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Gelangweilt starrte ich an die Tafel in unserem Klassenzimmer und schaute unserer Lehrerin Mrs. Hensley dabei zu, wie sie irgendwelche mathematischen Formeln an die Tafel kritzelte, die ich sowieso nicht verstand. Die Kreide quietschte an der grünen Wand entlang und ich verzog mein Gesicht wegen dieses ekelhaften Geräuschs.

Nun widmete ich mich lieber meinem Collegeblock vor mir, denn auf Aufpassen hatte ich gerade nicht so wirklich Lust. Wieso sollte ich das auch, wenn ich es sowieso nicht verstehen würde? Ich hatte in absolut jedem Fach Probleme und wusste nicht einmal, wie ich dieses Jahr mein Abitur schaffen sollte. Aber wofür sollte ich denn auch studieren, um danach Polizistin, Arzt oder ähnliches zu werden, wenn ein einfachere Job wie Kellnerin in irgendwelchen Londoner Bars für das Geld verdienen reichte? Ich interessierte mich eben nicht für den Aufbau des menschlichen Skeletts oder die Bevölkerung von Japan, denn momentan hatte ich einfach genug andere Probleme mit mir selbst.

"Haley, kannst du bitte diese Gleichung lösen.", riss mich Mrs. Hensley aus meinen Gedanken und ich zuckte abrupt zusammen. "Komme bitte nach vorne an die Tafel." Ich nickte fast unbemerkbar und schlich die Sitzreihen nach vorne. Ich spürte die starren Blicke meiner Mitschüler auf meinem Rücken kleben. Was fällt denen eigentlich immer ein mich so anzustarren als wäre ich ein Schwerverbrecher? Hatte ich etwa irgendetwas braunes an der Hose kleben, oder was war ansonsten der Grund dafür?

An der Tafel angekommen nahm ich genervt die weiße Kreide in die Hand und schaute unsicher zu meiner Lehrerin herüber. Diese nickte mir jedoch nur erwartungsvoll zu und ich wendete mich zurück an das riesige grüne etwas vor mir.

Vorsichtig malte ich irgendwelche Zahlen und Zeichen, die mir gerade in den Sinn kamen, an und senkte meinen Blick anschließend auf den grauen Fußboden. Mrs. Hensley stand kopfschüttelnd neben mir.

"Liebe Haley, das kann so einfach nichtmehr weitergehen! Wir haben uns die ganzen letzten beiden Stunden mit diesem Thema befasst und deine Leistung zeigt mir nun eindeutig, dass du dir wohl keine Wimper gekrümmt hast, um an meinem Unterricht aufzupassen. Ich bin enttäuscht von dir!" , meckerte sie mich mit ausgestrecktem Zeigefinger an.

Sie ist enttäuscht von mir? Dass ich nicht lache! Denkt sie wohl etwa, dass ich jetzt in Schuldgefühlen verzweifle und mich anschließend von einer Brücke stürze, nur weil meine ach so tolle Mathelehrern - Betonung auf Mathe - enttäuscht von mir ist? Für wen hält die sich eigentlich? Mir ist es sowas von egal was sie von mir denkt. Ich interessiere mich eben nicht für ihren Unterricht und damit soll sie klar kommen. Okay, vielleicht übertrieb ich ja ein kleines bisschen, da man ja immer so großen Respekt vor seinen Lehrern haben sollte. Aber was, wenn es bei dieser alten Beißzange einfach nur die Wahrheit war...

Ich nicke nun auf ihre Moralpredigt und verdrehte meine Augen. "Tja, es kann eben leider nicht nur so gute und lernfähige Schüler wie mich geben.", lachte mich die eingebildete Stina aus der ersten Reihe aus und grinste mir frech zu. "Ach halt doch einfach deine verlogene Klappe", fuhr ich sie an uns stemmte meine Arme wütend  auf ihren Tisch. Blöder weise schupste ihr so ihr Federmäppchen auf den Boden, auf dem sich jetzt dessen gesamter bunter Inhalt verteilt hatte. Ups... aber immerhin war sie selber schuld!

"Haley, jetzt reicht es! Eine Stunde Nachsitzen nach Schulende bei mir!" Ich seufzte genervt auf und schenkte meiner Lehrerin einen vielsagenden Blick, bevor ich mich dann endlich wieder auf meinen Platz in der hintersten Reihe fallen ließ. Auf Nachsitzen hatte ich ja auch echt noch so viel Lust... Naja, immerhin hätte ich heute Mittag sowieso nichts besseres zu tun, da würde mir wohl diese Stunde bei Frau Beißzange auch nicht schaden.

Shade || l.p.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt