These Lions Inside

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Kühler Wind und dennoch strahlende Sonne kündigen das Ende eines goldenen Oktobers an. Ich schlinge meinen Slytherinschal enger um mich, nehme meinen Besen - einen echten Nimbus, wie ihn sonst nur Profispieler haben - und trete hinaus auf die Wiese des Quidditch Stadions, wo ich sofort von der hellen Sonne geblendet werde.
Obwohl mein Herz vor Aufregung so schnell schlägt, dass ich mich nicht wundern würde, wenn es demnächst einfach so aussetzen würde, versuche ich gelassen zu wirken, während ich zusammen mit den anderen der Mannschaft zur Mitte des riesigen Spielfelds gehe.
In den letzten Wochen habe ich beinahe jeden Tag trainiert und es tatsächlich geschafft den Platz des Suchers in der Quidditch Mannschaft meines Hauses zu bekommen.
Zugegeben, die Konkurrenz war nicht sonderlich groß, nur ein recht breitschultriger Typ, aus dem fünften Jahr, hatte sich ebenfalls für die Stelle beim Probespiel gemeldet. Dank meiner schmalen Statur und nicht zuletzt, wegen meines guten Besens, war ich eindeutig die bessere Wahl.
Wir treten den Gryffindors, unseren größten Rivalen überhaupt, gegenüber, um das erste Spiel dieses Jahres zu beginnen.
Ich blicke auf um in die, hinter einer Brille mit runden Gläsern versteckten, haselnussbraunen Augen meines Gegenübers zu sehen. Er ist ein Jahr älter als ich und etwa einen halben Kopf größer. Seine schwarzen Haare sind ein einziges Chaos und dies liegt nicht einmal an dem Wind, der über das Spielfeld fegt.
James Potter ist der wohl beste Sucher, den Hogwarts seit einigen Jahren gesehen hat. Im letzten Jahr hatte Gryffindor jedes Spiel gewonnen und den Pokal abgeräumt, ohne das die anderen Mannschaften auch nur eine Chance hatten. Sie überlegten sogar Potter schon jetzt zum Kapitän zu erklären.
Jeder andere würde wohl Respekt und Anerkennung gegenüber Potter empfinden, doch in mir bildete sich nichts anderes als blinder Hass.
Blinder Hass, auf den besten Freund meines Bruders.
Auf den Jungen, der mir an jenem Tag meinen Bruder gestohlen hat.
✧✦✧
Es war vor etwa einem Jahr. Der Tag, an dem Sirius seinen langersehnten Brief von Hogwarts bekam.
Ich weiß noch genau, wie ich an diesem Morgen um 4 Uhr morgens wach wurde. Eigentlich noch mitten in der Nacht, doch ich konnte nicht mehr schlafen. Irgendwas hielt mich davon ab.
Ganz leise stand ich auf, trat in meine Hausschuhe und tapste auf den Flur. Ein Blick nach links und rechts verriet mir, dass die Luft rein war. Alle schienen in ihren Betten zu sein. Nicht, dass sich oft jemand in die oberste Etage verirrte, in der nur unsere beiden Zimmer waren.
Auf leisen Sohlen ging ich rüber zum Zimmer von Sirius und blieb erst bei seinem Bett stehen.
Das Zimmer war etwas größer als meins. Silbergraue Tapete schmückte die Wände und Samtvorhänge waren vor den Fenstern. Ein Kerzenleuchter hing an der Decke, von dem etwas Wachs auf den Rahmen des edel geschnitzten Bettes getropft war. Es war genauso wie der Kleiderschrank aus Ebenholz.
„Sirius? Bist du wach? Ich kann nicht schlafen...", murmelte ich, obwohl es offensichtlich war, dass er schlief. Seine Augen waren angestrengt zugekniffen und seine Hände zu Fäusten geballt. Wieder ein Albtraum.
Er schien etwas durcheinander und erledigt als er die Augen öffnete und sich mit einer Hand übers Gesicht fuhr, während er sich aufsetzte. „Was... was ist denn?", murmelte er verschlafen.
„Ich kann nicht schlafen.. und du offenbar auch nicht", erklärte ich und kletterte, ohne zu fragen, zu ihm ins Bett. Vorsichtig legte ich meinen Kopf ganz an den Rand des Kissens. Besonders als wir noch jünger waren, hatte ich die meisten Nächte hier verbracht. Das Haus war düster und bei all den nicht gerade freundlichen sprechenden Gemälden und den abgetrennten Hauselfenköpfen in der zweiten Etage, konnte sich ein Kind schnell fürchten.
Sirius hatte sich nie beklagt und ich glaubte, auch er war manchmal froh, nicht ganz allein zu sein.
Nachdenklich lag ich da und sah aus dem großen Bogenfenster. Die Sonne ging gerade auf und die ersten Vögel begannen zu singen, doch der Anblick tröstete mich wenig.
„Was hast du geträumt? War es... war es wieder Mutter?", fragte ich meinen Bruder behutsam.
Ich sah wie er sich kurz anspannte. Mutter war ein wirklich übles Thema. Doch dann legte er sich wieder hin und sah mich im Halbdunkel an.
„Ach... das war ein echt blöder Traum.", murmelte er, doch es erschien ein Grinsen auf seinen Lippen, wohl um uns beiden etwas Mut zu machen.
„Ein bisschen lustig war er aber schon.", fuhr Sirius fort, „Ich habe Mutter in ein Eichhörnchen verwandelt."
Er erzählte mir, dass Mutter ihn im Traum beschimpft hatte. Vor Wut hatte Sirius sie mit einem Zauber in ein kleines Eichhörnchen verwandelt. Ihre Stimme war hoch und schrill geworden, sodass er darüber lachen konnte. Auch ich lachte bei seiner Erzählung und stellte mir Mutter als Eichhörnchen, mit schräger Frisur und piepsiger Stimme, vor.
Doch mein Lachen verging schnell als Sirius weitererzählte, wie aus dem niedlichen kleinen Eichhörnchen plötzlich eines wurde, welches doppelt so groß war, wie Mutter in ihrer menschlichen Gestalt. Ihr Schimpfen war nun laut und bedrohlich geworden. In meiner Vorstellung sah man die riesigen Schneidezähne, als sie auf ihn zuging...
Bei dem Gedanken wurde ich ganz bleich.
„Ich hoffe, wenn ich in Hogwarts bin, dann lerne ich diesen Zauber wirklich. Dann verwandele ich Mutter in ein winzig kleines Eichhörnchen!", sagte Sirius grinsend. Im Nachhinein konnte er über seinen Albtraum lachen.
„Aber...", begann ich kleinlaut, „Eichhörnchen sind schnell und sie können mit ihren Zähnen Nüsse knacken. Mutter wird uns bestimmt in die Ohren beißen."
Schnell rutschte ich etwas näher zu Sirius und er gab mir sogar etwas von seiner Decke ab.
Unsicher sah ich zu ihm auf. „Du wirst sie doch nicht wirklich in ein Eichhörnchen verwandeln und mich dann mit ihr allein lassen...? Vater wird unendlich sauer sein."
„Ach Quatsch.", sagte er beinahe liebevoll. Er wusste das ich Angst vor unseren Eltern hatte. Das hatten wir beide. „Ich nehme dich einfach mit nach Hogwarts und verstecke dich im Slytherin Gemeinschaftsraum. Dann zeige ich dir jeden Abend alle Zauber, die ich schon kann!"
Meine Augen leuchteten bei dieser Vorstellung. Nur zu gern würde ich mit ihm mitgehen. Die Vorstellung hier allein zu sein, machte mir Angst.
Gerade als ich antworten wollte, klopfte es jedoch an der Tür und ich schreckte zusammen.
Sirius und ich sahen uns aus großen Augen an. Wenn Mutter erfuhr, dass ich hier geschlafen hatte, würde ich Ärger bekommen.
Erst als es zum zweiten Mal klopfte, fasste ich Mut, rollte mich aus dem Bett und ging zur Tür.
In Anbetracht der Lage öffne ich die Tür zunächst nur einen Spalt breit, doch als ich den Hauselfen davor erkannte, ließ ich ihn sofort rein.
