Kapitel 20

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Ziemlich schwer. Erst eine Stunde später schaffte ich es, halbwegs einige Schritte zu gehen, ohne hinzufallen. Während ich weiter torkelnd durchs Zimmer schwankte, brachten die anderen mich zusätzlich mehr oder weniger auf den neusten Stand.

''Also hat Jenny uns tatsächlich verraten?'', fragte ich nach, obwohl ich die Antwort längst kannte. Die Rothaarige hatte die ganze Zeit über ein falsches Spiel gespielt und so das Leben unzähliger Fairy riskiert. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich wissen wollte, wie viele Tote es tatsächlich gegeben hatte.

''Ja'', bestätigte Zack, ''Am Anfang hat es noch so ausgesehen als wäre sie auf unserer Seite, aber dann hat sie versucht Nayla umzubringen und es auch beinahe geschafft. Nayla geht es gut, aber wir wissen nicht, was mit Jenny ist. Sie ist mit den Feen geflohen.''

''Ich glaube sie lebt'', meinte Zoey, ''Diese falsche Schlange.''

''Gab es irgendein Zeichen von Fene?''

''Nein, nichts. Das ganze HoF versucht sie zu finden, aber es ist, als hätte sie aufgehört zu existieren'', sagte Alice und fing mich auf, als ich wieder drohte umzufallen. Durch die Flügel war mein kompletter Gleichgewichtsinn durcheinander und ich hasste es. Momentan gab es aber wichtigeres, als sich darüber aufzuregen. Wir mussten zum Beispiel zur Versammlung gehen, die demnächst begann. Das wussten auch meine Freunde, denn Zack fragte: ''Glaubst du, du schaffst es bis in den Versammlungsraum?''

Ich nickte, obwohl ich mir eigentlich nicht so sicher war, doch ich würde jetzt nicht aufgeben und hierbleiben. Also schwankte ich zur Tür und war erleichtert, dass ich nicht hinfiel. Da wir aber durch das halbe Backsteingebäude gehen mussten, um an unser Ziel zu gelangen, stützten Alice und Zack mich, worüber ich auch froh war, denn ich wurde auch so schon von allen angestarrt und wollte es nicht noch schlimmer machen, indem ich mich der Länge nach hinlegte. Aber manche der anderen Feen schienen sich genau das zu wünschen. Dass der Freak ihnen etwas zum Lachen gab. Einige schienen einfach nur neugierig und wieder andere lächelten mir mitleidig zu. Ich versuchte das alles auszublenden und mich aufs Laufen zu konzentrieren. Trotzdem spürte ich unangenehm die Blicke im Rücken und versuchte, etwas schneller zu gehen.

Zehn Minuten und unzählige von Zoey angeschnauzte Fairy später kamen wir beim Versammlungsraum an, wo sich schon einige Leute befanden. Sofort waren wir von Leuten umringt, die aufgeregt durcheinander redeten. Ich vernahm sowohl Grandma's als auch Nayla's und Cataleya's Stimmen, konnte aber nicht genau zuordnen, wer was sagte.

''Warum ruhst du dich nicht aus?''
''Geht es dir gut?''
''Wieso habt ihr sie hier her gebracht?''
''Das ist unverantwortlich!''

''Beruhigt euch'', bat ich, ''Es geht mir gut.''

Plötzlich schloss Grandma mich in die Arme. Das kam unerwartet. Ich kannte meine Großmutter weder besonders lang, noch besonders gut, doch nach meiner Einschätzung war sie niemand, der seine Gefühle so offen zeigte. Es musste also ziemlich schlimm um mich gestanden haben.

''Mach sowas nie wieder, hörst du?'', flüsterte sie mir ins Ohr.

''Ich versuch's'', lächelte ich.

''Gut'', meinte sie und löste sich von mir, ''Denn noch mal überlebst du das bestimmt nicht. Und jetzt, warum bist du nicht im Bett? Du musst dich ausruhen.''

''Du hast nicht wirklich gedacht, dass ich das tue, oder? Ich habe eine Woche lang geschlafen, es ist also unmöglich, noch länger liegen zu bleiben.''

Die Grauhaarige seufzte und half mir, mich auf einen Hocker zu setzen. Zoey, Alice und Zack saßen in der Nähe und Grandma auf der anderen Seite des Zimmers. Das letzte Mal, als ich hier war, hatte ich erst herausgefunden, dass Alice entführt wurde und war völlig panisch gewesen, deshalb hatte ich den Raum nicht wirklich beachtet. Jetzt fielen mir die kleinen Details auf, die ich damals nicht bemerkt hatte. Zum Beispiel, dass hier viel weniger Blumen und Ranken waren als im Rest des House of Fairy, oder, dass auf die Wände nur eine Nuance dunkler als der sonstige Silberton kleine Blätter gemalt waren. Der Tisch, der letztes Mal in der Mitte gestanden hatte, war nicht mehr da, vermutlich, damit mehr Leute Platz fanden. Insgesamt waren etwa fünfzig Fairy hier, von denen ich die meisten nur vom Sehen kannte, wenn überhaupt. Zack hatte vorhin erzählt, dass einige Fairy auch aus anderen Ländern angereist waren um Fene weiterhin zu bekämpfen.

Bald waren auch die letzten Teilnehmer des Treffens angekommen und Daniel begann aufzuzählen, was seit dem Kampf passiert war und wie es weitergehen würde.

''Wie vermutlich alle hier wissen, hat uns eine enge Vertraute verraten. Keiner von uns hätte damit rechnen können, dass Jenny sich auf die Seite der Feen gestellt hat und wir tun alles, um mögliche weitere Verräter zu entlarven. Dabei sind wir auf die Hilfe von jedem einzelnen angewiesen, insbesondere in Anbetracht der Opfer, die es gegeben hat. Insgesamt fünfzehn unserer Freunde sind gefallen, wir konnten jedoch auch neunundzwanzig Feen töten und andere schwer verletzen, sodass wir nicht wissen, ob sie ihren Wunden erlegen sind."

Ich schluckte hart. Fünfzehn Fairy in einer einzigen Nacht, das waren viel zu viele und die Tatsache, dass auch Fene's Truppen Verluste erlitten hatten, machte es auch nicht besser.

"Wir werden jedoch alle Fairy, die in dieser Nacht verstorben sind rächen", fuhr John fort, "Die Feen werden doppelt und dreifach dafür bezahlen."

So angriffslustig und wütend hatte ich ihn noch nie erlebt. War er vielleicht mit einem der Opfer befreundet gewesen?

"Zusätzlich werden wir einen Ersatz für Jenny brauchen", verkündete Nayla, "Und es wird verschärfte Patrouillen in der Stadt und Umgebung geben. Unser oberstes Ziel bliebt weiterhin der Schutz der Menschen."

"Deshalb werden die jüngeren Fairy ab jetzt besonders auf ihre Stärken angepasst trainiert", redete Sarah weiter, "Fene hat in den letzten Tagen kein Lebzeichen von sich gegeben, was wohl bedeutet, dass sie einen Angriff plant. Wir müssen vorbereitet sein. Die älteren Fairy gehen deshalb entweder auf Patrouille oder trainieren die Jüngeren. Die neuen werden in die Grundlagen der Selbstverteidigung eingewiesen."

"Und wer wird ersetzt Jenny?", fragte ein Fairy Anfang dreißig.

"Wir werden wählen", meinte Sam und reichte einen Stapel Papier und Stifte herum, "Jeder schreibt genau einen Namen auf. Nehmt jemanden, dem ihr vertraut, und von dem ihr euch absolut sicher seid, dass er uns nicht verrät. Wir werden ihn oder sie allerdings noch genau überprüfen."

Als ich das Papier bekam musste ich nicht wirklich lange überlegen. Es musste jemand sein, der die Kampftechniken der Feen kannte und wusste wie sie tickten. Jemand der Fene einschätzen konnte, der etwas bewegen konnte, jemand der vertrauenswürdig war und das Richtige tun würde, egal was er davon hielt. Und wer eignete sich da besser als Grandma? Also schrieb ich ihren Namen auf, bevor ich den Zettel zusammenfaltete und den Papierstapel, sowie den Kugelschreiber an Zoey weiterreichte.

Während die anderen noch abstimmten spielte ich mit dem Zettel in meiner Hand und als alle fertig waren, warf ich ihn in die Kiste, die John herumreichte. Dann begann die Auszählung.

Daniel und Sarah holten abwechselnd jeweils ein Stück Papier aus der Holzschachtel, lasen die Namen vor und und bildeten mehrere Haufen. Einige Fairy führten Strichlisten, die anschließend miteinander verglichen werden sollten, damit das Ergebnis eindeutig war.

Es wurden verschiedene Namen gesagt, häufig kam Shamira vor, manchmal Cataleya und auch einige Namen zu denen ich kein Bild im Kopf hatte. Doch keiner davon war der meist genannte.

Am Schluss gab es fünf Haufen, von denen einer ganz klar der größte war. Ich schluckte, da ich genau wusste, was auf all den Zetteln stand. Warum nur? Warum ich?

Auch wenn das Ergebnis eindeutig war, verglich Nayla es noch mit den Strichlisten und ich spürte erneut unzählige Blicke auf mir. Diesmal jedoch nicht wegen meinen Flügeln.

Da rief Daniel das Ergebnis aus. Mein Herz schien einen Schlag auszusetzen, als seine Stimme der Sache die bisher fehlende Realität gab.

"Und das neue Ratsmitglied ist Fai!"

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