Kapitel 1

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Jack flog und flog und flog. Jauchzend zischte er durch die Luft, lies seinen Stock nieder sausen und hinterließ eine dicke Eisschicht auf dem Kopfsteinpflaster. Der Wind trug ihn und er trug ihn immer höher. Sein Name war Jack Frost und er würde sich nie wieder von jemandem sagen lassen, was er tun oder lassen sollte.

Er war frei.

Die Blätter des Apfelbaums vor ihm wurden von dem Eis in klitzernde und funkelnde Diamanten verwandelt. Lachend beobachtete Jack wie das Eis über den Stamm zu den Wurzeln des Baums wanderte und von dort im Gras verschwand. Es fing an silbrig zu leuchten und zu glitzern.

Sanft landete Jack auf dem Gras. Seine nackten Füße knickten einige der gefrorenen Halme um. Lässig drehte er seinen Stab zwischen den Fingern. Dann stolzierte er weiter über die Wiese, schwang seinen Stab hier hin und dort hin. Verzückt betrachtete er das Eis. Er hatte noch nie etwas schöneres gesehen und das würde sich wohl auch nicht ändern.

Jack streckte die Arme aus. Dann stieg er wieder in den Himmel, drehte sich in einer Spirale nach oben. Immer schneller und immer schneller drehte er sich. Ein heiserer Schrei kam aus seiner Kehle und wurde von den weit entfernten Felswänden widergeworfen. Dann spürte er die feuchten Wolken. Zuerst nur auf seinem Kopf, dann am ganzen Körper. Die kalten Tropfen sogen sich in seine Kleidung und hafteten auf seiner Haut.

Dann durchbrach er die Wolkendecke und konnte den Kristallklaren Sternenhimmel sehen. Der Mond strahlte hell und hatte heute Nacht seine volle Größe erreicht. Im Schneidersitz beobachtete Jack ihn, den Kopf stützte er auf seine Hand. Er schloss die Augen, atmete tief ein. Die kühle Luft fühlte sich sanft und angenehm auf seiner Haut an.

Jack öffnete wieder die Augen. Dann flog er los, direkt auf den Mond zu. Wieder versuchte er es. Jack wollte zu seinem Freund dem Mond. Er erhöhte sein Tempo, seine Haare wurden vom Wind zerzaust und flogen in sein Gesicht. Schneller und immer schneller.

Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts eine riesige Felswand vor ihm auf. Ein überraschter Laut kam über Jack's Lippen. Er nahm eine scharfe Linkskurve. Sein Stab rutschte ihm aus der Hand und fiel in die Tiefe. Jack flog ihm hinterher. Er streckte die Hand aus, versuchte ihn zu fassen. Dann war da aufeinmal Nebel. Jack hielt sich die Hand vor die Augen, die andere tastete suchend weiter in der Luft.

Jack konnte seine Hand nicht vor Augen sehen. Er wusste nicht, wie weit er noch vom Boden entfernt war. Nur eins wusste er, er befand sich in den Vorläufern eines Gebirges. Seine Sinne schienen ihn getäuscht zu haben. Für ihn hatte es so ausgesehen, als wären die riesigen Berge noch viel weiter weg gewesen.

Dann war der Nebel plötzlich wieder verschwunden. Jack sah nach unten und konnte sich gerade noch zur Seite drehen. Er knallte mit seinem Rücken auf die obere Hälfte eines Steilhangs. Alle Luft entwich seinen Lungen und er schnappte nach Luft. Sein Rücken schmerzte. Dann rollte er und wurde immer schneller. Schnee sammelte sich um ihn und er wurde zu einer riesigen Schneekugel, die immer schneller den Hang herunter rollte.

Verzweifelt versuchte er sich aus dem Gefängnis aus fest werdendem Schnee zu befreien. Er strampelte mit den Beinen und versuchte sich frei zu graben. Die Schneekugel wurde immer schneller. Übelkeit stieg in Jack auf. Würde nicht irgendetwas die Kugel stoppen, wäre sie zu dick als das Jack sich noch aus ihr befreien könnte. Schon jetzt spürte er, wie der Schnee um ihn herum langsam zu Eis wurde. Würde er sich verfestigen wäre Jack eingeschlossen. Ohne seinen Stab konnte er sich nicht befreien.

Ein heftiger Ruck ging durch Jack's Körper und die Kugel kippte zur Seite. Dann blieb sie ruhig liegen. Jack wartete einige Sekunden, ob die Kugel sich doch noch weiter bewegen würdeSeine Finger bohrten sich in den Schnee. Er löste Stück für Stück den Schnee um ihn herum. Dann schob Jack seinen rechten Arm durch den von ihm geschaffenen Tunnel. Seine Finger durchstiesen den lockeren Schnee, der die äußere Hülle der Kugel bildete.

Jack zog den Arm wieder zurück. Die Strahlen des Mondes fielen ins Innere der Kugel. Langsam versuchte er den Tunnel zu verbreitern. Es würde eine lange Nacht werden, das wusste Jack jetzt schon.