„Kreacher!", rief ich freudig.
Der Hauself sah mich beinahe freundlich an, doch als er Sirius ansah, verschwand die Freundlichkeit größtenteils.
„Kreacher bringt einen Brief an Sirius Black, Sir.", sagte der Hauself und hielt einen Brief in Sirius Richtung. Das Siegel erkannte ich sofort und hielt erstaunt die Luft an.
Der Brief aus Hogwarts.
Sirius sprang vom Bett und entriss Kreacher den Brief. Da er so ungeduldig war, brauchte er einen Moment, bis er es geschafft hatte, den Brief zu öffnen.
„Sehr geehrter Mister Black", laß er freudestrahlend und offensichtlich unglaublich stolz vor, „wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass wir Sie dieses Jahr, am ersten September, auf der Hogwartsschule für Hexerei und Zauberei aufnehmen werden."
Jubelnd stürmte er auf mich zu und wirbelte mich einmal herum, was mich zum Lachen brachte. Schließlich setzte ich mich auf den Boden, weil mir etwas schwindelig war.
„Danke Kreacher", sagte ich an den Hauselfen gerichtet, der sich mit einer Verbeugung zum Gehen wendete.
Ich hob die Liste auf, die aus dem Brief gefallen war und meine Augen weiteten sich etwas. „Da musst du aber viel einkaufen." Besonders wegen des Zauberstabs und des Besens wurde ich neidisch.
Sirius lief daraufhin runter um den Brief unserem Vater zu zeigen, doch ich blieb oben, ging ins Bad und zog mich wenig später in meinem Zimmer schon mal an. An Schlaf war sowieso nicht mehr zu denken.
Wenige Minuten später kam Sirius wieder hoch und blieb kurz in meiner Zimmertür stehen. Er war völlig außer Atem, weil er die Treppe hochgerannt war.
„Vater hat erlaubt, dass Andromeda mit uns in die Winkelgasse fliegt! Beeil dich! Wir fliegen gleich los!", erklärte er und seine Worte überschlugen sich vor Aufregung, bevor er selbst in sein Zimmer rannte und sich binnen Sekunden umzog.
Nur zwei Minuten später kamen wir draußen an, wo Andromeda auf uns wartete. Sie stopfte gerade einen Stapel Zeitungen in ihre Tasche und ich vermutete, dass sie diese für ihren Vater abgeholt hatte und so rein zufällig gerade hier gewesen war, als Sirius mit dem Brief nach unten geeilt war um ihn Vater zu zeigen.
„Guten Morgen!", begrüßte mich meine Lieblingscousine. Zwar mochte ich Cissy auch, doch sollte ich mich entscheiden, wen ich am liebsten mag, würde ich auf jeden Fall Andromeda als meine liebste Cousine bezeichnen. Sie war so ganz anders als Bella, die uns schon als Kind immer mit ihren Gruselgeschichten das Fürchten gelehrt hatte. Andromeda war nett und unternahm oft etwas mit uns.
Zumindest damals wusste ich ja noch nicht, dass sie sich längst in den muggelstämmigen Ted Tonks verliebt hatte.
„Kommst du, Reg?", fragte mein Bruder ungeduldig und wir beide stiegen hinter Andromeda auf ihren Besen. Wir waren schon oft mit Andromeda unterwegs gewesen. Daher musste Meda nicht erklären, dass wir uns gut festhalten mussten.
Nachdem sie sich vom Boden abstieß, stiegen wir mit rasanter Geschwindigkeit in den Himmel, vor den Blicken der Muggel mit einem Tarnzauber geschützt. Die kühle Morgenluft rauschte uns um die Ohren und trieb mir eine leichte Röte auf die Wangen, aber das störte mich wenig.
Es gab nur eine Sache, die ich in meiner Kindheit immer wieder verbrochen hatte, obwohl ich wusste, dass es Ärger geben würde. Ich stahl mir regelmäßig den Besen meines Vaters und übte heimlich das Fliegen.
Voller Faszination beobachtete ich von oben die winzigen Menschen und genoss den Moment.
Der Tag konnte kaum besser werden.

The Secret HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt