Kapitel 1a

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Sofia sah aus dem Fenster und beobachtete die Menschen draußen. Man hätte auf den ersten Blick vielleicht gesagt, es sei ein ganz normaler Tag in Moskau: Jugendliche besoffen sich zu früher Abendstunde, ein Mann verschwand die Rolltreppen hinunter zur Metro, ein Auto rollte vorbei. Doch das war es nicht, ohne Zweifel. Die monotonen Blockbauten, die sich bis zum Horizont erstrecken, waren von der Abendsonne in feuerrotes Licht getaucht, und die Streifenwolken sahen aus wie klaffende Wunden, die ein Löwe in den Himmel gekratzt haben könnte.

Sie verließ ihren Fensterplatz im 7. Stock und ließ sich auf ihr Sofa fallen. Das Zimmer glitzerte wie Abendgold, und sie war mittendrin und fühlte nichts als Langeweile und eine seltsame Unruhe, wie in einer Trance aus dem Fenster starrend.

Sofias Mutter rief aus der Küche ihren Namen und brachte sie in die Realität zurück.

Sie stand auf, kickte eine Schachtel mit sortierter Schminke auf dem Boden aus dem Weg, und verließ ihr kleines Zimmer.

„Was ist?"

Sofia blickte geradewegs in die Augen ihrer Mutter, die am Herd hinter dem Tisch stand. Eljena war eine bemerkenswerte Frau. Sie erstrahlte neben ihrem Mann, durchbrach die soziale Struktur in jeder Hinsicht, machte dem Patriarchat jeden Tag eine Kampfansage, und war wie auch immer man es nahm perfekt und zum Kotzen. Ihre Lebensaufgabe war, ihr Leben für eine Waffenfirma aufzugeben. Sie zählte die Waffen mit Computern, brachte sie dahin, hierhin, dorthin, mit Lastwägen, per Flugzeug, und lebte von der Anerkennung des Präsidenten höchstpersönlich.

Die einzige Tatsache, die die Ehe ihrer Eltern, die Ehe zwischen Eljena und Vladimir, zusammenhielt, war Sofia. Die einzige Tochter, die sie blieb, obwohl etliche Versuche unternommen worden waren, ein Geschwisterkind hinterher zu schicken.

„Dein Vater."

Vladimir verschrieb sich der Armee, nachdem sein Vater ihn dazu gedrängt hatte, so wie der Vater vor ihm, und der Vater vor ihm, und wer weiß wie viele Väter vor ihm noch. Er war, wie seine Väter vor ihm, Armeegeneral, und verdammt stolz darauf.

In diesem Moment legte er seine dunkle, alte Stirn in Falten, zog eine grimmige Grimasse und seufzte tief und von großer Bedeutung. Seine steinernen Lippen öffneten sich einen spaltbreit, und er begann zu sprechen:

„Ich habe dich bei der Junarmija angemeldet."

Sofia war fassungslos. Eine Frechheit. Ganz bestimmt nicht!, dachte sie. Sie füllte ihre Lungen mit nach alten Tomaten und Kohl riechender Luft, um bei ihrem Widerstand einen angemessenen Ton anzuschlagen, niemals würde sie diesem Gehirnwaschverein unterwerfen! Doch ihr Vater erhob, geschmeidig wie ein Tiger, die rechte Hand, und gebot ihr, zu schweigen.

„Du bist allein deswegen eine Schande für mich, da du nicht eher schon dort angemeldet warst, als es mit acht schon gewünscht gewesen wäre. Was denkst du, was meine Kollegen denken, wenn ich ihnen, kaum ebenbürtig, in die Augen sehe? Da sich mein Kind weigert, unserer guten Mutter einen dankbaren Dienst zu erweisen und tapfer mit den anderen Jugendlichen etwas fürs Leben zu lernen?"

„Ich...-"

Vladimir hatte sich immer einen Sohn gewünscht, um der Vater zu sein, der sein eigener Vater für ihn selbst gewesen ist. Sofia war sich zu hundert Prozent sicher, dass sich dieser Fakt direkt in ihrer Erziehung widerspiegelte.

Du bist mit 13 mehr als alt genug, endlich mal etwas sinnvolles in deinem Leben zu tun und mir wenigstens auf diese Weise all die Mühen zurückzuzahlen, die für dich aufgewandt wurden."

Sofias Gesicht wurde plötzlich hart wie Stein, ihre Zähne drohten fast, unter dem Druck ihrer Kiefermuskulatur zu zerbersten, zumindest fühlte es sich so an.

SofiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt