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Mingyu hielt große Stücke auf seine Fähigkeit Konversation zu führen. Er hasste das unangenehme Gefühl einer stockenden Unterhaltung und das betretene Schweigen seiner Gesprächspartner. So kam es, dass er durch seine aufgeschlossene und zuvorkommende Art zu konversieren dieses Gefühl zumeist gar nicht erst aufkommen ließ.
Er hatte stets passende Fragen, kleine Anekdoten oder Kommentare auf den Lippen, die das Gespräch am Leben hielten und es dem anderen leicht machten einzusteigen.

Doch heute schien es anders zu sein. Vielleicht lag es daran, dass Wonwoo der erste war, dessen Schweigen Mingyu nicht verlegen und unangenehm erschien, sondern beobachtend und gelassen.
Mingyu mochte eventuell passabel im Führen einer Konversation sein, doch im Schweigen war Wonwoo ihm um Längen voraus.
Es machte Mingyu nervös und dieses unbekannte Gefühl schien sich durch seine Neuartigkeit nur noch zu verstärken.

Noch nie hatte jemand Mingyu nervös gemacht. Verwirrt, ja. Jeonghan hatte ihn anfangs sehr verwirrt mit seinem verschmitzten Grinsen  und seiner nicht vorhandenen Hemmschwelle wenn es um Berührungen ging. Ängstlich auch, ja. Als er 14 war hatte Mingyu große Bögen um manche seiner Mitschüler gemacht aus Angst vor Konfrontation und Stress.
Doch nichts dergleichen war es, was Mingyus Handflächen um seinen Fahrradlenker klamm werden ließ.
Wonwoo machte ihn nervös.
Seine Gedanken flogen wild durch seinen Kopf und gleichzeitig drückte sein Herz kraftvoll von innen gegen seinen Brustkorb. Ein angenehm aufregendes Gefühl; es pumpte mit starken Schlägen Blut in seine Ohren und seine Wangen und Mingyu war froh, es im Zweifelsfall auf die Sommerhitze schieben zu können. Tatsache war: Wonwoo beraubte ihn mit seinem Schweigen jeglicher seiner Konversationsfähigkeiten und Mingyu war verloren.
Am schlimmsten war es, dass Wonwoo hin und wieder den Blick von der Straße hob und zu Mingyu hinüber wandern ließ und sich seine Mundwinkel leicht hoben. Mingyu lächelte zurück, zu viel mehr war er jedoch nicht fähig.

Doch nach dem vierten dieser kleinen mit Lächeln gepaarten Blicke hatte Mingyu genug. Er brauchte ein Gespräch.

"Erinnerst du dich noch an die Mädchen aus dem Café?"

Wonwoos hob eine Augenbraue.
"Ja. Hast du sie angeschrieben?", antwortete er und verfolgte mit seinen Augen einen kleinen Stein, den er vor sich die Straße entlang kickte.
Mingyu griff in seine Hosentasche und förderte kleine zerknüllte Papierschnipsel zu Tage.

"Ich hab den Zettel mit der Hose mitgewaschen."
Er grinste Wonwoo leicht an und erkannte in den Katzenaugen seines Gegenübers ein kleines Auffunkeln.

"Du scheinst nicht gerade sehr reuevoll", bemerkte Wonwoo und Mingyu zuckte lediglich die Achseln und ließ die Schnipsel im nächsten Mülleimer am Straßenrand verschwinden.

"Ich habe so viel anderes im Kopf und außerdem glaube ich, dass ich ihre Motivation hinter der Aktion nicht erwidern könnte."

Wonwoo grinste. "Da hast du jetzt aber sehr schön formuliert, dass du nicht an ihr interessiert bist."
Mingyu verzog den Mund. "Das klingt auch so böse. Nicht an ihr interessiert. Ich bin an allen Menschen interessiert, aber nicht in dieser Art."
Erneut schenkte Wonwoo ihm einen mit einem Lächeln gepaarten Seitenblick, doch Mingyu tat als hätte er ihn nicht gesehen, denn er wusste wirklich nicht, wie er damit umgehen sollte und schaltete die Gänge seines Fahrrades hin und her, um seinen Fingern etwas zu tun zu geben.

"Was hast du denn alles im Kopf?", kam Wonwoo auf Mingyus vorherige Aussage zurück
"Ach alles mögliche. Du weißt doch, Chaos." Wonwoo lachte auf und Mingyu ließ eine kleine Pause. "Aber ich will gerne an einem  Poesiewettbewerb teilnehmen. Bis Dezember kann man Werke einreichen. Ich habe allerdings immer noch nichts. Mein Kopf hat bis vor kurzem eine komplette künstlerische Vollbremsung gemacht. Wie als würde die Sonne mir jeglichen Keim der Kreativität verbrennen, sobald er sich mit seinen ersten Blättchen ans Tageslicht wagt." Er deutete nach oben zur gleißend hellen Mittagssonne, die unerbittlich vom Himmel strahlte, als würde sie tatsächlich nach Menschen wie Mingyu suchen, um ihnen ihre Kraft zu rauben bis sie sich nur noch schlapp in den Schatten flüchteten.
In derselben Manier schoben die beiden Jungen ihre Fahrräder in den Schatten des Bürgersteigs, als sie den Berg zu Wonwoos Wohnung erreichten.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 07, 2020 ⏰

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