Der Verdacht

5 0 0
                                    

Ally spürte deutlich den Blick der unsportlichen Blondine im Nacken. Jess, hatte er sie gennant. Dieser dumme Matt, bei dem wohl doch nicht alles so perfekt war wie er es raushängen ließ. Klar, super schönes Haus, aber ein mürrischer Vater mit glasigen Augen, der nach 20 Minuten Notaufnahme, losrannte um „ein" Bier zu trinken? Eine Mutter die verstorben war, wahrscheinlich an einer Krankheit verendet oder vielleicht einfach daran, dass ihr Sohn unerträglich eingebildet war. Allyson schellte sich innerlich für den letzten Gedanken. Das war ziemlich gemein. Wahrscheinlich brachte sie sich selbst nur gegen ihn auf, weil es ihr peinlich gewesen war, dass sie allen Ernstes angefangen hatte zu weinen. Naja vielleicht nur ganz leicht feuchte Augen. So fröhlich sie auch immer sein mochte, so sensibel war sie auf der anderen Seite. Es würde keiner jeh verstehen, Allyson fühlte beinahe Emotionen und Schicksalsschläge so stark als können sie sie in Farben sehen. So war sie schon immer gewesen.
Wie eine kleine Wahrsagerin, hatte ihr Vater gesagt. Ihr Bruder hatte es gerne Hexe genannt. Sie fand einfach sie hatte eine Art 6. Sinn für manche Dinge.
„Jess, du kannst gerne versuchen mir ein Loch in meinen Hinterkopf reinzubrennen, oder du lässt den Blödsinn einfach und sagst was dich so nervt."

Beschämt liess sie sich zurückfallen, anstatt zu antworten. „Pfff, stell dich halt nicht so an", dachte Ally und steckte sich ihre Kopfhörer ins Ohr, es war noch ein ordentliches Stückchen bis zur Schule.

In der ersten Doppelstunde bereute sie es fast Biologie dieses Jahr als Leistungskurs gewählt zu haben. Machte sie dieses Jahr ein verdammtes Abitur, oder soll das eine Doktorarbeit werden. Ihr schien es nicht alleine so zu gehen, denn als die Pausenglocke läutete rauchten augenscheinlich alle Köpfe. Die Klingel war eine Erlösung. Deanna, die neben Ally sass und ihr Tshirt ohne ein Wort in ihre Tasche gestopft hatte, wie einen alten Lappen sah aus wie immer. Komplett gelangweilt und mal wieder pulte sie an ihrer Zahnspange herum. Ihgitt, aber was solls. Sie sassen in den meisten Fächern zusammen. Irgendwann wars das Einfachste gewesen, die Gruppen hatten sich alle geschlossen, die Mädchen schienen eine eingeschworene Gemeinschaft zu sein und neben Deanna war immer der Platz frei.
Wieso war irgendwie nicht klar, sie schien doch eigentlich ganz nett zu sein. Okay, nicht die Redseligste, aber Ally hatte das Gefühl dass die schwarzhaarige, unscheinbare Person ständig Aufmerksam verfolgte was um sie herum geschah. Wahrscheinlich hatte sie mehr in der Birne, als jeder andere in diesem Raum.

Die folgende Stunde nach der Pause war Sport und sie huschte als Letzte in der Umkleideraum. Peinlicherweise hatte sie ihr Schlafshirt von letzter Nacht noch an, weshalb sie es nicht zu wechseln brauchte. Allyson hatte ersatz für danach eingepackt in der Eile heute morgen. Sie brauchte nur eine Jogginghose überzustreifen und die Schuhe in der Halle anzuziehen. Hier durfte man die Hallenschuhe nicht auf den Weg dorthin tragen, sie mussten eine weisse Sohle beibehalten und zwischen der Halle und dem Umkleideräumen musste man eine steinerne Brücke in ein Nebengebäude überqueren, unter freien Himmel. Der Architekt hat sich wohl nicht soviel dabei gedacht. Dabei war das doch so ne renommierte Einrichtung.

Sie spielen Volleyball, ein Albtraum, denn die Mädchen waren Klischeegetreu alle schlecht, Ally und Jess beide noch weiter untern Durchschnitt. Die Jungs ballerten los, ohne Rücksicht auf Opfer. So standen die Mädchen in den jeweiligen Mannschaften irgendwann nur noch am hinteren Spielfeld rand und versuchten nicht mal den Eindruck zu erwecken fleißig dabei zu sein. Als auch diese Stunde um war, war die Erleichterung gross.

Das komische Gefühl ereilte Ally schon vor der Garderobentür. Ein ekliges Unbehagen breitete sich in ihrer Brust aus und ihre Hände zitterten kaum merklich. Sie wusste nicht weshalb sie sich so fühlte, aber ihr war klar, es würde sich bald klarstellen, wenn sie den Raum betrat.
Wie bereits geahnt, ein Gefühl, wie sie es erwartet hatte, kaum beschreiblich. Vor Aufregung konnte sie nicht ausmachen was los war, deshalb ging sie an ihre Tasche un sich umzuziehen. Dann fiel ihr das ungewöhnlich leise Gewisper von Flüstern auf. „Warum stehen die anderen so zusammen. Was gibts da so Geheimes zu bereden."

Ally griff sich ihre Tasche, nachdem sie sich in Rekordzeit ungezogen hatte und trotte den Jungs hinterher die zeitgleich fertig waren, zum Geschichtsraum.

„Na also, die bekommen es auch hin sich einfach anzuziehen ohne so ne komische Nummer."

Den restlichen Tag schwebte das Gefühl wie eine Unheilwolke über ihren Kopf und begleitete sie den Heimweg bis zur Haustür.

Sie blieb kurz davor stehen. „Ich will da jetzt nicht rein.", entschied sie genau in diesem Moment. Sie warf ihren Rucksack neben den Treppenaufgang und machte Kehrt. Dad würde eh nicht vor Abends Heimkommen, genau wie der Kater, der wahrscheinlich irgendwo in der Nachbarschaft umher irrte und es sich gut gehen ließ.

Ich will in den Wald, der Satz kreiste immer wieder in ihrem Schädel herum.
Ihr war etwas kalt, aber das war ihr egal. Am morgen hatte sie nicht damit gerechnet, länger im Freien zu sein und trug daher nur eine Weste über den dünnen weissen Pullover. Über einem kleinen Bach, den sie etwas tiefer im Wald gefunden hatte, lag ein dicker Baum, auf den man sich setzen konnte. Sie gönnte sich eine von ihren heimlichen, seltenen Zigaretten. Oder auch drei..
Trotz der Musik die lautstark durch die Lautstärke ihrer Kopfhörer wummerte konnte sie sich auf ihren Brief konzentrieren, den sie vorerst in die Handynotizen tippte. Den würde sie nachher auf schönem Briefpapier schreiben, in ihrer besten Handschrift. Wie jede Woche. Adressiert an immer wieder der selben Person. Sowie sie es seit nun fast einem Jahr tat.

Tell me why we are friendsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt