Chap. 3 - Duschen

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Der Tag verlief wieterhin ziemlich ruhig.
Olivia musste länger bleiben und kümmerte sich darum dass meine Mum einkaufen ging und gesellte sich danach zu mir ins Bett.
Zusammen durchforsteten wir das ganze Onlinesortiment jeglicher Streaming-Dienste und landeten schlussendlich bei einer Serie über Skandinavien.
Die hohen Berge mit ihren tiefen Fjorden und Schluchten beeindruckten mich sehr. Ich würde alles geben um einmal auf einem dieser Berge zu stehen.
Es musste einem ein ungeheuerliches Gefühl von Macht und Größe geben.
An mehr konnte ich mich nicht mehr erinnern.

Weiterhin fest entschlossen meine Medikamente abzusetzen wartete ich ungeduldig auf den perfekten Zeitpunkt um den ersten Schritt zu machen, zudem es sich als überaus schwierig erwies, da durch die längeren Schichten von Olivia, es kaum einen Moment gab in dem ich unbeobachtet war.
Die Albträume wurden immer schlimmer und meine Augenringe immer dunkler.
Mittlerweile schlief ich wenn überhaupt nie mehr als eine Stunde am Tag und dann immer nur im Zehn-Minuten-Takt aus denen ich schweißgebadet aufschreckte. Das schlimmste war dass ich mich nie an das erinnern konnte was ich geträumt hatte, nur das es etwas schreckliches gewesen sein musste und mich in solch eine Panik versetzte, das Olivia mit aller Mühe versuchte mir einzureden dass ich mich noch im hier und jetzt befand, anstatt in dem tiefen schwarzen Loch meiner Traumwelt. Eine gute Eigenschaft hatte Olivia noch an sich: Sie verriet meiner Mum nichts von den Albträumen und dafür war ich ihr mehr als nur dankbar, denn sonst konnte ich bald noch mehr Tabletten schlucken.

Dienstag, der 11 Oktober war der Tag an dem alles irgendwie anfing.
Meine Mum hatte anscheinend nach noch mehr Tabletten verlangt denn es gab mal wieder Rührei zum Frühstück.
Doch der Grund dieses Mal war nicht das ich etwa vergessen hatte meinen Katheter anzuschließen, Nein sie hatte mich auf dem Dach erwischt wo ich mal wieder meine Nacht durchgebracht hatte und aus irgendeinem Grund war sie nochmal hochgekommen, in mein Zimmer und hatte mich auf dem Vordach vorgefunden, worauf sie wirres Zeug von Selbstmordversuch und das ich nicht springen sollte, sie würde mich retten und das sie morgen mit mir zu einem Psychiater fahren würde, von sich gegeben hatte.
Stumm war ich an ihr vorbeigelaufen, hatte mich ins Bett gelegt und hier lag ich jetzt.

Diese Frau machte mich wahnsinnig und ich verstand sie einfach nicht. Was ging in ihrem Kopf vor sich dass sie so kramphaft alles verdrehte und hinter jeder Kleinigkeit das Monster sah?

Meine Mum stand in der Tür und starrte mich an. Ihr Blick war so unheimlich leer und sie erschien mir wie eine leere Hülle, die keine Seele in Besitz genommen hatte. Da war nur noch diese schlaffe Fassade, hinter der sich nichts mehr verbarg.
Sie wandte sich ab mit den Worten: sie müsse Olivia anrufen, dass sie auf mich aufpasste und verließ mein Zimmer.
Innerlich verfluchte ich meinen Bruder das er ihr sowas antun konnte und Gott verfluchte ich gleich mit.

„Warum muss ich dieses Gottverdammte Leben leben? Wer hat dich auf die brillante Idee gebracht dass ich al dass verdiene?"

