Was ich noch sagen wollte:
Danke für eure bisherigen Kommentare! Sie waren bisher alle freundlich und wertschätzend ihr gegenüber. Sie liest die Kommentare auch und hat mir geschrieben, dass ihr das guttut und die Kommentare sie aufbauen. Also lasst sie ruhig immer wissen, was ihr denkt! Sie liest das sehr gerne und ist immer gespannt auf eure Reaktionen.
Und nun zur Frage:Hast du es geschafft, all deine Erlebnisse zu verarbeiten? Wenn ja, wie hast du das geschafft?
Laut meiner Mutter (ich konnte erst zu keiner Antwort kommen und sprach gerade mit meiner Mutter über diese Frage!) bin ich relativ gut damit klargekommen.
Ich hatte noch in der Zeit selber und kurz danach oft Selbstmordgedanken und habe es auch mehrmals versucht. Vor allem, da ich in der Zeit selber ja nicht wirklich Hilfe bekam und keine Ansprechpartner hatte. Ich musste alles mit mir selbst ausmachen und gab mir die Schuld dafür. Mein Opa war zwar da und versuchte mir zu helfen, aber er war schon schwerkrank, wenn nicht sogar todkrank. Deshalb wollte ich ihn auch schonen. Auch blieb immer die Angst, dass ich mit meinem evtl. offenen Reden meine Familie töten könnte. Davor hatte ich die größte Panik. Ich wollte keine Mörderin werden und dann noch dafür zusätzlich vom Staat bestraft werden.
Als ich dann das erste Mal im November 1989 (da war ich 17) meiner Mutter etwas erzählte, war es sehr schwer. Vor allem, da es auch für sie sehr schwer war: 1. das überhaupt zu glauben und zu verstehen, 2. mir zu glauben, 3. zu überlegen, was wir jetzt machen können und 4. dann die Kraft zu haben, wirklich tätig zu werden.
Aber nachdem sie es nach einigen Tagen "verdaut" hatte, kam SIE wieder auf mich zu und suchte das Gespräch. Sie gab mir Halt, Kraft und Zuversicht. Und vor allem gab sie mir das Gefühl, auch damit immer zu ihr kommen zu können, obwohl ich schnell bemerkte, dass ich sie mit Details überforderte. Daher redete ich meistens etwas oberflächlicher mit ihr darüber. Ich hatte einfach Angst um sie. Deshalb ist sie auch jetzt so geschockt, da sie durch das Lesen dieser ganzen Antworten mehr erfährt, als in den letzten 30 (!) Jahren zusammen! (Anmerkung zur Erklärung: Die beiden nutzen ein gemeinsames E-Mail-Konto, daher kann die Mutter alle Antworten lesen)
Auch hatte ich ja dann meine Patentante und ihren Sohn (den Priester), als ich von ihnen "festgenagelt" wurde. Darüber habe ich ja bereits geschrieben. Nachdem sie dann die Wahrheit wussten, wurde ich sie nicht mehr los! Ich musste mich alle zwei Tage telefonisch bei meinem Vetter melden. Wenn nicht, gab es riesen Trouble! (Er wohnte leider weiter weg).
Auch half er mir, wieder aus dem Kloster auszutreten und holte mich in die Stadt, in der er lebte. Da war er damals als Priester tätig. Durch seine Hilfe fand ich in einer großen Krankenpflegeschule (die gibt es heute leider nicht mehr!) einen Ausbildungsplatz und ein Wohnheim-Zimmer. Auch da war er immer für mich da und immer erreichbar. Durch seinen Beruf kannte er viele Leute, die auch in seiner Kirchengemeinde waren, darunter auch Krankenschwestern und Ärzte aus dem Krankenhaus, wo ich meine praktische Ausbildung machte. Er sorgte schnell dafür, dass alle wussten, dass ich seine Cousine bin. Ihr könnt euch nicht vorstellen, auch in euren schlimmsten Befürchtungen nicht, was das für mich bedeutete! Ich war dadurch ständig, wirklich ständig unter Beobachtung. UND er erfuhr IMMER ALLES!!! Egal was es war, er erfuhr es. Das waren für mich seehr harte Jahre, aber auch sichere und trotz allem gute. Auch meine Mutter fühlte sich dadurch beruhigt, da sie wusste, dass er auf mich aufpasste. Jeden Sonntag musste ich bei ihm in die Messe und anschließend zu ihm in seine Priesterwohnung zum Rapport. Und wehe mir, ich meldete mich nicht in bestimmten Abständen.
Durch seine Kontakte in der Kirchengemeinde kam er sogar zu einem Zweitschlüssel vom Wohnheim und meinem Zimmer. Das war eigentlich gar nicht möglich, doch für ihn schon. Er fühlte auch immer, wenn es mir schlecht ging, ich musste nichts sagen und wir konnten Kilometer entfernt sein, doch er fühlte es! Das tut er auch heute noch. Wie auch immer er das merkt, aber er spürt, wenn es mir schlecht geht. Dann kommt immer passend ein Anruf von ihm. Auch damals kam er immer zur rechten Zeit und verhinderte dadurch so manche Dummheit von mir. Ich hätte mich aber niemals geritzt, oder hätte Drogen genommen oder ähnliches. So war und bin ich nicht. Aber Selbstmordgedanken waren schon lange präsent. Es brauchte lange und viiiel Unterstützung von meiner Mutter, meiner Patentante und ihm. Ich habe auch heute noch ein sehr enges Verhältnis zu ihm. Er ist für mich wie ein großer Bruder und wir reden zusammen über wirklich alles. Niemand anderes, noch nicht mal meine Mutter, weiß so viel über mich und von mir, wie er. Und umgekehrt ist es, glaube ich, genauso! Ich bin ihm sooo unendlich dankbar!!!
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Misshandlung und Missbrauch im Kindes- und Jugendalter - Ein Interview
RandomIn diesem Buch veröffentliche ich ein Interview mit einer Leserin, die euch ihre Geschichte erzählt. Sie wurde, seit sie klein war, von ihrem "Erzeuger" misshandelt und missbraucht. Erfahrt, was ihr widerfahren ist, wie sie damit umgegangen ist, wi...