Der übrig gebliebene Wald lauscht aufmerksam der Unheil verkündenden Stille. Nichts rührt sich mehr. Kein Vogel singt, kein Fuchs bellt und kein Schwein grunzt.
Es ist die Ruhe vor dem Sturm. Noch nie hat sich der Wald so düster und bedrohlich angefühlt. Das was er einst Zuhause nannte, erstickt im Rauch der Verzweiflung.
Erons Herz zieht sich zusammen. Aus Kummer und auch aus Hass. Er kann es nicht mehr zurück halten. Er hat dem Flehen seiner Familie nachgegeben und sich dem puren, grenzenlosen Hass verschrieben. Er ist und bleibt ein Wolf und somit kann er seine Gefühle nicht beherrschen.
Selbst wenn er zu seinem menschlichen selbst zurück kehren wollte, er könnte es nicht. Er kann nach wie vor die Gestalt eines Mannes annehmen, aber nicht die Gefühle eines Menschen haben. Alles wird von dem Tier in ihm unterdrückt.
Selbst seine Gefühle für dieses Mädchen.
Nach Luis Tod hatte er beschlossen nicht mehr so aggressiv zu handeln. Er hat es so sehr bereut. Er hat für einen Moment sogar darüber nachgedacht seine Vorsätze in den Wind zu schießen und als Mensch bei Nisha zu bleiben. Er wollte nicht mehr zwischen den Stühlen stehen.
Doch nun kann er sich nicht mehr an die Gefühle erinnern, die er für sie unterdrückt hat.
Sie ist der erste und einzige Mensch, der es wagt einen Wolf zu lieben - einen Gestaltwandler. Damit hat sie ihm Mut und Hoffnung gegeben.
Auch davon spürt er jetzt nichts mehr.
Deshalb bleibt er ausdruckslos mit verschränkten Armen auf der Wiese stehen, als sie sich ihm nähert. Seine gesamte Ausstrahlung soll ablehnend sein.
Ihre Augen stehen voller Sorge. Was erhofft sie sich durch dieses Treffen? Etwa dass sie ihn umstimmen kann?
„Spar dir die Worte, Nisha", sagt er belehrend und hofft sie damit loswerden zu können.
„Ich will dich nicht aufhalten, Eron. Ich will dich bloß warnen. Lass die Vergangenheit sich nicht wiederholen. Sie haben Waffen, gegen die seid ihr Bewohner des Waldes machtlos. Ich kann euren Zorn verstehen und es muss etwas geschehen, um Lambert aufzuhalten. Doch würde ich es nicht ertragen, wenn du blind in dein Verderben rennst."
„Das ist sehr aufmerksam von dir. Ich kenne die Waffen mit denen sie uns angreifen werden. Ich weiß auch wie man sie bekämpft, sei also unbesorgt."
„Ich mache mir aber Sorgen!", ruft sie erregt und tritt näher an ihn heran.
„Muss es denn wirklich Krieg geben? Gibt es keinen anderen Weg?"
Eron schüttelt den dunklen Kopf und zerstört damit all ihre Hoffnung.
„Sie haben unser Zuhause zerstört, unsere Freunde getötet und den Lebensbaum vernichtet. Mein Bruder ist vor meinen Augen gestorben...", sagt er ebenfalls aufgebracht.
„Sag mir, Nisha, wie viele von uns müssen noch sterben, damit wir uns endlich wehren dürfen?"
„Es werden bei diesem Kampf noch mehr von euch sterben."
„Solange Lambert mit uns stirbt, ist uns das gleich. Solange er hier wütet, wird sich der Wald niemals erholen."
Sie bleibt einen Augenblick still, sieht ihn hilflos an. Sie möchte helfen und ist machtlos. Sie hat Angst, das sieht Eron.
„Und wenn ich mit euch kämpfe?"
Das hat er nun überhaupt nicht erwartet. Verdutzt sieht er Nisha an.
„Das würde bedeuten eine Seite zu wählen."
„Das habe ich doch längst, Eron."
„Ich kann nicht von dir verlangen gegen deine eigene Spezies zu kämpfen. Glaub mir, ich weiß wie grausam das sein kann."
„Eron..."
Nisha stellt sich direkt vor ihn und schaut ihm eindringlich in die Augen.
„Ich will nicht einfach nur zusehen. Ich will...dich nicht verlieren."
Vor kurzem hätten ihre Worte ihn noch bewegt und etwas in ihm ausgelöst, doch nun bleibt nur noch Hass in ihm übrig.
„Tu was du nicht lassen kannst, Nisha. Doch beschwer dich hinterher nicht bei mir. Ich werde niemanden mehr verschonen, der sich mir in den Weg stellt."
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ERON
ФэнтезиAllmende - eine Kleinstadt am Rande eines düsteren Waldes gelegen - birgt ein großes Geheimnis. Die Menschen wissen nicht, dass außer ihnen noch andere Wesen jenseits ihrer Felder leben. Es lauert etwas im Wald. Das ahnt auch die neunundzwanzigjähr...
