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Jocelyn

Es ist Wochenende und ich nutze das heiße Wetter, um mich erneut mit Peppers auf den Weg zum Waldteich zu machen. Zuvor bücke ich mich zu ihr hinunter und hebe drohend einen Zeigefinger. „Süße, du bleibst ja bei mir und läufst nicht wieder davon. Verstanden?"

Als könnte sie mich verstehen, leckt sie über meine Finger und hechelt mit offenen Maul, als würde sie kichern. Das muss reichen. Ich bringe es nicht über mich, sie an eine Leine zu legen. Nicht nach ihrer Zeit im Tierheim. Gemeinsam spazieren wir die Straße entlang, bis uns endlich die Schatten der Meter hohen Bäume umfangen. Mit einem Finger wische ich mir den Schweiß von der Stirn. Die Sommer in Georgia sind nicht ohne und können locker mit der tropischen Hitze oder den anderen Südstaaten mithalten. Zumindest vermute ich das. Aus dem Augenwinkel bemerke ich, wie Peppers die Ohren spitzt, als würde sie ein Geräusch hören. Eine Sekunde später schießt sie nach vorne, eine Sekunde schneller als ich reagieren kann. Seufzend eile ich ihr hinterher. Weniger beunruhigt als beim letzten Mal, da in dieser Richtung bloß der Teich liegt, in den sie vermutlich so schnell wie möglich springen wird. Mit schnellen Schritten folge ich ihr dem gewundenen Pfad, bis ich den See beinahe erreicht habe. Dann halte ich erstarrt inne. Aus dem kühlen Nass steigt eine Gestalt, die mir allzu vertraut ist, da ich die letzten Tage neben ihr gearbeitet und versucht habe, sie zu ignorieren. Nicht auf das einnehmende Gesicht oder die ausgeprägten Muskeln, gezeugt von harter Arbeit, zu achten. Das kann ich nun nicht mehr. Als ich Ethan dabei beobachte, wie er aus dem Wasser steigt, wird mein Mund ganz trocken. Feuchtigkeit schimmert auf seiner gebräunten Haut, die jeden Muskel noch stärker betont und mich wünschen lässt, die nassen Spuren mit der Zunge entlang zu fahren. Über die breite Brust, die fein gemeißelten Bauchmuskeln bis hinunter zu dem einladenden V, das unter seiner Badeshorts verschwindet. Verfluchter Kuckuck!

Wärme prickelt von meiner zugeschnürten Kehle, über meine harten Brustwarzen den flauen Bauch bis zwischen meine Beine hinunter. Dort verharrt sie, reizt mich, lockt mich, während meine Augen Ethan verschlingen. Ich beiße mir auf die Lippen, um ein Seufzen zu unterdrücken. Das hier ist besser als das eine Mal, als ich aus Neugierde im Internet Pornos ausprobiert habe. Man möge mich als unerfahren oder hinterwäldlerisch bezeichnen, aber es kann mir niemand vorwerfen, dass ich die Dinge nicht zumindest ausprobiere. Das hier ist jedoch hundert Mal besser.

Ethan schüttelt den Kopf aus und Wasserspritzer verteilen sich in der Luft, was Peppers begeistert hüpfen und bellen lässt. Diese Verräterin muss ihn gewittert haben und deshalb schnurstracks hierher gelaufen sein. Irgendetwas an ihm muss sie faszinieren. Ich habe nicht ihre empfindliche Hundenase, aber sein Anblick würde mir reichen, um mich magnetisch anzuziehen. Zumindest wenn ich mich nicht vehement dagegen wehren würde. Aber gegen Starren ist doch nichts einzuwenden, oder? Ethan lacht laut auf und redet auf Peppers ein, was den sexuellen Bann löst und mir wieder zu einem klaren Kopf verhilft. Er ist mein Boss, egal wie gut er aussieht und wie nett zu mir ist. Trotz meiner Reserviertheit ihm gegenüber. So viele Monate habe ich es ohne Mann gemeistert, da kann ich es genauso weiterhin. Ich stehe auf meinen eigenen Beinen. Und ich werde von niemandem schief angesehen, wenn er die Wahrheit über mich erfährt. Nein, ich brauche dieses in Muskeln verpackte Sexpaket nicht. Mein Kopf hört auf meine Worte, nun muss nur noch der Rest meines erhitzten Körpers folgen.

„Hey, Jocelyn", ruft Ethan mit seiner warmen Stimme, nachdem er mich entdeckt hat. „Dachte mir schon, dass du nicht weit sein kannst. Zumindest habe ich gehofft, dass Peppers nicht wieder alleine losgezogen ist."

Sein Lächeln ist strahlend und einladend. Ganz automatisch bewegen sich meine Beine und ich nähere mich ihm. Wie eine Motte dem Licht. „Nun, du scheinst etwas an dir zu haben, das Peppers gefällt. Ich würde ja vermuten, du hast heimlich Leckerlis in deiner Hose versteckt, aber das würde man bei der engen Badehose sofort entdecken."

Verblüfft starrt Ethan mich an, dann fallen mir selbst fast die Augen aus dem Kopf. Habe ich das gerade laut gesagt, verflucht? Das klang verdächtig nach Flirt und ich flirte schon aus Prinzip nicht. Schlagartig breitet sich Hitze in meinem Nacken und Wangen aus. Am liebsten würde mich umdrehen, ohne ein weiteres Wort. Statt peinlich berührt zu sein, zwinkert Ethan grinsend. „Okay, wer sind Sie und was haben sie mit Jocelyn gemacht? Ich glaube, das war der erste Scherz, den ich von dir gehört habe."

„Auch ein blindes Huhn findet einmal ein Korn", kommt es reflexartig über meine Lippen. Ich kann mich nicht an meine Eltern, an mein Leben erinnern, aber blöde Sprüche fallen mir im Nu ein.

„Wow, und gleich ein zweiter. Ich bin sprachlos. Bist du von Aliens entführt worden oder Jocelyns Zwillingsschwester", scherzt er weiter, was mich ebenfalls dazu bringt, die Klappe aufzureißen. „Nein, weder noch. Ich bin immer noch ‚The One and Only' wie es Chesney Hawkes so schön besingt."

Mit nachdenklichem Blick mustert er mich, bis er leicht den Kopf schräg legt und ein Lächeln aufblitzt. „Zur Feier des Tages werde ich dich ab sofort Jocy nennen. Passt besser zu deiner Klappe als Joceyln."

Irritiert schüttle ich den Kopf. „Niemand nennt mich Jocelyn, geschweige den Jocy. Ich bin ganz einfach Jo."

Ich meine ihn „an dir ist nichts einfach", murmeln zu hören, bevor er erneut der strahlende Kerl ist, der mehr Wärme als die Sonne verteilt. „Dann ist es ja gut, dass ich damit anfange. Irgendjemand muss immer der Erste sein."

„Und du meinst, du hast das Zeug dazu, der Erste zu sein?", rutscht es mir heraus, woraufhin ich mir so fest auf die Lippe beiße, bis ich Eisen schmecke. Ich schlecke den Blutstropfen weg. Dabei sehe ich, wie sein Blick meiner Zunge folgt. Sofort reiße ich mich zusammen und verpasse mir geistig eine Kopfnuss. Warum zum Teufel muss ich bei seinen Worten auch an eine ganz andere Sache denken? Kann er meine schmutzigen Gedanken in meinem erhitzten Gesicht erkennen, in meiner unangebrachten Antwort? Ich bin vollkommen ungeübt in diesen Dingen. Bisher hat mich das nicht gestört. Noch keiner der Männer hat mich gereizt und mehr als ein ‚Nein, danke', musste ich nicht von mir geben. Nun fühle ich mich wie eine dieser nervtötenden Jugendlichen aus kitschigen Jugendfilmen, deren einziges Problem es ist, mit einem Pickel im Gesicht vor ihrem Traumjungen zu stehen. Mein Leben ist deutlich anders, dennoch kann ich nichts gegen die wachsende Unsicherheit tun, auf alles falsch zu reagieren.

Wie weiß man, wie man handeln soll, wenn einem die Erinnerung an geltende Verhaltensweisen fehlt? Wenn man nicht mehr weiß, wie man früher drauf reagiert hat? War ich ein offener oder verschlossener Mensch? Bin ich mit vielen Männern ausgegangen, habe geflirtet und Spaß gehabt, oder war ich ein Einsiedler wie jetzt? Oder gab es gar eine große Liebe, die mich jahrelang begleitet hat? Diese dritte Option verwerfe ich schnell wieder. Ansonsten hätte mich dieser Eine gefunden.

Geschmeidig schlendert Ethan auf mich zu und mir wird am ganzen Körper heiß. Ich weiß nicht, was er in meinen Augen erkennt, aber er lächelt verschmitzt, als er sich direkt vor mir bückt und ein Handtuch aufhebt, mit dem er sich abtrocknet.

„Ja, ganz eindeutig eine Jocy."

Where We Got LostWo Geschichten leben. Entdecke jetzt