Es war Nacht. Die Straßenlaternen verbreiteten ein unnatürlich schwefelgelbes Licht und legten einen kalten Schleier des Unwirklichen über die Szenerie. Blasser Nebel, von den Laternen gelb verfärbt, unterstützte den Eindruck des Surrealen. Der Himmel war nicht zu sehen. Die meisten der Lichter hinter den Fenstern waren bereits erloschen. Kein Laut regte sich. Kein Auto fuhr. Selbst die Pickups der Stadtwache waren verstummt. Die Straßen waren leer. Es schien, als würde die ganze Stadt die Luft anhalten.
Ein sanft einsetzender Windhauch begann die Nebelschwaden langsam vor sich herzutreiben. Weltuntergangsstimmung. Die Ruhe vor dem Sturm. Als hätte Gott beschlossen dem ruchlosen Treiben der Menschheit ein Ende zu setzen.
Plötzlich der Schrei einer Katze. Erst kurz und schreckhaft, dann auf einmal langgezogen, bis er von einem blechernen Scheppern abgehackt wurde. Ein Anwohner, der zufällig an einem geöffneten Fenster gestanden und den Lärm vernommen hätte, wäre wohl etwas irritiert gewesen. Vor seinem Inneren Auge hätte er womöglich eine Katze gesehen, die von einer Mauer in einige Mülltonnen fiel. Wahrscheinlich hätte er, mit diesem Bild vor Augen, ein wenig schmunzeln müssen. Auf die tatsächlichen Ereignisse wäre er aber nie gekommen.
Es gab jedoch niemanden, der dieses Krachkonzert wahrnahm und so verhallte es ungehört.
Erneut legte sich die bleierne Stille über die Straßen.Doch was war das? Leise, schnelle Schritte, tappend auf dem Gehweg. Hin und wieder das vorsichtige Kratzen von Stein auf Stein, einiger loser Gehwegplatten. Außerdem kleine Steinchen, die unter Schuhen knirschten oder von ihnen weggetreten wurden. Ein schwarzer Schemen - im Wabern des Nebels fast unsichtbar - der von einer dunklen Ecke zur nächsten huschte. Auf erschreckend schnelle und dabei nahezu lautlose Art und Weise jagte er die Straße hinunter - immer von Schatten zu Schatten, von Nische zu Nische, von Deckung zu Deckung. Hinter einem am Straßenrand stehenden, kaputten Auto, dessen Scheiben von feinen Löchern durchsiebt und von Haarrissen durchzogen waren, verharrte er. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich der große, ebenfalls von Laternen erleuchtete Parkplatz eines Supermarktes. Der Markt selbst jedoch wurde, bis auf das schwache Glimmen einiger Reklameschilder, vom allgegenwärtigen Nebel verschluckt.
Nach einer Weile, in der jeder zufällige Beobachter den flinken Schatten schon wieder vergessen hätte, tauchte er plötzlich doch wieder auf, umrundete das Auto und bewegte sich hektisch über den hell erleuchteten, jedoch völlig leeren Parkplatz. Kein Auto, hinter dem er sich verbergen könnte, kein Gewächs, nicht einmal ein Mülleimer. Und so wurde aus der abghakten, zackigen Fortbewegung, eine schnurgerade, ohne die geringste Verzögerung.
Dann tauchte der heruntergekommene Supermarkt vor ihm aus dem Nebel auf. Draußen schrien die schrillen Werbeplakate und Leuchtreklamen um Aufmerksamkeit, drinnen war es dunkel und tot.
Gut ein Dutzend Schritte vor dem Eingang blieb der Schatten kurz stehen, dann huschte er weiter. An den großen Glastüren angelangt, verharrte er erneut.Einen Moment später war leise das Knacken von zerspringendem Glas zu hören, doch ansonsten blieb es still. Kein Alarm wurde ausgelöst. Dann schob sich der linke Türflügel, hörbar entgegen dem Willen eines Motors, beiseite. Und kaum war der entstehende Spalt breit genug, verschwand der Schatten nach drinnen und war nicht mehr zu sehen. Sofort wurde die Tür wieder zu geschoben. Nur ein Netz von Sprüngen und Rissen im Glas ließ erkennen, dass hier etwas nicht stimmte. Davon abgesehen wirkte der Supermarkt von weitem wieder still und friedlich.
Durch die staubigen Fenster war es, trotz der hellen Parkplatzbeleuchtung, unmöglich einen Blick durch die Frontverglasung zu werfen. Plötzlich blitzte jedoch ein weißer Lichtkegel auf und flitzte sanft über die Regale. Durch den Widerschein warf die Gestalt dabei groteske Schatten an die Wände.
Dann schnappte die Falle zu. Die Deckenbeleuchtung erwachte flackernd zum Leben und bestrahlte flutlichtartig die Szenerie. Miliztruppen in ihren totenkopfweißen Kampfoveralls, samt ebenso knochenweißen Helmen mit verspiegelten Visieren, sprangen vom Dach, landeten krachend auf dem Asphalt und rollten sich am Boden ab. Metallene Federn und Stoßdämpfer, die sich an den Stiefeln befanden, federten dabei einen Großteil des Aufpralls ab. Noch nicht wieder standfest auf den Beinen, hatten sie bereits ihre Maschinenpistolen wieder im Anschlag und das Schaufenster im Visier. Dutzende von Kämpfern der Stadtwache, die jetzt nur ein Ziel hatten.
Doch die Gestalt war nicht mehr zu sehen. Bis auf die kaputte Tür gab es keinen Hinweis darauf, dass irgendjemand eingedrungen war. Das hinderte die Miliztruppen jedoch nicht daran sich nun ihrerseits Zutritt zu verschaffen. Anstatt sich mit der Tür aufzuhalten, donnerten sie einige Salven über die großflächige Fensterfront. Große Glassplitter flogen in einem Scherbenregen durch die Gegend, während das ganze Fenster in sich zusammenstürzte. Drinnen zerpflügten die Kugeln Fliesen, Regale und Lebensmittel. Einige Regalbretter lösten sich und schickten Konservendosen zu Boden, wo diese aufplatzten, falls sie nicht ohnehin schon durchsiebt worden waren.
Durch das nun riesige Loch in der Scheibe kletterten die Soldaten hinein und schwärmten sofort aus.
Bald befanden sie sich in jedem Gang und rückten in kleinen Gruppen zielstrebig in Richtung der Rückwand des Verkaufsraumes vor. Immer wieder zuckten Schüsse durch den Raum.
"Erst Schießen, dann denken!" Dieser Satz war ihnen vor diesem Einsatz immer wieder eingebläut worden. Wie gefährlich dies für jeden von ihnen war, hing dabei unausgesprochen im Raum. Dieser Einsatz schien sehr wichtig zu sein. Dabei handelte es sich doch lediglich um einen kleinen Einbruch, zudem noch in einen Supermarkt...Nach kurzer Zeit hatten sie den Raum auf effektivste Art und Weise durchkämmt und mehr als eine Milchpackung lag blutend am Boden. Anschließend drangen sie ins Lager vor. Auch hier war das Licht eingeschaltet worden und die weißen Neonröhren legten summend ihren kalten Schein auf die Paletten.
Wieder krachte ein Schuss, doch diesmal von einem heiseren Schmerzensschrei beantwortet."Ich hab ihn!", kam darauf, vom Helm gedämpft, der aufgeregte Ruf einer hohen, jungenhaften Stimme. Sofort wandten sich alle Soldaten der hinteren Ecke des Lagers zu, aus der der Schrei erklungen war. "Jenssen!! Verflucht seist du, du dreckige kleine Ratte!", rief die heisere Stimme in einem kräftigen Bariton, "Wenn ich dich und deine hübschen, schwedischen Hände in die Finger bekomme, dann wirst du froh sein, wenn du danach noch eine Wasserpistole bedienen kannst! Wie kannst du es wagen auf mich zu schießen?!" - "Ich hab ihn doch nicht.", kam leise die eingeschüchterte Antwort des Angesprochenen. "Jensseeeeen!!", schrie der Mann erbost und feuerte ein paar Kugeln in die Richtung des Jungen.
Bevor jedoch jemand einschreiten konnte, öffnete sich mit einem Rattern das große Rolltor des Zulieferereingangs und alle hielten inne.Drei Männer standen in der entstandenen Öffnung. Sie hatten ebenfalls weiße Kampfmonturen an, statt der Maschinenpistolen jedoch nur schwere Handfeuerwaffen an den Gürteln. Der mittlere war, aufgrund seines Auftretens sofort als befehlsgewohnt zu erkennen. An seinen breiten Schultern und Armen waren schwarze Markierungen und Zeichen angebracht. Selbstbewusst stiefelte er herein, die anderen beiden im Schlepptau. Er blickte auf den am Boden liegenden Mann, dann zu dem als Jennsen angesprochenen, sagte jedoch nichts.
Dann wandte er sich an einen Soldaten mit einem grauen Streifen im Nacken: "Wo habt ihr ihn hingebracht?" - "Sir, ich fürchte das verdächtige Objekt befand sich nie in unserem Gewahrsam, Sir.", antwortete der Graunacken mechanisch. Ihm war die Situation sichtlich unangenehm und er wand sich förmlich unter dem Blick des Anführers.
Doch dieser schien fast mit solch einer Antwort gerechnet zu haben. "Räumen sie hier auf.", befahl er, bevor er sich zum Gehen wandte. "Verstanden, Sir!", knurrte der Graunacken.Dann krachten zwei Schüsse und Jennsen und der heisere Mann waren Geschichte.
Als die drei Männer wieder zum Rolltor hinausschritten, rief er dem Graunacken noch etwas zu:
"Dezimieren Sie die übrigen!"
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Die Spinne - Teaser
FanfictionAls der siebzehnjährige Kyle plötzlich mitten auf der Straße von vermummten Männern in einen Van gezogen und entführt wird, weiß er noch nicht, dass er Jahre später als "Die Spinne" berühmt und berüchtigt werden würde. Und er hätte es sich auch niem...