Schrie ich gegen meine Wand. Das Poster daran starrte mich schweigend an. Darauf zu sehen waren zwei wunderschöne Berge, mit in der Mitte eine tiefe Schlucht durch die sich ein Türkisfarbener Fluss schlängelte. Links und rechts davon standen vereinzelte Bäume und oben auf den Spitzen der Berge lag weißer Schnee. Im Zentrum des Bildes war ein Wasserfall der im licht der Sonne funkelte.
Es war ein so perfektes und märchenhaftes Bild.
Alles schien seinen Platz zu haben in diesem Bild und es schien als könnte diese Ruhe und Perfektion nie gestört werden. Es machte mich wütend. Alles war so perfekt und nichts passierte. Nichts veränderte sich hier! es war viel zu ruhig, viel zu schön um wahr zu sein. Alle gaben immer vor das ihr Leben so perfekt war und in Wirklichkeit war das einfach nur eine dumme Illusion, der wir uns gerne hingaben, weil wir die Wahrheit nicht wahrhaben wollten, denn die Wahrheit war ein mieser Verräter der einem immer dann in den Rücken stach, wenn man glaubte vor ihr sicher zu sein.

Eine halbe Sunde später traf Olivia ein und stellte schweigend meine Medikamente für den heutigen Tag zusammen. Danach entfernte sie meinen Fitbit und stellte den Alarm aus sodass ich duschen konnte, um meinen kalten, angetrockneten Schweiß abzuwaschen.

"10 Minuten."
Ermahnte sie mich, ich nickte und schloss die Badezimmertür.
Auch wenn ich nicht abschließen konnte und durfte, so schaffte dies eine kleine Distanz zwischen Mir und meiner Mum sowie Olivia und der Realität.
Erleichtert stellte ich mich unter die Dusche und ließ das kalte Wasser auf mich drauf prasseln. Ich duschte nie wärmer als 22º Celsius, da ich sonst keine Luft mehr bekam, seitdem ich dieses eine neue Medikament nehmen musste.
Nachdem die Uhr im Bad mir warnend zeigte das ich noch genau drei Minuten hatte bevor ich zurück in meinem Zimmer sein musste, oder Olivia würde reinkommen, stieg ich aus der Dusche und griff nach einem Handtuch.

Bibbernd vor Kälte zog ich mir einen schwarzen Hoodie von meinem Bruder über und stieg in eine ebenfalls schwarze Jogginghose und stellte mich vor den Spiegel.
Schön, war das was mir entgegenblickte, nicht wirklich. Meine Augen waren blutunterlaufen und mein dunkelbraunes Haar kräuselte sich in unbändigen Locken, um mein eingefallenes Gesicht. Meine Arme und Beine waren mehr Streichhölzer als normale Muskeln und da wo andere Mädchen sich vielleicht schon soweit entwickelt hatten, dass sie Körbchengrösse 80c erreichten, reichte es bei mir gerade mal so dafür dass man mich keine 12 mehr einschätzen würde.
Ich griff nach meiner Haarbürste und bemerkte beim kämmen dass mir die Haare aus dem Kopf fielen. Geschockt starrte ich auf das Büschel Haare das ich plötzlich in der Hand hielt.

Mir stachen die Tränen in die Augen. Mein Haar war mit das einzige was ich an mir liebte und sogar das schien ich zu verlieren. Mit den Fingerkuppen fuhr ich über meine Kopfhaut und bemerkte am Hinterkopf eine Stelle, an der es sich so anfühlte als würden da einige Haare fehlen und ein kahler Fleck entstehen. Ich zuckte zurück und verließ das Bad.
Vor der Tür stand Olivia und hielt mir Larry entgegen. stumm legte ich das schwarze Band um meinen Arm, lief an ihr vorbei zu meinem Kleiderschrank und griff mir eine Bordeauxrote Beanie aus der Schublade, die ich schnell aufsetzte und dann in mein Bett kroch.
Olivia schaute mich besorgt an doch ich ließ sie mit einem Blick wissen dass ich nicht reden wollte. Seufzend stellte sie mir eine Plastikschale mit Tabletten hin und ein großes Glas Wasser. Danach verließ sie den Raum und ich ergriff meine Chance...

Midsummer SeasonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt