Teil 15: Still

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- Tendou Satori -

'"Du bist ein genau das, was deine Klassenkameraden dir sagen. Niemals wirst du Geld einbringen mit dem was du tust und für etwas anderes bist du einfach zu unfähig."
Das nächste was ich spürte war Hitze in meiner Wange.
Meine Mutter stand vor mir, scheinbar hatte sie mich geohrfeigt.
Hinter ihr stand mein Vater, er sah so aus als wäre er schon bereit auf mich einzuprügeln.
"Es tut mir leid."
Ohne jegliche Gefühle sprach ich diese Worte aus. Ich hatte soetwas schon lange nichtmehr gehabt. 'Gefühle', was bedeutet das schon.
"Diesen Unterton kannst du dir sparen!"
Eins.
Die Stelle, an welcher mein Wangenknochen herausragte, pochte.
Zwei.
Mit meinem linken Auge konnte ich kaum noch sehen.
Drei.
Aus meiner Nase ronn Blut.
Meine Mutter stand während des Geschehens seelenruhig neben uns. Jeden Schlag hätte sie verhindern können, denn mein Vater gehochte ihr wie ein zahmer Hund.
"Niemand braucht dich."
Als er dann ein weiteres Mal ausholte, fing ich seine Faust ab.
Es war eher ein Reflex, dennoch war ich stolz darauf, dass ich mich wehrte.
Jedes Mal wenn ich das tat, gab es noch schlimmere Konsequenzen, als wenn ich meinen Mund aufmachte um zu reden.
Ich wurde an den Haaren gepackt und in mein Zimmer gezogen.
Vier. Fünf. Sechs.
"Du traust dich zu viel! Wo ist dein Respekt?!"
Sieben. Acht. Neun.
"Verschwinde. Raus!"
Die Stimme meiner Mutter war grell, es schmerzte in den Ohren wenn sie begann zu schreien.
Mein Vater, der noch immer über mir stand zog mich an den Haaren wieder nach oben.
"Lass dich nie wieder hier blicken."
Irgendwie hatte sein hässliches Äußeres etwas von einem Tier.
"Kein Problem."
Ich stand auf und verließ das Haus.
Schmerzerfüllt verzog ich das Gesicht.
Draußen war es eiskalt, sodass ich in meinem dünnen Pulli beinahe erfror.
Mein Zittern hörte nicht auf, egal wie stark ich es unterdrücken wollte.'

"Hey.. alles ist gut."
Seine Stimme war ruhig und rau.
"Ich bin hier."
Zwei lange Arme legten sich um mich.
Langsam schlug ich meine Augen auf.
"Hast du schlecht geträumt?"
Ushijima trug kein T-Shirt, seine Haare waren zerzaust.
Ich lächelte leicht, kuschelte mich dann an ihn.
"Nichts wildes, nur ein paar unschöne Erinnerungen."
Seine Wärme beruhigte mich, sodass ich schnell wieder in einen traumlosen Schlaf glitt.

Das Klopfen an der Tür nahm ich gar nicht wahr.
Das laute Pfeifen jedoch schon.
"Aufstehen ihr Turteltäubchen, Ushijima muss seine Medizin nehmen."
Nun schreckten sowohl er, als auch ich auf.
Wir beide lagen oberkörperfei im Bett und an Ushijimas Hals war ein dunkler Knutschfleck.
"Wieso zur Hölle klopfen Sie nicht?"
Der verschlafene Ushijima warf eines der großen Kissen nach ihr.
Sie sprang lachend zur Seite.
"Alles gut, ich sag schon nichts."
Sie tat so, als würde sie ihren Mund verschließen und den Schlüssel wegwerfen.

Bevor sie den Raum verließ wackelte sie nochmals spielerisch mit den Augenbrauen und kicherte, als Ushijima anfing zu fluchen.
"Morgen um 10, nicht vergessen."
Nach einem kurzen Zwinkern verschwand die kleine Ärztin wieder.

"Tut mir leid." säuselte ich und piekste Ushijima dabei in die Wange.
Er lächelte kurz, doch die Wärme verschwand schnell wieder.
"Was ist-"
"Ein halbes Jahr noch." Seine braunen Augen schauten direkt in meine.
"Ich hab noch ein halbes Jahr."

Unser weiteres Gespräch verlief einseitig. Seine breiten Schultern waren nichtmehr so stark wie sie vor ein paar Monaten noch waren.
Seine braunen Haare waren länger geworden, sie fielen ihm unordentlich ins Gesicht.
Seine gesamte Statur wirkte nun eher gebrechlich und krank.
Sein Gesicht war eingefallen, seine Wangenknochen stachen heraus.
Es war nur für einen kurzen Moment, doch in jenem wurde mir bewusst, dass man Ushijima nicht heilen konnte.
Er würde in einem halben Jahr nichtmehr da sein, in einem Jahr nurnoch ein Skelett in einem Sarg.
Er würde seine Augen nie wieder öffnen und mich anlächeln.
Schnell verdrängte ich diese Gedanken.
"Wo war ich?"

Es war bereits dunkel geworden, er saß auf der Fensterbank, trotz Schlauch unter der Nase sah er wunderschön aus. Sonst redeten wir über belanglose Themen, über Politik, Hobbys oder Kindheitserinnerungen.
Doch jetzt saß er da, komplett still.
Es war keine bedrückende Stille, es war eher eine Traurige.
Seine Gesichtszüge sahen im Schimmer des Mondes aus wie gemalt.

Es wütete in seinem Inneren und dennoch war er ruhig, sagte kein Wort.

'Du bist ganz schön still geworden, Ushijima.'

Breathe out. - UshitenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt