14. Zurückdenken an die Kindheit

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Hey ihr Lieben,

wir nähern uns dem Ende des Interviews und deshalb hätte ich noch einmal eine kleine Bitte an euch. Ich habe ja schonmal geschrieben, wie sehr sich die Interviewte über Kommentare freut. Lasst sie in den letzten Kapiteln nochmal wissen, was ihr beim Lesen denkt. Sie erzählt euch ihre Geschichte, ganz offen und ehrlich, und sie wünscht sich einfach ein wenig zu erfahren, was ihr darüber denkt. Erfüllt ihr als Dank für ihre Offenheit diesen kleinen Wunsch <3

Ganz liebe Grüße,
eure Mary-Ann


Und nun zur Frage:


Wie geht es dir heute, wenn du an all das zurückdenkst, was in deiner Kindheit passiert ist?

Ich versuche nicht mehr zurückzudenken.

Aber ich habe einen regelrechten Hass auf ihn und seine Sippe!!!

Und auch auf alle, die es wussten und es stillschweigend duldeten.

Ich verstehe bis heute nicht, dass sie dabei ruhigen Gewissens zusahen und nichts unternahmen.

Wie konnten/können sie damit leben?!

Und mir noch heute "kackfrech" ins Gesicht gucken?!?!

Ich habe doch damals oft genug versucht, Hilfe zu bekommen, wenn auch indirekt (siehe auch vorangegangene Fragen)!

Auch denke ich noch oft darüber nach, was ICH eigentlich damals falsch gemacht habe, um das durchmachen zu müssen.

War es doch meine Schuld?!

Außerdem war lange die Frage bei mir, ob ich dafür bestraft wurde, überhaupt auf die Welt gekommen zu sein!

Aber heute betrachtet: es hat mich stärker gemacht und empathischer anderen gegenüber. Vor allem bei Kindern bin ich immer sehr aufmerksam.

Man bekommt es ja bei Kindern oft nicht so ohne weiteres mit. Kinder sind mit der Zeit gute Vertuscher. Ich habe einige Zeit als freie Mitarbeiterin fürs Jugendamt gearbeitet und gab dort Legasthenie und Dyskalkulie Unterricht. Ich sah Kindern direkt an, ob sie "Betroffene" sind. Man entwickelt dafür eine Antenne. Ich wurde erst dafür belächelt. Das könne nie und nimmer stimmen. Aber ich behielt leider jedes Mal Recht.

Ich musste auch oft in die Schulen und Klassen der Kinder, die ich unterrichtete und wohnte oft dem Unterricht der Lehrer bei. Ungeachtet der offiziellen Statistiken, fand sich wirklich in jeder (!) Klasse, egal wie groß oder klein sie auch war, und was für eine Schule das war, mindestens ein Kind, was Gewalt zu Hause oder im Umfeld erlebte! Traurig aber wahr!!! Das macht(e) mich echt ungemein wütend!

Ihr müsst euch mal vor Augen führen:

Laut einer sehr guten und wissenschaftlichen Studie kennt jede (!) Person mindestens eine (!) andere Person/Kind, das missbraucht/misshandelt wird, ohne es zu wissen bzw. zu merken!!!

In jeder (!) Schulklasse gibt es mindestens (!) ein Kind, das das erleiden muss!!!

Wenn mir das alles in meiner Kindheit/Jugend NICHT passiert wäre, wäre ich heute höchstwahrscheinlich gesund. Dann wäre ich immer und zu jeder Zeit von den Ärzten ernst genommen und akkurat behandelt worden. So würde ich heute nicht als "austherapiert" und "todkrank" gelten!

Auch konnte ich nie wirklich hier in unserer Gegend Akzeptanz erleben. Vielleicht von einigen wenigen, aber niemals offen.

Also rückwirkend hat mir mein "Erzeuger" mein ganzes Leben verpfuscht und genommen!

Misshandlung und Missbrauch im Kindes- und Jugendalter - Ein InterviewWo Geschichten leben. Entdecke jetzt