Ich nahm alles nur noch ganz dumpf wahr. Die Stimme meines Bruders klang weit entfernt, als würden wir uns Unterwasser befinden. Es war genau das eingetroffen vor dem ich die ganze Zeit über Angst hatte.
Ich kann mich noch daran erinnern, als sich die Eltern von Lynn scheiden ließen. Sie aß nichts mehr, hatte immer Augenringe und ihre Stimmung war dementsprechend im Keller. Es war herzzerreißend sie so zu sehen. Für mich war es schon schlimm genug das bei ihren Eltern mitzumachen, aber nun traf es mich selbst und meine Familie.
"Ihr solltet euch entscheiden bei wem ihr Leben möchtet. Ich weiß, das ist keine Sache, die ihr jetzt gleich entscheiden könnt. Ihr habt selbstverständlich Zeit es euch genau zu überlegen und bitte denkt nicht, dass wir auf euch oder auf eure Entscheidung böse sein werden. Ihr seid alt genug, um eure Wahl zu treffen."
Die Stimme meiner Mutter klang voller Liebe, aber zugleich auch voller Angst davor, wie wir uns entscheiden würden. Ich wusste es nicht. Ich liebte beide gleich, wie hätte ich mich da entscheiden können bzw. sollen?
"Ich möchte bei Mummy bleiben.", sagte Maddy und setzte sich zu Mom. Ich hatte schon damit gerechnet, dass sie bei ihr bleiben würde, immerhin war sie schon immer ein richtiges "Mama Kind". Aber mein Bruder und ich waren da anders. Wir verstanden uns mit beiden Elternteilen gut. Natürlich kam es auch mal vor, dass man den einen oder anderen verzog, da es um Dinge ging, die der andere niemals erlaubt hätte. Immerhin kennt man seine Eltern und weiß, bei wem was geht.
Aber nun sollten wir uns für einen der beiden entscheiden, was für mich schlicht unmöglich erschien.Unsere Eltern sahen abwechselnd zu mir und Josh. Mein Bruder sagte kein Wort mehr. Ich sah ihn von der Seite an und versuchte zu erahnen was er gerade dachte oder fühlte, aber er hatte sich komplett verschlossen. Sein Blick war kalt und starr nach vorn gerichtet.
Plötzlich stand er auf und sagte, dass das alles doch zum Kotzen sei.Schweigend sahen ich und unsere Mutter zu, wie er Richtung Eingangstüre ging. "Wo willst du hin?", ertönte die Stimme unseres Vaters. Er stand nun ebenfalls auf und verschwand in dieselbe Richtung wie Josh.
"Dorthin, wo ich in Ruhe nachdenken kann. Immerhin wollen du und Mom eine Antwort haben und hier kann ich einfach nicht nachdenken.", war alles was ich hörte, bevor die Türe ins Schloss fiel und nur noch das Ticken der Uhr zu hören war.
Mein Vater betrat wieder das Wohnzimmer und nachdem er sich gesetzt hatte fuhr er sich mit seinen Händen übers Gesicht. Er stützte sein Kinn in seiner rechten Handfläche ab und sah zu mir.
Ich weiß genau, dass er hofft, dass ich bei ihm bleibe, immerhin verstehen wir uns sehr gut, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden. "Tut mir leid. Ich kann euch keine Antwort geben. Ich...ich glaube, ich brauch einfach etwas Zeit, um darüber in Ruhe nachzudenken.", sagte ich meinen Eltern bevor ich aufstand und in mein Zimmer flüchten wollte.
"Elena, du hast alle Zeit, die du brauchst. Du musst mit deiner Entscheidung glücklich sein. Das ist, was am meisten zählt.", sagte mir mein Vater hinterher.
Ich blieb im Türrahmen stehen und blickte ein letztes mal zu meinen Eltern, die immer noch auf der Couch saßen.
"Ich weiß", antwortete ich meinem Dad und ging in mein Zimmer. Ich schloss ganz leise die Türe hinter mir und atmete tief durch. Ich ließ die letzten paar Minuten Revue passieren.
Auf einmal fühlte ich mich schwach, als würde eine riesengroße Last auf meinen Schultern liegen. Meine Beine schienen mich nicht mehr halten zu können und gaben unter mir nach. Langsam ließ ich mich entlang der Türe zu Boden sinken und zog meine Knie ganz nah an mich ran und ehe ich mich versehen konnte machte sich das allbekannte Brennen in meinen Augen bemerkbar.
