Folge 1: Verhängnisvolle Nacht

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Es war ein überraschend warmer Freitag Abend, als Tom Röschenberg gerade dabei war, Vlarad dem Vampir beim Einladen seiner magischen Gerätschaften ins neue Labor zu helfen. Dies erforderte viel Vorsicht, denn nicht wenige dieser Apparate und Zutaten hätten beim Zerbrechen das gesamte kostenaufwendige Labor in die Luft gejagt. Zusätzlich mussten sie so leise wie möglich sein, schließlich hatten sie gestern erst auf dem Rummelplatz in Essen aufgebaut. Frank Barthelmann hatte rumgemeckert, dass sie viel zu spät kamen, doch natürlich hatten Tom und seine untoten Freunde innerhalb von einer Nacht mühelos die Geisterbahn aufbauen können. Tom wollte in diesem Moment Vlarad fragen, ob sie nicht doch bitte morgen weitermachen könnten, da schwebte das Geistermädchen Mimi herein. Tom merkte sofort an ihrem Blick, das irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war.
»Tom! Vlarad! Kommt schnell, das müsst ihr euch ansehen! Da hinten im Wald hat irgendwas so rötlich aufgeblitzt und jetzt raucht es da lila!!«
»Was?! Was ist denn da?«, fragte Tom, der direkt in alarmbereitschaft versetzt worden war.
»Du hast es doch gerade gehört, Tom. Mimi hat lediglich das gesehen, was sie uns eben mitgeteilt hat. Wenn der Rauch wirklich violett war, dann würde ich auf einen missglückten Brandzauber tippen... Mimi, ruf sofort die anderen! Wenn es das ist, was ich vermute, dann haben wir ein ernsthaftes Problem!«
Der bleiche Vampir fackelte nicht länger und stürzte nach draußen, jedoch nicht, ohne geschickt allen Umzugskartons auszuweichen.
Auch Mimi und Tom verschwendeten keine Zeit: Tom rannte Vlarad hinterher und griff sich unterwegs noch seine Jacke, das Geistermädchen schaltete unmittelbar ihre Telepathie ein:
»Leute! Wir haben einen Notfall! Versammelt euch so schnell ihr könnt hinter dem Zirkuswagen am Waldrand, beeilt euch!!«
»Schon unterwegs!«, kam es von Dada zurück, und auch Welf und Hop-Tep antworteten. Von Wombie dem Zombie hörte man wie immer nur ein dumpfes Brummen.

Nur wenige Sekunden später standen sechs Untote und ein Mensch vor dem Wald versammelt. Vlarad schaute besorgt auf die hellviolette Rauchfahne, die selbst am dunklen Nachthimmel noch gut zu erkennen war. Kurz bevor Tom dazu kam, zu fragen, was denn nun zu tun sei, schwebte Mimi auch schon entschlossen in die Richtung, von der der Rauch kam. Auch Dada und Vlarad zögerten keine Minute. Tom blickte dem Vampir überrascht hinterher. Einmal, als sie in einen Wald gehen mussten, hatte dieser passen müssen. Der Blutruf der vielen Tiere wäre zu groß gewesen. Doch dann erinnerte er sich an ihr gemeinsames Vollmondabenteuer im Stadtwald bei Toms Oma. Dort schien das ja auch kein großes Problem gewesen zu sein. Seine Gedanken wurden von seinem Onkel Welf unterbrochen, der ihm auf die Schulter klopfte.
»Kommst du, Junge? Auf meinen Rücken.«
»Och nöö, nicht schon wieder! Da wird mir immer so schlecht von!«
»Willst du erst bei Sonnenaufgang ankommen?«
Nun ja, der Werwolf hatte ja Recht. Tom hatte eben keine Superkräfte und wäre alleine ganz sicher nicht schnell genug, um mit den anderen mithalten zu können. Unbeholfen sprang er auf Welfs Rücken. Dieser raste sofort in einem atemberaubenden Tempo den anderen hinterher, die bereits alle von der Finsternis der dicht beieinander stehenden Bäumen verschluckt worden waren.

Etwa nach einer Minute kamen sie an der Quelle des Rauches an. Obwohl Tom noch etwas benebelt von dem holprigen Ritt war, nahm ihn das Bild ziemlich mit. Die Explosion und der Rauch schienen ein Hilferuf gewesen zu sein! Auf dem Boden vor ihnen, keine fünf Schritte entfernt, lag ein Mann. Er war ungefähr Mitte dreißig, jedoch in einem ungeheuerlichen Zustand. Um den Bauch herum hatte sich sein helles Gewand dunkelrot verfärbt und auf dem Boden hatte sich eine Blutlache gebildet. Alarmiert blickte Tom zu Vlarad. Er hatte bereits einmal miterlebt, wie dieser die Kontrolle über sich verlor, und er wollte es kein zweites Mal sehen. Doch Hop-Tep hatte schon reagiert und packte den bleichen Mann von hinten an den Armen. Keine Sekunde zu früh! Man sah Hop-Tep an, das er zu kämpfen hatte.
»Lass mich los, Hop-Tep!!«
»Edler Freund, ich bitte dich, werde dir deiner Selbst bewusst!«
Es sah mühselig aus, doch die ehemalige Mumie schien klarzukommen. Beunruhigt widmete sich Tom dem Magier auf dem Boden, der offenbar im Sterben lag.
»Hallo?! Können Sie mich hören? Sind Sie ansprechbar?«
Auf einmal fühlte sich Tom panisch, er hatte das unangenehme Gefühl, dass diese Gestalt demnächst direkt vor ihnen sterben könnte.
Noch bevor er irgendeine Entscheidung treffen konnte, blickte der Schwerverletzte ihm direkt in die Augen.
»Utrprokpryetaybrstyumutaevyt! Utrprokpryetaybrstyumutaevyt!!«, murmelte er eindringlich.
Plötzlich schien Vlarad sich gefangen zu haben, denn er ergriff nun das Wort.
»Ein durchaus mächtiger Zauber. Dennoch haben Sie Glück, wenn er überhaupt wirkt, schließlich haben Sie bei taevit das V wie ein F ausgesprochen.«
»Vlarad! Der arme Typ liegt hier im Sterben und du feilst an seiner Betonung, das ist doch- ähm, Tom, atmet der noch?«
Man hörte Mimi definitiv die Nervosität an. Tom wollte nichts weniger, als den potenziellen Toten anzufassen, doch Welf war ihm zuvor gekommen und fühlte den Puls.
»Tja,« setzte er an, »Falls er gerade noch gelebt hat, tut er das jetzt nicht mehr.«
Bevor Tom irgendwas denken oder tun konnte, geschah etwas merkwürdiges:
Grelle Blitze zuckten zwischen den Bewohnern der Geisterbahn, sie mussten die Augen schließen. Als sie sie wieder öffneten, sah es aus wie zuvor - nur sie selbst waren irgendwie... anders. Vlarad fand als erstes seine Sprache wieder.
»Es scheint, als hätte der Zauber trotz mieserabler Aussprache funktioniert. Dann stecken wir hiermit offiziell in den größten Schwierigkeiten.«

Ghostsitter Staffel 7,5Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt