzige was sie hier hatte war ein sarkastischer, verschlosser, kauziger Kater, der ab und zu nach ihr sah und ihr die Grundlagen zum Überleben beigebracht hatte.

Ein leises Platschen drang an ihre Ohren. Sie fuhr herum. Aufregung und Neugierde fluteten ihren Körper, ihr gelbliches Fell stellte sich auf, ihre Schnurrhaare zittern leicht. Reyna versuchte den schalen Geruch, der ihr aus einer angrenzenden Gasse entgegenschlug zu identifizieren. Schnell schluckte sie den letzten Bissen ihrer Beute und schob sich enger an die Wand in die Schatten. Sie hätte sich bevor sie anfing mit fressen in einer der stinkenden Pfützen wälzen sollen, dann hätte man zumindest ihre Anwesenheit deutlich schwerer ausmachen können.
Die Schatten an den Wänden des Eingangs der Gasse verschoben sich und gaben einen großen Umriss zu erkennen. Reyna hielt den Atem an. Noch könnte sie fliehen, ohne das was auch immer es war sie sah. Gerochen hatte es sie aufgrund ihres unglücklichen Fehlers warscheinlich ohnehin schon. Die Gedanken rasten in der Zeit eines Herzschlags durch ihren Kopf, sie kalkulierte, dachte, plante, legte sich einen möglichen Fluchtweg zurecht, aber letzten Endes siegte ihre unaufhaltsame (und in manchen Fällen auch fatale) Neugier. Sie schob sich langsam und sehr vorsichtig in Richtung Abfall um dort in den Gerüchen und Schatten abzutauchen und ihren neuen Nachbarn einschätzen zu können.

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Hi!
Ich weiß nicht wann ich Zeit habe weiter zu schreiben, also kann es unter Umständen länger dauern bis das nächste Kapitel fertig ist, ich bitte um Verständnis. Es wäre schön wenn mir Rechtschreib- / Grammatikfehler gezeigt werden, damit ich sie korrigieren kann.
Vielen Dank fürs Lesen 😊

Warrior Cats - Der dritte Krieger Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt