48 Tage vorher.

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You never know what could be waiting outside.

Wir gehen wieder nicht in den Zoo. Ich habe mir verkniffen etwas zu sagen. Ich habe einfach geschwiegen. Irgendwie ist es auch mein Wunsch, weil es Johns Wunsch ist. Ich arbeite wieder. Zwischendurch nehme ich mir immer wieder ein Extrablatt, weil ich eine neue Idee für mein Buch habe. Gestern habe ich John den neusten Teil vorgelesen. Ich bin noch nich einmal bei der Hälfte. Ich brauche immer lange, bis ich damit zufrieden bin, was ich geschrieben habe. Aber das macht ja nichts. Ich habe keinen Druck. Deshalb schreibe ich so gerne. Weil keiner es unbedingt lesen will. Es gibt keinen Abgabetermin. Es gibt keinen, der mir sagt, wie ich schreiben soll und über was. Ausserdem befreit es mich. Ich kann niederschreiben, was mich bedrückt und es geht mir gleich viel besser. Wenn das dann auch noch schön zu lesen ist, kann ich es in meine Geschichte aufnehmen. Ich bin ganz vertieft in meine Gedanken, dass ich gar nicht merke, wie Jana sich neben mich setzt und auf mein Blatt linst. Sie lacht auf und ich schrecke hoch. Dann zerre ich das Baltt weg und drehe es um. "Du schreibst?", lacht sie etwas zu laut. "Was? Ein Buch?", fragt sie weiter. Ich schaue sie mit einem Killerblick an. "Lass mich.", sage ich und widme mich wieder meiner Arbeit für die Schule. Sie kichert und steht dann auf.

Ich habe mich mit Ben verabredet. Wir gehen zu Freunden von ihm. Manche kenne ich, sie gehen bei mir auf die Schule, andere aber habe ich noch nie gesehen oder nicht einmal den Namen gehört. Egal. Wird bestimmt lustig. "Ich gehe. Bin heute Abend wieder da.", sage ich und stehe auf. Meine Mutter schaut mich an, dann geht ihr Blick zu John, der auf dem Boden hockt und am Nintendo zockt. Mahnend schaue ich sie an. Heute will ich mal alleine sein und ihn nicht an der Backe haben. Ich weiß, sie hat Angst, ihn bei sich zu haben, sich kann nicht gut mit ihm umgehen. Es ist traurig, sie kennt ihn kaum. Dann nickt sie vorsichtig und ihr einer Mundwinkel hebt sich ein wenig. Als ich die Tür gerade hinter mir schließen will, ruft John mich nocheinmal. "Jonah, wohin gehst du?" "Zu Freunden. Du bleibst hier bei Mum okay?", das war eher ein Befehl. "Sei brav.", sage ich noch. Dann verlasse ich das Haus. Ich bin eigentlich erst für drei verabredet. Jetzt ist es zwölf.

Ich warte auf Ben. Er sagt er sei gleich fertig. Ich stehe in seinem Haus im Flur. Es scheint niemand von seiner Familie da zu sein. Ben ist noch oben. Er meint er hätte Probleme mit seinen Haaren. Er ist ja schon eitel, aber manchmal übertreibt er es. "Mann, jetzt komm schon runter!", rufe ich genervt. Wir kommen zu spät. "Oh Gott, so kann ich doch nicht gehen!", ruft er verzweifelt. "Ach komm schon so schlimm kann es gar nicht sein! Jetzt mach schon!", sage ich laut und klopfe ungeduldig mit den Fingern auf der Türklinke. Ben streckt den Kopf um die Ecke und ich schaue die Treppe hinauf. "Okay. Das geht gar nicht.", sage ich dann. Seine sonst schwarz glänzenden Haare haben einen grün Schimmer an manchen Stellen und vorne hängt eine neongrüne Sträne in die Stirn. Er schaut mich erledigt an. Ich kann nicht anders. Ich lache. Ich lache so arg, dass ich halb auf dem Boden liege und ich mir die Tränen aus dem Gesicht wischen muss. "Wieso?", frage ich ihn dann, als ich mich wieder einigermaßen im Griff habe. Ben weiß nicht genau, ob er sein Missgeschick lustig oder traurig sehen soll und lacht mit einer Mischung aus lachen und weinen. "Keine Ahnung. Ich wollte mal was anderes probieren... Is aber ganz schön in die Hose gegangen.", sagt er Schulter zuckend. Ich nicke heftig mit dem Kopf und verziehe das Gesicht. "Und jetzt? So kann ich doch nicht da hin gehen.", jammert er. Ich muss mir einen weiteren Lachanfall verkneifen. Stattdessen nehme ich eine Mütze von dem Jackenständer und setzte sie ihm auf. "Besser." Ich klopfe ihm auf den Rücken. "Dann mal los. Wir sind schon eine halbe Stunde zu spät." Ich scheuche ihn zum Auto und muss wieder lachen, als ich ihm eine grüne Haarsträne unter die Müzte stopfe.

Ich fahre schnell durch die Stadt. Es ist nicht viel los. Sonntags ist nie so viel los. Ben zeigt mir den Weg und nach zehn Minuten sind wir da. Ein ganz normales Einfamilienhaus. Hier wohnt Erik. Es stehen ein paar Autos vor seinem Haus. Es scheinen doch mehrere Leute da zu sein. Wir steigen aus und klingeln. Erik öffnet die Tür. "Ach da seid ihr ja! Seid ganz schön spät. Kommt rein. Is volle Bude... dachte nicht, dass so viele kommen.", begrüßt er uns mit Handschlag. Wir betreten das Haus. Es waren zehn Leute oder vielleicht sogar zwanzig da. Ich bin nicht gut im schätzen. Es könnten sogar dreißig sein. Ich werde hier und da angesprochen und begrüßt, aber die Hälfte der Leute hier kenne ich gar nicht.

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