Hast du jemandem von dem Missbrauch erzählt? Damals, als Kind?
Dazu habe ich ja im letzten Kapitel schon einiges erzählt.
Auch bei Lehrern versuchte ich es immer wieder, zusätzlich zu den anderen im letzten Kapitel bereits erwähnten.
Aber ich wurde immer nur ausgelacht. ER doch nicht!!! Meine Eltern waren zu der Zeit noch hoch angesehen und wir zählten zu den besseren Familien.
Es hieß dann immer nur: Hast du was angestellt? Hast du zu wenig Taschengeld bekommen? Wurdest du für etwas bestraft? .... Dass du deshalb diesen Irrsinn erzählst?!
Vor allem musste ich ja immer auch aufpassen, wem ich etwas erzählte. Ich wollte ja nicht dadurch meine Familie in Gefahr bringen. Er hatte schließlich gedroht, sie alle umzubringen, wenn ich jemandem davon erzählen sollte. Daher hatte ich riesige Angst davor, zu reden. Aber ich merkte leider auch schnell, dass es sowieso nichts brachte. Mir glaubte entweder niemand oder ich bekam üble Beleidigungen und Beschimpfungen oder wurde angemacht (siehe Hausarzt).
Kurz gesagt: Wann immer ich etwas erzählen wollte, hat es nichts gebracht. Und meistens habe ich mich aufgrund seiner Drohungen gar nicht getraut.
Ein Beispiel: Unser Klassenlehrer wurde damals schwer krank und zur Vertretung kam eine Vertretungslehrerin aus einer anderen Schule. Sie wurde als einzige stutzig und sprach mich mal nach dem Sportunterricht auf ihren Verdacht an. Aber da war ich durch meine Erfahrungen mit den anderen Lehrern so eingeschüchtert, dass ich schnell und weinend wegrannte. Prompt bekam das mein Cousin, der mit mir in eine Klasse ging, mit. Am nächsten Wochenende beim verwandtschaftlichen Treffen sprach er lachend darüber. Er mochte mich zu der Zeit nicht wirklich (besserte sich erst deutlich im Erwachsenenalter und wir sprachen uns dann aus), und nutzte jede Gelegenheit, um mir zu schaden. Ich hasste ihn dafür. Er liebte es, mich in Schwierigkeiten zu bringen. Er hatte den gleichen Vornamen wie ich, eben nur in männlicher Form natürlich. Ich verdankte ihm da einiges und vor allem viele Schläge durch meinen Erzeuger. Mein Erzeuger passte wohl die Lehrerin daraufhin an der Schule ab. Was da passierte, weiß ich leider nicht. Aber am nächsten Tag kam ein anderer Vertretungslehrer an unsere Schule und sie wurde nie wieder (an unserer Schule) gesehen!
Komisch war nur, wenn es darum ging, in der Schule Streiche zu spielen und die Lehrer zur Verzweiflung zu bringen, hielten wir beide (mein Cousin und ich) wie Pech und Schwefel zusammen. Da ergänzten wir uns perfekt. Er hatte ebenso einen Hass auf die Lehrer wie ich. Er galt als Klassenclown, was aber nicht wirklich stimmte, und ich eben als der Krüppel. So schadeten wir den Lehrern, wo es nur ging, um uns zu rächen, je älter wir wurden!
Z.B.:
- Alle Außentüren der Schule mit Sekundenkleber zugeklebt, natürlich nachdem alle Lehrer schon drin waren und dann stundenlang eingeschlossen waren
- alle greifbaren Tafeln mit Öl eingerieben
- an einem Freitag Harzerkäse auf möglichst viele Heizkörper verteilt. Anschließend gab es dann – mal wieder – eine Woche schulfrei!
- bei unserem ach so netten Klassenlehrer sein nagelneues Auto mit Penatenöl eingeschmiert und mit Konfetti, Sand, T-Papier usw. beworfen.Also auch wir konnten dann ausflippen! Nur einem Krüppel trauten die Lehrer solche Sachen nie zu! Sie hatten aber einen Verdacht, nur Beweise fehlten. Aber auch in der Klasse waren wir irgendwann seeehr nett und lieb!!! Es hieß dann immer im Lehrerzimmer: hat jemand schon die beiden (!) gesehen? Und wenn es ja hieß, gab es unter den Lehrern reihenweise Krankmeldungen für den Tag. Aber da sie sich doch nicht trauten zuzugeben, dass sie mit uns nicht mehr klarkamen, wurde es – zum Glück – unseren Eltern nie berichtet. Dann wäre ich definitiv tot gewesen!!!
Irgendwie mussten wir uns eben abreagieren! Sie waren ja selbst schuld! Sie haben uns schließlich im Stich gelassen! Jahrelang!
Heute denke ich, dass es vielleicht teilweise zu bösartig war, was ich den Lehrern angetan habe. Aber damals konnte ich einfach nicht anders. Ich musste meinen Frust und meinen Ärger einfach irgendwie rauslassen... Es war seltsam. Einerseits fühlte ich mich total hilflos, aber andererseits war da auch eine riesen Wut! Heute noch, vor allem wenn ich in den Nachrichten ähnliche Geschichten höre. Da würde ich am liebsten explodieren, aber stattdessen kommen dann oft einfach die Tränen und wieder dieses hilflose Gefühl. Fast das gleiche wie damals...
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Misshandlung und Missbrauch im Kindes- und Jugendalter - Ein Interview
RandomIn diesem Buch veröffentliche ich ein Interview mit einer Leserin, die euch ihre Geschichte erzählt. Sie wurde, seit sie klein war, von ihrem "Erzeuger" misshandelt und missbraucht. Erfahrt, was ihr widerfahren ist, wie sie damit umgegangen ist, wi...