Schock und Verwirrung. Diese beiden Dinge waren mehr oder weniger alles was ich in der letzten Woche gefühlt hatte, nun ja, neben Verrat und Enttäuschung. Aber all das traf mich jetzt erneut. Stärker und gnadenloser als je zuvor.
''Fai, bitte sag doch was'', bat meine Mutter.
Ich kämpfte die aufkommenden Tränen nieder, indem ich ein paar mal blinzelte und zur Decke schaute.
Die Frau, die anscheinend meine Großmutter war, stand auf und kam auf mich zu. ''Es ist schön dich endlich kennenzulernen'', sagte sie mit einem warmen Lächeln. Ich wich zurück. Das war unmöglich. Meine Großmütter waren tot. Beide. Andererseits, eine davon hatte ich nie kennengelernt und so oft wie meine Eltern mich angelogen hatten, lag das durchaus noch im Bereich des Möglichen.
''Stimmt es wirklich?'', fragte ich deshalb langsam. Meine Eltern und
Shamira nickten.''Wenn du möchtest kann ich dir erklären warum deine Eltern es dir nie erzählt haben'', bot meine Großmutter an.
''Okay.''
''Lass uns in den Garten gehen.''
Ich folgte ihr durch die Terrassentür nach draußen ohne meine Eltern eines Blickes zu würdigen. Ich spürte aber ihre traurigen Blicke im Rücken.
Shamira setzte sich aufs Gras und bedeutete mir es ihr nachzutun, darum tat sie das.
“Ich bin deine Grandma, das kannst du mir glauben'', sagte sie, ''Und ich hätte dich unglaublich gerne aufwachsen gesehen und dir die Welt erklärt, aber es ging nicht. Es war zu deinem Schutz.”
''Warum denken alle immer sie tun etwas zu meinem Schutz? Ich kann auf mich selbst aufpassen!''
''Das kannst du jetzt. Als du noch ein Baby warst konntest du das nicht. Die Feen hätten dich ohne mit der Wimper zu zucken umgebracht. Ich musste fortgehen um sie von dir wegzulocken.''
''Also bist du auch eine Fairy'', stellte ich fest.
''Das bin ich. Und viele Feen wollen mich tot sehen. Ich habe vor vielen Jahren eine ihrer Anführerinnen getötet. Dafür wollen sie Rache.''
''Und deshalb hätten sie mich umgebracht?''
''Unter anderem. Sie hätten dich auch aufgrund der Prophezeiung getötet. Sie wussten schon immer, das die Prophezeite aus unserer Blutlinie hervorgehen würde, da Vidya unsere Vorfahrin war.''
''Vidya?'', fragte ich verwirrt.
''Sie war eine Fairy, die vor vielen Jahrhunderten gelebt hat. Und sie hatte Visionen über ihre Nachkommen. Die Prophezeiung über dich gehört auch dazu.''
''Also hat meine Ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-ur-großmutter mein Todesurteil unterschrieben'', meinte ich ironisch, ''Super.''
''Das stimmt so nicht ganz. Sie hat dafür gesorgt, dass Fairy auf der ganzen Welt wieder Hoffnung auf Rettung hatten.''
''Indem ich jetzt eine Zielscheibe für alle Feen geworden bin.''
''Visionen kann man sich nicht aussuchen. Sie suchen einen immer wieder heim, bis man sie laut ausspricht. Es kann einen in den Wahnsinn treiben wenn man sie ignoriert.''
Es traf mich wie ein Schlag. Mein Traum. Was wenn er eine Vision war? Würde ich sterben? Oder wahnsinnig werden? Beides?
''Ist alles in Ordnung?'', erkundigte sich Shamira besorgt.
Ich nickte. ''Alles bestens.''
''Gut. Dann kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt. Die Prophezeiung besagt, dass du starke Magie besitzt. Ich möchte dir zeigen wie du sie einsetzt. Gib mir bitte deine Hand.''
Zögernd hielt ich sie ihr hin und sie ergriff sie.
''Das wird jetzt kurz wehtun.''
Und noch bevor ich realisierte, was sie da gesagt hatte, schnitt sie mir mit einem kleinen Messer in die Handfläche. Schnell drehte sie meine Hand um und malte mit dem austretenden Blut einen Kreis auf das Gras.
Der Schnitt tat weh, aber wie Shamira gesagt hatte nur kurz, denn sobald mein Blut die Erde berührt hatte, war der Schmerz weg und auch die Blutung hatte aufgehört.
Plötzlich durchfuhr mich ein Ruck und meine gesamte Wahrnehmung veränderte sich. Ich spürte die Erde, als wäre ich ein Teil von ihr. Wie sich die zarten Grashalme im Wind bewegten, wie sich Würmer und andere Kleintiere ihren Weg durch den Untergrund bahnten, ich merkte es sogar, wenn eine Pflanze berührt wurde. Es war unfassbar.
Da spürte ich ein Ziehen und war wieder im Garten.
“Wow, was war das?”, rief ich begeistert.
Meine Großmutter nahm meine Hand: “Das war Magie. Die Reginae Terrae nennen sie Terra Magia. Das bedeutet so viel wie Erdmagie. Nur wenige beherrschen sie, ganz besonders in einem Ausmaß wie du. Ich besitze ein kleines bisschen Magie, aber keineswegs so viel wie du. Aber ich werde dir helfen mit deinen Kräften umzugehen.”
''Was sind Reginae Terrae?''
''So werden die Fairy genannt, die Magie besitzen. Es bedeutet Königinnen der Erde.''
''Wer hat noch solche Kräfte?'', wollte ich neugierig wissen.
''Die Gabe wird in einer Familie unter den Fairy weitergegeben, kann aber auch ein paar Generationen überspringen. Deshalb besitzt deine Mutter diese Kräfte nicht. Außer uns beiden kenne ich nur wenige mit diesen Fähigkeiten. Ich kenne ein paar Blutlinie in denen sie vorkommen können, aber ich weiß nicht ob es momentan jemanden mit diesen Kräften gibt.''
''Und wieso gibt es diese Kräfte?''
''Um für Gleichgewicht zu sorgen. Feen sind stärker als wir, deshalb haben wir magische Kräfte, mit denen wir sie besiegen können.''
''Ich kann also mit diesen Kräften Feen bekämpfen?''
''Wenn du geübt genug bist und sie schnell einsetzen kannst. Ist das nicht der Fall, lieferst du den Feen eine Chance dich umzubringen.''
Langsam nickte ich. ''Also heißt es schnell töten oder getötet werden.''
Shamira wollte etwas sagen, doch sie wurde unterbrochen, als mein Handy klingelte. Alice zeigte es an.
''Meine beste Freundin'', erklärte ich Shamira, ''Da muss ich rangehen.''
Ich drückte auf annehmen und erschrak sofort. Das war nicht Alice's Stimme. Die Frau die da sprach klang bedrohlich, gefährlich und psychopathisch. Aus Reflex stellte ich den Ton lauter, um meine Großmutter mithören zu lassen.
“Hallo Fairy, mein Name ist Fene'', sagte die Stimme und ich sah, dass Shamira blass wurde, ''Du fragst dich jetzt sicherlich warum ich dich anrufe, und das auch noch von dem Telefon deiner kleinen Freundin. Nun, die Lösung ist recht einfach, ich habe sie entführt. Ziemlich schwach, die kleine, aber sie ist ja auch erst seit heute eine Fairy, habe ich recht? Du wirst sie natürlich wiedersehen, ich bin ja kein Monster, alles was du dafür tun musst, sind drei kleine Aufgaben, die ich dir zukommen lassen werde. Erledige sie und deine Freundin kommt wohlbehalten nach Hause, erledige sie nicht, kriegst du sie nur nach und nach zurück. Habe ich mich klar ausgedrückt? Ach was rede ich da? Natürlich habe ich das.”
Fene lachte, dann wurde die Verbindung unterbrochen.
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Fairy
FantasyEtwas Besonderes sein, anders sein, wünscht sich das nicht jeder in einem gewissen Maß? Etwas zu können, das niemand anderes kann? Tja, bei Fai ist das anders. An ihrem 16ten Geburtstag ändert sich ihr Leben von Grund auf und sie kann nichts dagegen...