25| Trugbild der Kapitulation

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Kapitel 25|
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Mein Herz schlug.

Träge. Schwach. Aber es schlug. Und mit jedem Schlag drang das goldene Licht weiter in mich und ließ die Wut und den Schmerz ein Stück weiter verschwinden. Sie erblassten mit der Schwärze, die sich keine Minute zuvor durch meine Adern gefressen hatte. Stumm sah ich ihn ihr Gesicht. Jegliche Gedanken waren mit einem Schlag aus meinem Kopf gewichen.

Schwach bekam ich mit, wie ich zurück ins Haus gezogen wurde. Starke Arme griffen um meine Taille, lösten die tröstende Umarmung der Frau ab. Kälte durchzog mich, linderte das Brennen. Die Flammen, die sich in jeden Winkel meines Körpers ausgebreitete hatten.

Ich hörte ihn. Seine tiefe Stimme grollte in meiner Brust nach. Vibrierte durch mich hindurch. Doch kein Wort kam an den drängenden Klängen in meinen Ohren vorbei.

Sie musste tot sein.

Sie hatten sie getötet. Hatten sie wegen mir hingerichtet.

Ein Wimmer entfuhr mir. Sein Griff verstärkte sich.

»Du bist sicher. Dir ist nichts geschehen.«

Es waren nur Worte. Einfache Worte, die mich beruhigen sollten. Ein paar sinnlose Worte, die träge durch meinen Kopf schwangen wie Raben ihre Flügel durch die Luft. Es lag mir auf der Zunge, die Wahrheit.

Ich werde niemals sicher sein.

Doch kein Ton verließ meinen Mund. Wie sollte ich es ihm sagen? Wie könnte er es jemals verstehen? Mein Schicksal hatte sich schon vor meiner Geburt unwiderruflich in mein Blut gebrannt. Mein Schicksal war der Grund, weswegen Anna bestraft wurde. Weswegen sie hatte sterben müssen.

Ich hatte es gesehen. Hatte sie sterben sehen. Wie konnte sie vor mir stehen?

Meine Knie zitterten. Sie standen kurz davor einfach nachzugeben und zusammenzuklappen. Es waren einzig seine Arme, die mich noch aufrecht hielten. Seine Arme und der sanfte Blick einer Hexe, deren Tod ich auf meinen Gewissen getragen hatte.

Eine weiche Hand schloss sich um meine verkrampften Finger, löste ihren schmerzhaften Griff. Der Nebel vor meinen Augen verschwand mit dem Brennen aus meinem Körper.

Ich saß in Livs Wohnzimmer, umringt von einem Dutzend Wölfen, die sich neugierig an den Wänden verteilten. Die wenigen Stühle waren besetzt, doch keiner machte Anstalt, sich auf den freien Platz neben mir und Anna zu setzen. Wir saßen auf der Couch, auf der ich wenige Stunden zuvor schon von Livs gelogenem Tod erfahren hatte. Ihre Blicke zuckten wieder und wieder zu uns, doch sie blieben, wo sie waren. Hielten sich von uns fern. Von mir.

Meine schwachen Finger fanden den Ring. Er war noch immer warm, angeheizt von der vergangenen Gefahr der schwarzen Magie. Er hatte Darcy abgeschirmt, hatte sie vor meiner Dummheit bewahrt – genau so, wie ich es gewollt hatte. Als jedoch meine Finger das schwere Silber anhoben, schoss stechender Schmerz von meinem Schlüsselbein aus in meinen Körper. Ohne hinzusehen wusste ich, was geschehen war: er hatte mir dieselbe Brandwunde zugefügt, wie jedem zuvor, der ihn unbefugt berührt hatte. Er hatte die schwarze Magie von der Elfe ferngehalten, mich aber genauso bestraft wie jeden anderen auch.

Wie von selbst fiel mein Blick auf Emmet.

In seinem Gesicht spiegelten sich mehrere Gefühle wider, doch das stärkste war wohl Erleichterung. Seine Augen wanderten mehrmals über mich, auf der Suche nach irgendetwas. Erst als ich das leise Senken seiner Schultern sah, begriff ich: er hatte nach Verletzungen gesucht. Nach möglichen Schmerzen, die ich noch haben könnte.

Moonchild  - Entfesselte DunkelheitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt