Vergangenheit

57 2 0
                                    

Wie sollte ich ihm jemals wieder unter die Augen treten? Wie könnte ich das, nach dem, was er über mich erfahren hatte? Verdammt, und heute hatten wir auch noch Unterricht bei ihm. Vielleicht könnte ich den ja schwänzen? Ein bisschen über die Schlossgründe streifen? Aber das würde ein Nachspiel haben. Ich musste wohl oder übel da durch. Also bereitete ich mich widerwillig darauf vor, wie er mich vor der ganzen Klasse blamiert. Die Verzweiflung begleitete mich auf dem Weg hinunter in die kalten Kerker, in denen wir als nächstes Unterricht mit den Gryffindors hatten, und betrat das Klassenzimmer. Wie erwartet ließ die erste Gemeinheit nicht lange auf sich warten, mein Gebräu hatte statt der gewünschten lila Färbung ein dreckiges dunkelblau angenommen, woraufhin der Tränkelehrer sich mir näherte, um den Fehler auszumachen:"Miss Lancaster, was haben Sie denn da angemischt? Soll das etwa die Verbindung aus gelben Tentakeln und Rattenschwänzen sein? Kommen Sie, so dumm können doch nicht mal Erstklässler sein, Sie haben die Tentakel mit Spinnenaugen verwechselt!" Er verfiel in ein höhnisches Lachen, in das fast die ganze Klasse miteinstimmte. Beschämt versuchte ich, die verwechselte Zutat heraus zu extrahieren, doch stattdessen explodierte der Kessel und verseuchte den gesamten Raum mit seinem Inhalt. Geschrei war zu hören aus der Richtung von Pansy Parkinson, Crabbe und Goyle, über die sich das blaue Gemisch ergossen hatte, Malfoy machte ein angewidertes Gesicht. Snapes Gebrüll ließ die Klasse verstummen. Langsam bewegte er sich in meine Richtung, dann blieb er etwa einen Meter von mir entfernt stehen und durchdrang mich mit seinem Blick. "Sie werden heute etwas länger hierbleiben, um die Sauerei, die Sie angerichtet haben, aufzuwischen, übrigens OHNE Magie. Ihren Zauberstab, wenn ich bitten dürfte", er streckte verlangend seinen Arm zu mir aus, doch ich brachte es nicht über mich, ihm die einzige Waffe, die mir blieb, um mich vor Pansy und anderen zu schützen, die es liebten, mich fertigzumachen, anzuvertrauen. Er deutete mir, ihn endlich rüberwandern zu lassen, doch ich stand auf und verließ mit hochrotem Kopf das Zimmer. Snapes Aufforderungen, sofort wieder zurückzukommen, ignorierte ich. Ich wollte einfach nur noch weg.
"NACHSITZEN, MISS LANCASTER."
Nein. Natürlich hatte ich damit gerechnet, doch die Verzweiflung kroch langsam in mir hoch. Wie um alles in der Welt könnte ich das umgehen? Am besten gar nicht, sonst fliege ich wahrscheinlich noch von der Schule. Aber wenn ich erst mit ihm alleine bin, wird er mich auf das ansprechen, was meine Erinnerungen ihm offenbart hatten. Dass ich alles für ihn tun würde. Bedingungslos.
Die Tage vergingen und ich grübelte immer wieder über das, was mich am Freitagabend, also heute, erwarten würde. Ich hatte panische Angst vor seiner Ablehnung, was sollte ich denn auch ändern? Ich liebe ihn trotzdem. Aber wird er das auch verstehen? Dass es wirklich ernst ist, dass ich ihn auf keinen Fall verlieren möchte? Hoffentlich tut er das ganze nicht als Jugendschwärmerei ab, denn das ist es nicht. Diese Gefühle sind echt, sie lassen mich nachts nicht schlafen, sie sind ständig in meinem Bewusstsein. Im Unterricht verschlechtere ich mich gewaltig, weil Severus ununterbrochen meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Ob er nun anwesend ist oder nicht, mein Gehirn hat ein wunderbar ausgeprägtes Kopfkino, welches mich dann ablenkt. Mit Momenten, die sowieso niemals so passieren werden, sie werden Wunschdenken bleiben.
Betrübt trank ich ein wenig von meinem Tee, um mich auf das bevorstehende Donnerwetter vorzubereiten. Ich wollte mir dumme Sprüche oder schreckliche Ehrlichkeit sparen. Es ist wahrscheinlich besser, ich leugne das Gesehene, und hoffentlich glaubt er mir das. Ich habe etwas nachgeforscht und weiß nun, dass so etwas wie Okklumentik und Legilimemtik existiert. Snape scheint beides zu beherrschen, sonst hätte er nie meine Gedanken sehen können. Wenn er das überhaupt hat, ich meine, viele seiner Reaktionen auf meine Fehler sprechen dafür, doch sicher sein kann ich erst, wenn er deswegen auf mich zukommt.

Es ist an der Zeit, ich muss jetzt in sein Büro. Nachsitzen, verdammt, hätte ich ihm nicht einfach meinen Zauberstab geben können? Wie konnte ich nur so blöd sein. Jetzt, in etwa 30 Sekunden, werde ich ganz allein mit ihm sein, er könnte werweißwas mit mir anstellen, ich würde mich danach vermutlich nicht mal mehr erinnern. Vielleicht löscht er meine Gedanken, denkt, damit verschwindet meine Zuneigung? Er ist so intelligent, das wird er doch nicht wirklich probieren?
Ich bin bei Snapes Bürotür angelangt. Was soll ich denn nur tun? Noch länger warten, zögern, oder vielleicht sogar einfach wieder weggehen? Ist doch egal, wenn Slytherin Punkte verliert, solange ich jetzt nicht da rein muss...doch im nächsten Moment flog die Tür mit einem Krachen auf und Snape stand direkt dahinter. Er sah mich einige quälend lange Sekunden an, dann Schritt ich neuen Mutes an ihm vorbei in das dunkle Zimmer meines Lehrers. Nach weiteren zehn Sekunden stieß er die Tür wieder zu und befahl mir, mich zu setzen, was ich auch tat. Ich versuchte, scheinbar interessiert die Steinfliesen unter mir zu Mustern, ehe Severus die Stille unterbrach:" Was ich gesehen habe, ich bin ehrlich, hat mich überrascht, Miss Lancaster, ich wusste nie, dass Sie-", doch weiter kam er nicht. Nein, hier und heute wollte ich mich nicht so dumm und klein fühlen, so falsch. "Professor, Sie haben gar nichts gesehen. Was das auch war, waren keine bedeutungsvollen Momente. Sie waren irrelevant und verletzend, aber ich-", diesmal war er es, der mich unterbrach,"Unterbrechen Sie mich nicht. Ich weiß, was ich gesehen habe, und hoffentlich sind Sie sich bewusst, wie groß der Altersunterschied ist, außerdem kann das wohl kaum echte Liebe sein, viel mehr eine Schwärmerei, eine einfache Fantasie eines Mädchens Ihrer Altersstufe. Was auch immer in Sie gefahren sein mag, dass Sie glauben, ich könnte diese "Gefühle" dulden oder gar erwiedern, möchte sich mir einfach nicht fügen. Unter diesen Umständen können Sie wohl kaum meine Schülerin bleiben. Gleich morgen bitte ich Professor Dumbledore um einen Klassenwechsel. Sie können nun gehen." Mir stand der Mund offen. Dachte er ehrlich, das würde ich so stehen lassen? Auf keinen Fall. Klassenwechsel? Wegen einer "Schwärmerei"? Da steckt doch mehr dahinter, das kann doch wohl kaum der einzige Grund für seine strikte Ablehnung sein? "Sir, ich bitte Sie, geht das nicht ein wenig zu weit? Wenn Sie der Auffassung sind, ich würde zu viel für Sie empfinden, ist das noch lange kein Grund, mich einfach rauszuwerfen! Das-", doch weiter kam ich nicht, erneut drehten sich meine Gedanken in mir, kein Wort wollte mehr über meine Lippen kommen. Severus' schwarze Augen drangen sich gewaltvoll in meinen Geist. Diesmal waren es Erinnerungen aus meiner Kindheit, die ich machtlos mit ansehen musste:

Severus Snape x Rina Lancaster: OneshotWo Geschichten leben. Entdecke jetzt