Kapitel 1

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Ich wurde wach, langsam nur, aber immerhin. Ich lag auf dem Bauch und wurde durchgeschüttelt. Es war sehr unangenehm, aber ich war noch nicht in der Lage mich zu bewegen. Ich vernahm Stimmen, zuerst leise, wie ein Flüstern, dann wurden sie lauter und ich konnte sie als Männerstimmen ausmachen. Sie hatten nicht so einen Singsang in der Stimme, wie Elben es haben, es mussten Menschen sein. Meine Augen wollten sich, so wie jedes andere Körperteil, nicht bewegen. Leider blieben die Schmerzen nicht weg, mein Kopf tat höllisch weh.

Ich fing an mich zu wundern, dass ich nicht in meinem Bett lag und von meiner Zofe geweckt wurde, sondern hier irgendwo lag, lauter Menschen um mich herum. Was war passiert? Ich war auf die Straße gelaufen, hatte Elben fliehen sehen, aber ich war trotz alledem weitergegangen. Ich hatte Menschen gesehen, die Häuser angezündet hatten, die gegen Elben kämpften, die Elben, aufgrund ihrer Anzahl in die Knie zwangen. Einer der Elben hatte mich mit Prinzessin angesprochen, was die Menschen auf mich aufmerksam machte. Einer der Menschen, vermutlich der Anführer hatte den Anderen zugeschrien, sie sollen mich holen. Einer der Elben hatte noch gerufen, ich solle verschwinden, aber ich hatte mich nicht bewegen können, war nicht von der Stelle gekommen und ehe ich mich versah, war es schwarz um mich herum geworden.

Einer der Angreifer hatte mich wahrscheinlich bewusstlos geschlagen, dass würde erklären, warum ich mich an nichts Weiteres erinnern kann und warum mein Kopf schmerzte. Ich versuchte es nochmal und dieses Mal gelang es mir meine Augen zu öffnen. Ich blickte auf den Boden. Man hatte mich auf einen Pferderücken verfrachtet, niemand saß vor mir. Deswegen befand ich mich auch in dieser unangenehmen Haltung.

„Was machen wir eigentlich mit ihr?", sagte einer der Männer in meiner Nähe. Ich vermutete, dass mit „ihr" ich gemeint war.

„Wir schicken einen Erpresserbrief an ihre Eltern und verlangen ein hohes Lösegeld!", antwortete ein Anderer. Das konnten sie ja gerne versuchen, aber sie würden wohl keinen Erfolg haben. Meine Eltern würden das Lösegeld nie zahlen, eher würden sie das Geld behalten und für neuen Nachwuchs sorgen, der dann, wie ich, vereinsamt. Ich fragte mich, was sie wohl mit mir machen werden, wenn sie erfahren, dass meine Eltern nie auf den Erpresserbrief eingehen werden. Wenn sie merken, dass ich eigentlich total unbedeutsam war, dass das Königspaar von Eryn Vorn sich überhaupt nicht um ihre Tochter sorgt.

Ich kannte meine Eltern zu gut, um zu hoffen, sie würden mich aus den Fängen dieser Banditen befreien. Die einzigen, die mich vermissen werden, sind meine Freunde, da sie nun niemanden Reiches mehr hatten, der ihnen alles schenkte. Meine Mutter würde mich erst recht nicht vermissen, da sie mich sowieso ignoriert hatte und mein Vater hatte genug andere Probleme.

Ich musste schmunzeln, als ich darüber nachdachte, wie dumm die Menschen, die mich entführt hatten, doch waren, denn sie hatten doch tatsächlich die unwichtigste Elbe aus ganz Eryn Vorn entführt und machten sich jetzt Hoffnungen, sie würden durch mich an ein Vermögen kommen.

Eigentlich hätte ich jetzt damit anfangen müssen im Selbstmitleid zu verfallen, aber ich hatte mich schon früh darin geübt, fast alles positiv zu sehen und das schaffte ich auch jetzt. Ich beschloss, da ich sowieso nichts gegen meine Angreifer unternehmen konnte, da sie zu viele waren, wir auf offenem Gelände ritten und ich noch viel zu müde war, um mich zu wehren und zu entwischen, mich noch ein wenig auszuruhen. Wenn wir später durch einen Wald reiten werden und ich bis dahin ganz wach geworden bin, werde ich schon bessere Chancen haben.
Die Männer vertieften noch weiter ihr Gespräch, aber ich hatte für mich beschlossen, dass ich nicht mit anhören wollte, was sie sonst noch mit mir vorhatten. Ich döste also noch eine Weile vor mich hin, um zu Kräften zu kommen und um mich mental auf die bevorstehende Flucht einzustellen.

Wir erreichten tatsächlich nach einiger Zeit einen Wald, aber ich machte keine Anstalten mich vom Pferd zu schwingen und abzuhauen, sie hätten mich zu schnell wieder eingefangen. Als ersten Schritt nahm ich Kontakt mit dem Pferd, auf welchem ich lag, auf.

„Na du?", ich wusste nicht, was ich das Pferd fragen sollte, also beließ ich es dabei. Ich redete natürlich mit dem Pferd auf Elbisch, sodass es mich auch verstehen konnte.

Das Pferd schnaubte zur Antwort.

„Wie heißt du?", wollte ich nun wissen. Ich musste flüstern, damit die Männer um mich herum nicht auf mich aufmerksam wurden.

„Nyrnel!", antwortete er mir in seiner Sprache. Zu meinem Glück hatte ich diese gelernt, sonst wäre aus dem Gespräch wohl nichts geworden. Die meisten Tiere konnten zwar Elbisch verstehen, aber nicht in Elbisch antworten, sie antworteten in ihren Sprachen, keinem Tier war es möglich die elbische Sprache auszusprechen und so musste man, wenn man mit Tieren reden wollte, deren Sprache lernen, was meistens kein leichtes Unterfangen war.

„Weißt du wo sie mich hinbringen?", erkundigte ich mich.

„Sie wollen dich soweit es geht von Eryn Vorn fortbringen, damit es den Elben deines Reiches nicht gelingt dir zu folgen und dich wieder sicher nach Hause zu bringen. Sie wollen ein Lösegeld für dich haben!", Tiere mochten meist uns Elben lieber und ich hoffte, dass war bei diesem Pferd auch so war, denn sonst konnte ich meinen Plan in den Wind schießen.

„Hilfst du mir zu entkommen?", fragte ich vorsichtig weiter.

Das Pferd sagte nichts weiter, sondern nickte nur, was ich durch das auf und ab bemerkte. Das stimmte mich zufrieden, ich hatte das Pferd auf meiner Seite, was schon mal ein guter Schritt in Richtung Flucht war.

„Wir werden gleich eine Rast machen, danach wird ein guter Zeitpunkt für deine Flucht sein!", fügte Nyrnel noch hinzu.

Vergessen und GeliebtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt