1. Kapitel

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Ich wurde mitten in der Nacht von einem stickigen Geruch geweckt. Verwirrt sah ich mich um. Es war alles dunkel nur etwas weiter entfernt konnte man orange-rotes Licht erkennen. Erst als meine kleine Schwester, Alba, panisch auf mich zulief, realisierte ich die Situation. Irgendjemand musste, während alle Reservatbewohner friedlich schliefen, ein Feuer gelegt haben, welches sich nun rasend schnell ausbreitete.

Eilig nahm ich die Hand meiner kleinen Schwester und rannte mit ihr aus dem Haus. „Wo sind unsere Eltern?", fragte ich sie hektisch. „Das Feuer...es fing dort zuerst an...Als ich da war, da- da war es bereits zu spät... Als ich ankam hat das Feuer sie bereits mit sich gerissen...", erklärte sie wie in Trance. Schockiert sah ich sie an. Es war schlimm genug zu wissen das sie auf schmerzhafte Weise gestorben sind, aber ich konnte mir nicht in entferntester Weise vorstellen wie schlimm es war dabei zu zusehen.

Die Schreie um uns herum wurden gefühlt lauter und lauter, doch diese Hölle schien soweit das Auge reicht keinen Ausweg zu bieten. Ich begann langsam zu husten und auch Alba schien langsam Probleme mit der Luft zu bekommen. Menschen liefen an uns vorbei auf der verzweifelten Suche nach einem Ausweg. Einige rüttelten an dem Zaun der uns umgab, die Schmerzen die dadurch entstanden ignorierend.

Mit einem Mal rannte jemand in mich hinein. „Murida, was tust du hier? Wo warst du?", fragte ich sie aufgebracht und auch besorgt. Dadurch erwachte auch meine Schwester wieder aus ihren Gedanken. Die 5-jährige antwortete: „Ich habe Rauch gerochen und irgendwas gehört. Ich wollte nachsehen und dann habe ich erst nicht zurückgefunden..." „Okay, ihr beiden müsst mir jetzt ganz genau zuhören, klar? Nehmt einen eurer Ärmel und haltet ihn ganz dicht vor euren Mund und eure Nase um den Rauch nicht so einzuatmen!", befahl ich den beiden hustend.

In der Hoffnung doch noch einen Ausweg zu finden, sah ich mich um. Um uns herum brannten die einfach gebauten Holz Häuschen, in denen wir gelebt hatten, lichterloh und der Rauch versperrte uns die Sicht soweit, dass man inzwischen kaum die eigene Hand vor Augen sehen konnte. Man hörte es knacken, die ersten Häuser begannen nun komplett in sich zusammen zu brechen. Die Felder etwas weiter entfernt brannten ebenfalls, schienen aber langsam auszugehen, da man beinahe nur dicke schwarze Rauchwolken aus ihrer Richtung kommen sah. Die wenigen Menschen die eben noch am Zaun standen, schrien verzweifelt um Hilfe, während einige von ihnen lebendig, vor unseren Augen, verbrannten.
Ziellos, mit Murida auf dem Arm und meiner Schwester hinter mir, irrten wir durch die Gegend. Neben uns auf dem Boden, teilweise, die verbrannten Leichen unserer Artgenossen.

Ich hatte fast alle Hoffnung verloren als ich plötzlich eine Stimme rufen hörte: „Schnell, hier her!" So schnell es uns möglich war liefen wir auf die Stimme zu. Je näher wir kamen desto deutlicher erkannte man einen großen muskulösen Jungen, der nicht viel älter als ich sein konnte. „Beeilt euch, wir haben einen Weg herausgefunden!", rief er erneut. Als wir bei ihm ankamen, sah ich, was er meinte. Die Brandstifter mussten einen der Pfähle des Zaunes, neben einem der Felder, angezündet haben, wodurch dieser jetzt total heruntergebrannt war. Auf der anderen Seite des halb herunter gestürzten Zaunes sah ich die Schatten weiterer Personen, leider nicht sehr vieler, die es wohl ebenfalls herausgeschafft haben mussten. Als erstes stieg Alba über die Trümmer des Zaunes, während sie versuchte diese nicht zu berühren, sie waren wie unsere Halsbänder ebenfalls vergiftet. Sobald sie drüben war reichte ich ihr Murida rüber, bevor ich schließlich selbst rüber stieg. Schlussendlich folgte mir der Muskelprotz über die Trümmerteile. Drüben nahm ich die 5-jährige schließlich wieder entgegen. Welche sich erneut fest an mich klammerte.

„Wir sollten uns im Wald verstecken und warten das die Sonne aufgeht, bevor wir uns auf den Weg machen.", meinte eine der Personen. Eine andere meinte: „Und wohin auf den Weg? Wir haben nichts mehr außer uns selbst!" „Wir machen Rast in der Nähe und besprechen morgen in den Morgenstunden wie es weitergeht. Heute Nacht werden wir eh nicht mehr weiterkommen und einige sind sicher noch sehr erschöpft.", beschloss eine der Stimmen, welche sich als die meines besten Freundes Vulpes herausstellte. Auch wenn dieser Moment sichtbar unpassend war, freute ich mich das er ebenfalls hier war. Mit Murida auf dem Arm lief ich also auf ihn zu und umarmte ihn. „Ich bin so froh, dass es dir gut geht.", meinte ich ehrlich. „Und ich erst. Ich bin an eurem Haus vorbeigekommen. Es stand komplett in Flammen. Ich dachte ihr wärt noch darin gewesen als es langsam in sich zusammenfiel.", meinte er sichtlich erleichtert. Als ich mich von ihm löste, rannte Alba das kleine Stück auf ihn zu und sprang ihm in die Arme.

Als kleine Gruppe liefen wir also zum nächstgelegenen Waldrand und ließen uns dort vorerst nieder.
Ich hatte die anderen drei schon öfters bei der Essensausgabe gesehen, doch richtig ins Gespräch gekommen, waren wir noch nie, ich wusste noch nicht mal ihre Namen. Dasselbe galt wahrscheinlich für alle anderen, weshalb wir uns begangen vorzustellen.
„Ich bin Vulpes.", begann er schließlich. „Ich bin Ursida, mein Bruder Lutrin konnte mit mir zusammen fliehen und Lerida haben wir auf dem Weg aufgegabelt.", schloss sich der große muskulöse Typ an. „Ich bin Loidea und das sind meine kleine Schwester Alba und unsere Adoptivschwester Murida.", schloss ich mich ebenfalls an.

„Sind wir alle die entkommen konnten?", fragte meine Schwester schließlich hoffnungsvoll. Die 5-jährige Murida war bereits vor einiger Zeit auf meinem Schoß eingeschlafen. „Ich denke schon. Sollte jemand anderes entkommen sein, werden wir sie momentan eh nicht wiederfinden.", erklärte dieser Lutrin. „Wenn sie schlau sind, werden sie sich möglichst weit vom Reservat entfernen.", fügte Vulpes hinzu. Das andere Mädchen, Lerida, schien auch zu schlafen, jedenfalls hatte sie sich bisher noch kein einziges Mal zu Wort gemeldet. „Hat jemand sowas wie eine Scherbe oder einen anderen scharfen oder spitzen Gegenstand?", fragte Vulpes plötzlich aus dem nichts. Erst dachte ich, keiner könne ihm das geben was er wollte, doch schließlich fischte Lutrin eine mit Ruß beschmierte Scherbe aus seiner Tasche. „Woher hast du die?", fragte Alba neugierig. „Die ist von einem zersplitterten Fenster, ich dachte mir schon, dass ich die noch gebrauchen könnte.", erklärte er, während er sie Vulpes reichte. Dieser wischte sie vorsichtig mit dem Moos vom Waldboden sauber. „Was hast du damit vor?", fragte ich ihn. „Ich schneide die Halsbänder durch.", meinte er nur kurz. Fast hatte ich gedacht, dass er sich dabei aus Versehen in den Hals schnitt, doch es blieb nur ein leichter Kratzer, nachdem er das Stoffband an seinem Hals durchtrennte. Nacheinander reichten wir die Scherbe weiter und wiederholten das Vorgehen bei jedem von uns bis wir schließlich alle dieses widerliche Teil los waren. Lerida wurde dafür extra von Ursida geweckt und bei Murida machte ich das. Ich wollte das Risiko nicht eingehen das sie sich dabei ernsthaft verletzte.

Ich war niedergeschlagen. Niedergeschlagen wegen allem was letzte Nacht passiert war, niedergeschlagen das wir alle, aber insbesondere Murida, das mitansehen mussten. Ich konnte nicht sicher sagen wie es den anderen mit dieser Situation ging aber ich wusste das ich diese Nacht niemals wieder vergessen werde.

„Was für Tiere seid ihr eigentlich?", fragte Alba schließlich neugierig. „Ich bin ein Otter.", antwortete Lutrin selbstbewusst. „Ich bin ein Hase und Ursida ist ein Bär.", fügte Lerida mit einer sanften aber brüchigen Stimme hinzu. Es war das erste Mal das wir ihre Stimme hörten. „Ich bin eine Schleiereule.", meinte Alba stolz. „Murida ist eine Maus, Loidea ist ein Waschbär und Vulpes ist ein Fuchs.", fügte sie hinzu.

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