Heiße, dicke Tropfen rannen meine Wange hinab und hinterlassen dort ihre Spur. Ich ließ meinen Kopf auf meine Knie senken und gab mich all meinen Emotionen hin, ohne auch nur daran zu denken sie aufzuhalten, denn irgendwann kann man einfach nicht mehr. Irgendwann muss alles, was einen von Innen auffrisst, nach Außen, denn ansonsten würde man selbst daran zu Grunde gehen.
Ich hatte keine Ahnung wie lange ich so schon auf dem Boden saß, da ich jegliches Zeitgefühl verloren hatte, aber ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass es bereits 03:06 Uhr war. Ohne meine Zähne geputzt zu haben oder meine Schlafsachen anzuziehen, legte ich mich ins Bett und rollte mich dort zusammen.
Ich musste an all die schönen Zeiten denken, die wir als Familie hatten, an all die Gespräche, die wir geführt hatten. Sowohl die guten als auch die schlechten. Was war nur geschehen, dass sie sich für eine Trennung entschieden hatten?
Durch das ganze grübeln wurde ich müde, es dauert nicht lange und schon hatte mich die Dunkelheit still und heimlich eingeholt und in ihren Bann gezogen.
***
Das Leuten meines Handys riss mich aus den Schlaf. Ein Blick auf den Display verriet mir, dass Lynn mich bereits das vierte mal probierte zu erreichen. Mit verschlafener Stimme meldete ich mich.
"Hallo?" "Sag mir nicht, dass du erst jetzt aufgestanden bist! Es ist bereits 09:46, das heißt, dass du bereits zwei Unterrichtsstunden verpasst hast und..."
"Lynn, ich hab keinen Bock mit dir jetzt schon zu diskutieren. Ich komm heute nicht zur Schule.", unterbrach ich sie in ihrem Redefluss. Um ehrlich zu sein war das schon etwas zu harsch von mir, aber was soll ich sagen, ich bin nicht besonders gut drauf, wenn man mich aufweckt und mir dann auch noch eine Moralpredigt vorhält.
Okay, vielleicht lag es auch einfach daran, dass ich eine echt tolle Nachricht bekommen habe, natürlich sarkastisch gemeint und das vor nicht einmal 24 Stunden. "Wow, was ist passiert?"
Ich atmete einmal laut aus und versuchte die richtigen Worte zu finden, aber gibt es überhaupt richtige Worte, um zu beschreiben was los war? Ganz langsam richtete ich mich auf und fuhr mir durch meine hüftlangen, goldenen bzw. dunkelblonden Locken.
"Elena?", ertönte die Stimme meiner besten Freundin, aber dieses mal klingt sie besorgt. "Ich will das nicht übers Handy erklären. Kannst du nach der Schule kurz vorbeikommen?" "Was für, nach der Schule, ich komm jetzt gleich vorbei. In einer halben Stunde bin ich bei dir."
"Aber du kannst nicht einfach die Schule schwänzen Lynn! Deine Mutter wird dir den Kopf abreißen, wenn sie's rauskriegt und du kassierst auch noch eine Stunde Nachsitzen." "Du sagst es, "wenn" sie's rauskriegt, aber wie heißt es so schön, was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß und das mit dem Nachsitzen lass mal eine Sorge sein. Mir wird schon was einfallen."
Ihr Lachen drang durch das Handy und erwärmte meine Seele. Obwohl sie noch nicht einmal wusste was los war, war sie bereit alles stehen und liegen zu lassen, nur um nach mir zu sehen. Sie war echt eine wahre beste Freundin. "Danke Lynn." "Nichts zu danken und hey...", sie machte eine kurze Pause, um sicher zu gehen, dass ich ihr auch wirklich zuhörte.
"Es gibt für alles eine Lösung. Ich bin gleich da und das mit einer fetten Menge Eis. Bis dann." "Okay, bis dann." Nachdem wir aufgelegt hatten musste ich lächeln. Sie war schon immer der Meinung, dass alles mit Eis aus der Welt zu schaffen sei. Egal was, sie kommt immer mit zwei großen Becher Ben & Jerry's und manchmal auch mit Pizza und/oder Schokolade.
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Never say Never
Teen FictionElena Morgen scheint ein perfektes Leben in Minnesota zu haben, doch ein Schicksalsschlag verändert alles. Sie muss eine wichtige Entscheidung treffen, die ihr Leben wohlmöglich für immer verändern wird. Dann begegnet sich auch noch einen attraktiv...