Kapitel 2

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Es war ein dunkler Wintertag.

Dimitri zog sich die Decke tiefer ins Gesicht. Jetzt wird es spannend, dachte er. Anastasia hob die Hand mit dem geladenen Revolver und zielte in die Glut des Lagerfeuers.

„Ana, lass den Scheiß. Du gehst mir grad so dermaßen auf den Sack mit deinen ständigen Nörgeleien."

Sergej hob, als er das sagte, gähnend aber enerviert den Kopf. Er saß auf der anderen Seite der Feuerstelle Dimitri gegenüber und kratzte mit den Fingerkuppen am Beton unter ihnen.

Kurze Zeit später stand er gebückt, aufgrund der für ihn zu niedrigen Deckenhöhe, direkt neben Ana und legte ihr eine seiner starken, kantigen Hände auf die Waffe. Sergejs Gesicht sah aus wie ein lieblicher Dämon im Licht der Glut, seine Zähne knirschten unter seinem von Staub dunklen Gesicht, seine Augen funkelten dominant über den Lauf der Waffe hinaus und dann Ana direkt ins Gesicht. Dimitri schaute nun mehr gerade so über den Deckensaum hinweg, als eintrat, was eintreten musste. Anastasia feuerte trotzdem, mit einem lauten, ekstatischen Schrei, die Glut versprengte sich in alle Richtungen.

Dimitri kroch langsam unter der Decke hervor, die nun von kleinen versengten Löchern durchbohrt worden war. Es roch nach verbranntem Plastik und Gras, und nach totaler Finsternis, als die letzte verbleibende Glut langsam kalt wurde.

Sergej riss Anastasia kurz nach dem Schuss die Waffe aus der Hand, stellte ihr ein Bein und stieß sie darüber mit einem präzisen Ellenbogenschlag zu Boden. Anastasia landete mit den Händen zuerst, und ein kleines Kohlestück Glut verbrannte ihr den Daumen.

„Du spinnst total, du faschistischer Bastard!"

Sergej zuckte kurz zusammen, und als Dimitri verwundert aufsah, und sich fragte, wieso, sah er, dass Sergej anfing zu lachen, und mit theatralisch erhobenen Händen nach draußen tänzelte, aber nicht, ohne sich zu bücken und sich an einem der von der Kugel weg geschleuderten Glutstücken eine Zigarette anzuzünden.

Anastasia war gleich wieder auf den Beinen und stiefelte auf ihren Bruder zu, setzte sich zu ihm. Dimitri lächelte und rückte etwas näher heran.

„Wie viel Geld hast du heute gekriegt?"

Dimitri kramte in den Hosentaschen seiner Cargo-Hose, zog sechs violette Scheine heraus, und reichte sie seiner Schwester.

„Sehr gut."

Sie steckte das Geld ein, küsste Dimitri auf den Kopf, und grinste schief. Dimitri lief ein kalter Schauer über den Rücken bei ihrem Anblick, und er zog zaghaft die Mundwinkel nach oben.

„Wie war dein Tag?"

Anastasia schwieg zunächst, dann schrie sie:

„Ej, Puschkin, mach jetzt nicht auf beleidigt und komm wieder her."

Sergej streckte den Kopf durch den türlosen Türrahmen und kam dann wieder hinein, durch das Loch in der Decke wurde er von der sich hinter eiskalten Wolkenbergen versteckenden Nachmittagssonne beleuchtet und sah total mystisch aus. Anastasia streckte die Hände zu ihm nach oben, die Sergej dankend ergriff, sie daran zu sich nach oben zog und sanft in den Arm nahm. Dimitri lächelte gequält hoch zu den Beiden und nahm etwas Abstand, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Er hörte, wie Anastasia geküsst wurde, und fühlte sich dabei als hätte man ihn mit dem Kopf voraus ins öffentliche Klo am Hauptbahnhof gesteckt.

„Wollen wir heute noch was tun?"

Er öffnete die Augen. „Wir sollten was zu Essen auftreiben, bevor die Läden schließen."

Sergej ließ zögerlich von Anastasia ab, und Anastasia nickte nachdenklich.

„An was hast du gedacht?"

SofiaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt