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Schritte auf den Stufen, das Klingeln des Schlüsselbunds, der Schlüssel der sich nun im Schloss unserer Tür drehte und klack, das Schloss war offen. Dies war der Moment in dem wir uns kerzengerade aufsetzten und noch ganz benommen in Rekordzeit versuchten unsere Klamotten zu glätten und Henry vergeblich dabei war, sein komplett zerzaustes Haar ein wenig zu bändigen, was dann vermutlich mein Werk war (Mal abgesehen von seinen unzähligen Haarwirbeln, die es ihm sowieso schon unmöglich machten, seine Haare normal aussehen zu lassen).
Es war Florence. Ich hasste sie.
>>Guckt nicht so wie zwei verschreckte Erdmännchen! Ich hole bloß einen Topf und dann verschwinde ich wieder.<< Na sie hatte gut reden. Ich war immer noch in meiner Art Trance und ich hielt für möglich, dass es Henry ähnlich ging. Sie ging in die Küche, wühlte kurz in unseren Kochutensilien und kam wieder raus mit einem Topf, so groß, dass mein Schulranzen mit all meinen Lehrbüchern locker reinpassen würde.
Sie schaute zu uns und sagte dann auf eine angsteinflößenden Art und Weise wie es nur Florence konnte: >>Ach übrigens, Liv?<< Ich schaute sie jetzt ebenfalls an, denn ihre Stimme verhieß echt nichts gutes >>Ja?<< fragte ich zögerlich. >>Granny möchte dich morgen gerne bei ihr zu Hause sehen.<< Ihre Augen blitzen vor Belustigung bei diesen Worten. >>Und du sollst Henry mitbringen<< mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen schaute sie mit sehr bedeutungsschweren Blicken zwischen uns her und verschwand dann wieder aus der Tür.
Ich hasse sie. Ich hasse sie. Ich hasse sie.
Was sollte das denn jetzt wieder bedeuten? Was hatte ich diesmal falsch gemacht? Das Bocker wollte mich freiwillig sprechen? Das ist exakt genauso, als würde man einer Maus eine Einladung für die Geburtstagsparty eines Uhus geben und sagen „Keine Angst, der Uhu wird dich nicht fressen."
Selbst Henry sah verwundert aus. Und wenn Henry verwundert ist, ist das immer ein schlechtes Zeichen. Da bin ich mir sicher. Was sollte ich jetzt tun? Henry nach Hause schicken? Einfach da weiter machen, wo wir aufgehört hatten?
Ich entschied mich für ersteres. Ich sagte ihm, er soll am besten durchschlafen, um den Besuch bei dem Bocker zu überstehen. Doch seit wann macht Henry, das was ich sage? Bzw. seit wann meine ich das, was ich sage?

Wir traten fast zur selben Zeit in den Korridor und ich konnte nicht anders als zu lächeln. Auch wenn Grayson immer noch der Meinung blieb, dass das, was wir hier machten einfach nicht richtig war und gegen jede logisch moralische Vernunft stieß, konnten wir es einfach nicht lassen. Ich meine, wozu auch? Es war doch geschenkte Zeit und wenn wir je eine Fernbeziehung führen müssten, gab es ja wohl keinen besseren Weg als dieser.
Es war mein gewohnter Nachtablauf. Wir trafen zusammen, verwandelten uns in niedliche kleine Jaguarkätzchen und marschierten durch die Gänge, bis wir zu irgendeiner Tür kam, die uns gefiel und die wir kannten, um uns in deren Traum nieder zu lassen um...naja...persönliche Zweisamkeit zu genießen, wenn man es denn so ausdrücken will. Ich tendierte inzwischen beinahe dazu die Nacht als meine Lieblingszeit zu bezeichnen, doch auch nur beinahe. Denn auch obwohl wir in der Nacht viel mehr Zeit füreinander hatten, als am Tag, fühlten sich unsere Küsse und Zärtlichkeiten in der Realtität noch so viel schöner an, als nur im Traum.

Wir liefen also nebeneinander durch den Korridor, schauten uns durch unsere Raubkatzenaugen wie zwei verliebte Schafe an und ließen die Zeit dahin rinnen.
Wir kamen an Muriels gelben Tür vorbei, stockten ein wenig, da wir immer noch in der Angst lebten, Arthur könnte einen Weg finden uns erneut zu schikanieren und führten unser Machen wieder fort. Es war schön wie eh und je, keine Annabel, kein Arthur, kein Senatortod, nur Henry und Ich...
Wir waren an Amys Tür angelangt. Unser persönlicher Stammplatz. Inzwischen hatte ich auch einen Gegenstand von Amy, doch der war völlig überflüssig, da ich ja immer mit Henry hier war und ich nicht wüsste, was ich hier sonst machen sollte.
Wir verwandelten uns wieder in unsere Menschengestalt. Dazu hübschte ich mich unauffällig noch ein bisschen auf indem ich ein enges T-shirt mit tiefem Ausschnitt in einem bonbon-farbenden Pink anzog und schnell noch ein passendes Make-Up dazu auflegte. Dies gelang mir inzwischen so schnell, dass die Wirkung beinahe eintraf, bevor ich überhaupt zu Ende gedacht hatte. Dann traten wir ein.
Es war anders. Es war nicht so bunt und nicht so pink. Keine Einhörner. Keine Feen.
Nicht, dass es ein bedrohlicher Traum war. Im Gegenteil. Es war sehr friedlich und sehr ruhig. Aber alles ohne die kitschige Musik und überhaupt alles ohne den ganzen Kitsch. Die Kulisse des Traums war dunkel, beinahe romantisch, eine Straße. Links und rechts beleuchtet von Straßenlaternen, darunter grün gestrichene Holzbänke. Es war eine Straße hier aus London, allerdings eine von denen, die sonst voll von besoffenen Männern sind und die von komischen Leuten nur so wimmeln. Und doch war sie in diesem Moment vollkommen still und ohne jegliche Gefahr. Ich fand, es war ein schöner Traum, aber es erinnerte mich an Henrys Mutter und ich denke mal, dass auch das der Auslöser für diesen Traum war: Ihre Mutter. Und auch Henry schien das ähnlich einzuschätzen.
Er nahm mich an die Hand und führte mich zur nächsten Bank. Er war sehr darauf bedacht zu lächeln und erpicht, möglichst irgendein Thema anzusprechen. Er nahm das Erstbeste. Das Bocker. Oh mann. War ja klar.
An seiner Stimme erkannte ich, dass auch ihm die Sache mit dem Bocker nicht einleuchtete: >>Nun, sollen wir morgen auch Marmelade kochen oder hast du wieder einen Baum abgeholzt, ohne dass du mir davon erzählt hast? Und was hab ich damit zu tun?<< Er schaute mich mit seiner hochgezogenen Augenbraue immer noch lächelnd an. Sehr witzig. >>Nein, ich habe alle Bäume am Leben gelassen und außerdem müsste Mia sonst auch mit. Ich hab keinen blassen Schimmer, warum wir zu dem Bocker sollen.<< erwiderte ich. Das war mein voller Ernst. Ich wüsste wirklich selbst gerne, was ich, oder wir verbrochen haben. >>Dann müssen wir wohl abwarten und es wohl oder übel morgen rausfinden.<<
Ja. Wahrscheinlich war das so. Tschüss Leben! Das wars dann wohl...

Die Frühjahrsferien - SilberWo Geschichten leben. Entdecke jetzt