-

"Hey Sven. Ganz ruhig mein Freund, wir sind ja schon fast weg!"

Kristoff lachte und streichelte beruhigend über Svens Gesicht. Sven war ein Rentier und sein bester Freund. Er kannte ihn schon seit er sehr klein war und zusammen waren sie durch dick und dünn gegangen. Mehrere Jahre lang hatten sie Eis ausgeliefert, das Kristoff aus zugefrorenen Seen geschnitten hatte und dann auf seinem Schlitten den Kunden gebracht hatte. Als er aber dann Anna kennen lernte hatte sich alles verändert. Die Prinzessin hatte ihn überedet sie zu ihrer Schwester, der Königin, zu bringen, die ein kleines Problem mit ihren magischen Kräften hatte und sich deshalb in einem selbst erbauten Eispalast verkriechen wollte.

Zusammen konnten sie es aber schaffen Elsa zurück zu holen, Arendelle von dem plötzlichen Winter zu befreien, den sie ausgelöst hatte und die machthungrigen Adligen zu vertreiben, die es auf das Königreich abgesehen hatten. Zu guter Letzt war Kristoff dann auch noch mit Anna, seiner großen Liebe, zusammen gekommen. Sie hatten vor einem halben Jahr geheiratet und Kristoff war ins Schloss gezogen. Jetzt war Anna schwanger und wurde im Laufe der Schwangerschaft immer sprunghafter. Kristoff nahm das mit Humor. Er konnte es kaum noch erwarten ihr gemeinsames Kind im Arm zu halten. Da konnte er auch ihre Tränenausbrüche, Wutanfälle und Fressattacken aushalten.

Heute würde es das letzte Mal sein, dass er mit seinem Schlitten raus fuhr. Der Winter neigte sich dem Ende zu und der Geburtstermin rückte immer näher. In den nächsten Monaten würde er nicht mehr von Anna's Seite weichen. Sven würde in dieser Zeit nicht viel raus kommen und Kristoff wusste wie sehr sein Freund es hasste nicht unterwegs zu sein.

"Los Sven, ab geht's!"

Kristoff setzte sich auf den Schlitten, nahm Sven's Zügel in die Hand und schon rauschten sie los. Das Schloss und Arendelle ließen sie schnell hinter sich. Kristoff wollte mit seinem Freund noch einmal zu einem See, den sie gemeinsam gefunden hatten. Er befand sich in einem Tal, dass ungefähr eine Stunde bei vollem Schlittentempo entfernt war.

Die Sonne wanderte immer weiter über den strahlend blauen Himmel. Bald war es Mittag. Sven lief einen Hügel hinauf, dann ging es rechts rum auf einen Felsspalt zu, der sich bis zu zwanzig Meter in die Höhe streckte. Hinter diesem Felsspalt lag ein sonnendurchflutetes Tal, in dessen Mitte der silbern glitzernde See lag, wie eine riesige Eisfläche.

Sven hielt zufrieden schnaubend neben dem See. Seine lange Zunge hing aus seinem Maul und hechelnd drehte er sich zu Kristoff zu. Lachend schnallte er Sven vom Schlitten los und sah ihm zu wie er über den Schnee auf den See zu jagte. Schnüffelnd blieb er am Rand des Sees stehen. Kristoff schüttelte leicht den Kopf. Er grinste, während er den Schlitten im Boden verankerte, damit er nicht weg rutschte.

Als er sich wieder zu Sven umdrehte stand der plötzlich mitten auf dem See. Kristoff rieb sich verblüfft die Augen. Das Sonnenlicht schien ihm eine  Streich zu spielen. Es konnte doch nicht sein, dass er Sven, seinem Rentier, gerade dabei zu sah, wie er über Wasser lief. Kristoff rannte zum Rand des Sees und da sah er es. Der ganze See war mit einer anscheinend meterdicken Eisschicht überzogen. Er runzelte die Stirn. Zu dieser Jahreszeit waren die meisten Seen schon fast wieder komplett aufgetaut. Mit seiner rechten Hand beschattete Kristoff seine Augen, um nicht von der reflektierten Sonne geblendet zu werden. Da schien etwas auf dem See zu sein, dass Sven auch gesehen haben musste, denn er näherte sich diesem Etwas immer schneller.

Vorsichtig setzte auch Kristoff einen Fuß auf die Eisfläche. Wie zu erwarten konnte das Eis ihn ohne Probleme tragen. Schritt für Schritt näherte er sich nun seinem Freund, der mitten auf dem See stehen geblieben war. Kristoff kniff seine Augen zusammen. Er versuchte zu erkennen wovor Sven stand, konnte aber nur den langen Schatten von einem Ast erkennen. Dieser steckte tief im Eis und bildete am oberen Ende einen Halbkreis.

Forbidden Love - Jelsa FanfictionWo Geschichten leben. Entdecke jetzt